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Herbert Dutzler

Modell: Moussy Lace, Farbe: Passion Red

Eine Kriminalgeschichte

Modell: Moussy Lace, Farbe: Passion Red

Sie war nervös, obwohl es dafür eigentlich keinen Anlass gab. Aber immer, wenn sie am Bahnsteig stand und auf einen Zug wartete, tauchte diese Unruhe auf. Ob sie einen Platz bekommen würde. Wer neben ihr sitzen würde. Wie schlimm das Gedränge beim Einsteigen sein würde. Sie musterte die Wartenden, die alle, wie ihr schien, bewusst ins Leere starrten. Sie wollte es ihnen gleichtun, erspähte dabei jedoch links hinter sich einen jungen Mann, der seine Blicke auf ihre Beine gerichtet hatte. Als er spürte, dass auch er beobachtet wurde, drehte er seinen Kopf pfeifend zur Seite.

Sie hielt Ausschau nach dem Zug, als könnte sie ihn dadurch dazu bewegen, endlich aufzutauchen. Tatsächlich kam die rote Lokomotive am Ausgang einer Kurve in Sicht. Sie trat einen Schritt zurück, dennoch flatterten Haare und Rock im Fahrtwind. Als der Zug quietschend zum Stehen kam, fand sie sich einige Meter von einer Tür entfernt. Der junge Mann von vorhin stand grinsend davor, die Hand an der Haltestange. Er lud sie mit einer Bewegung ein, vor ihm einzusteigen. Ihr war klar, dass er sich eine noch bessere Aussicht auf ihre Beine erhoffte, sie nahm die Einladung aber dennoch wortlos und ohne ein Lächeln an. Sie hoffte, dass er sich nicht neben sie setzen würde.

Sie hasste es, Entscheidungen treffen zu müssen wie die, die jetzt bevorstand. Zu wem sollte sie sich setzen? Warum hatte sie auch unbedingt alleine nach Innsbruck fahren müssen? Sie hätte warten können, bis Julian fuhr. Oder sie hätte Stefan fragen können, ob er noch einen Platz im Auto hatte. Zu spät.

Überall schien es ihr zu eng, viele Reisende hatten auch Taschen oder Rucksäcke auf den Sitzen neben sich abgestellt und vermieden krampfhaft Blickkontakt mit den neu Zugestiegenen. Etwa in der Mitte des Waggons fand sich eine Vierergruppe, in der nur ein Platz besetzt war. Der Fensterplatz, entgegen der Fahrtrichtung. „Ist hier noch frei?“ Der junge Mann lächelte und nickte ihr zu. Er schien gepflegt, etwas älter als sie, trug einen gut geschnittenen grauen Anzug und eine rote Krawatte. Kurz überlegte sie, ob sie den Fensterplatz nehmen sollte, entschied sich aber dagegen, um mehr Fußfreiheit zu haben und ihrem Gegenüber nicht zu nahe zu kommen.