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Eva Gründel

Mörderküste

Ein Sizilien-Krimi

Für meinen Mann,

für Reinhard Deutsch und

für Ingrid Prandtstetten – unvergessen

Prolog

Bei Kerzenschein war der Effekt umwerfend, aber würde sein Werk auch bei Sonnenlicht einer kritischen Prüfung standhalten? Während sich der beißende Geruch von Firnis in seinem Atelier ausbreitete, bearbeitete er die Oberfläche der mit Ölfarben bemalten Holztafel sorgsam mit einem weichen Pinsel. Eine Tätigkeit, die seinen empfindlichen Augen Qualen bereitete und die er dennoch keinem seiner Schüler übertragen wollte. Eine letzte sanfte Berührung zum Abschied, meine Schöne, dachte er, wie konnte ich darauf verzichten? Wie viele schlaflose Nächte haben wir miteinander verbracht! Wie viele Stunden, um den richtigen Ausdruck in dein Gesicht zu zaubern, damit alle Welt endlich begreift, wer du wirklich bist!

Zärtlich betrachtete der Meister das anmutige Frauen­antlitz unter der ungebändigten Haarpracht, die in tiefschwarzen Locken auf die mit rotem Samt verhüllten Schultern herabfiel. Viel mehr als den mit Perlen bestickten Stoffrand über den kleinen, festen Brüsten gab das Porträt nicht preis, doch konnte man sich die Eleganz der gesamten Erscheinung unschwer vorstellen. Vom Scheitel bis zur Sohle jeder Zoll eine Dame von Stand, das verriet der lange, schlanke Hals ebenso wie die leichte Drehung des Kopfes oder das kaum merkbar emporgereckte Kinn.

Kein Bauernmädchen konnte das Vorbild für dieses Gemälde gewesen sein, so viel stand fest. Doch der wahre Skandal lag nicht allein in der Identität des Modells, sondern in der Darstellung. So sollte die große Sünderin Maria Magdalena ausgesehen haben? Wie diese selbstbewusste Frau, die nicht als tränenüberströmte Büßerin, sondern mit einem leisen, spöttischen Lächeln der Welt gegenübertrat?

Welch eine Provokation der Kirche, die eine solche Interpretation der berühmt-berüchtigten Maria von Magdala niemals dulden würde! Stattdessen hieß es nach einem ungeschriebenen Kirchengesetz: auf die Knie mit ihr, der Gestrauchelten, die nur dank der unendlichen Gnade Christi der ewigen Verdammnis entgangen war. Lediglich die hüftlangen Haare durften die Blößen der Ehebrecherin bedecken, nackt und erniedrigt sollte sie um Gnade flehen. Zur höheren Ehre Gottes – und zum Ergötzen der klerikalen Herren, die solche Malereien gerne in Auftrag gaben, um für ein wenig Abwechslung zu den sonst eher langweiligen Darstellungen des späten Mittelalters zu sorgen.

In dem Kunstwerk steckte zweifellos Sprengstoff von enormer Brisanz. Denn löckte erst einmal einer erfolgreich wider den klerikalen Stachel, dann waren andere Ketzer im Malerkittel, die sich nicht länger dem Diktat Roms beugen wollten, nicht mehr weit. Ein Skandal war jedenfalls vorprogrammiert, und wie er ausgehen mochte, konnte keiner absehen. Vielleicht ist es doch klüger, dieses Bildnis vorerst einmal vor den Augen der Welt zu verbergen, überlegte sein Schöpfer in dieser Nacht nicht zum ersten Mal. Zu ihrer beider Sicherheit.

In einem Aufflackern der letzten Kerze blickte Maria Magdalena mit ihren großen, dunklen Augen ernst und nachdenklich von der Staffelei herab. Doch noch während das Licht erlosch, durchzuckte den Künstler ein Gedankenblitz von verblüffender Klarheit.

Mit einem Mal wusste er ganz genau, was er zu tun hatte.

1. Kapitel

Die milden Sonnenstrahlen des verdämmernden Tages strichen wie eine zärtliche Berührung über den Toten, der mit weit aufgerissenen Augen in eine jenseitige Welt starrte.

„Sogar das macht er mir noch zu Fleiß“, war Elenas erster Gedanke, als sie Sigismund Eck in verkrümmter Haltung zwischen den geborstenen Steinen entdeckte. Auch wenn kein Blut mehr floss, bot der Leichnam keinen schönen Anblick. Seine Schädeldecke war nicht nur gespalten, sondern wie ein makabres Puzzle von unzähligen Sprüngen überzogen.

In der griechischen Tempelanlage von Selinunte beugte sich Elena Martell über die leblose Gestalt. Auch wenn sie noch nie zuvor einen dermaßen schlimm zugerichteten Menschen gesehen hatte, war ihr rasch klar, dass hier jede Hilfe zu spät kam. Während sie überlegte, ob sie ihre Jacke über das Gesicht des Toten breiten sollte, bemerkte sie, dass unmittelbar neben dem Leichnam ein verwittertes Säulenstück lag. Offenbar war es aus einigen Metern Höhe herabgestürzt und hatte dem Ahnungslosen den Kopf zertrümmert.

Ihre Uhr zeigte 19. 40. Aber wann hatte sie Sigismund Eck zum letzten Mal lebend gesehen? Sie erinnerte sich daran, dass er den ersten Tempel des Besichtigungsprogramms gemeinsam mit seiner Frau verlassen hatte. Nun galt es, keine Fehler zu begehen. Den Toten konnte und wollte sie nicht allein lassen. Also musste sie Hilfe herbeitelefonieren. Mario! Die Nummer des Bus-Chauffeurs war in ihrem Mobiltelefon gespeichert. Wenn er sich beeilte, würde er keine fünf Minuten bis zur Eingangshalle brauchen, wo der diensthabende Aufseher vermutlich schon sehnsüchtig auf die späten Besucher wartete.

Sie drückte die Kurzwahltaste, doch es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sich ihr Fahrer meldete.

„Mario, ich brauche dich dringend!“

„Immer mit der Ruhe, Elena. Ich komme eben aus der Dusche. Ich habe doch jetzt frei, oder irre ich mich?“

„Ja. Nein. Oder doch, ja, aber du musst sofort kommen. Hierher, zur Eingangshalle am Osthügel. Zieh dir was an und komm her.“

„Was um alles in der Welt ist denn passiert?“

„Der Eck liegt tot zu meinen Füßen. Das ist passiert. Bisher weiß das noch keiner. Auch die Ehefrau nicht. Aber die wird jeden Moment ihren toten Mann vorfinden. Verständige den Aufseher. Der soll die Polizei rufen und anschließend sofort zum Tempel kommen. Meine Gruppe soll auf mich warten. Ich erkläre ihnen dann alles.“

„In Ordnung, ich bin bei dir, so schnell ich kann.“

Vor Erleichterung bekam Elena mit einem Mal weiche Knie. Bald würde sie in dieser schrecklichen Situation nicht mehr allein sein. Allein mit einem Toten. Noch aber war der Alptraum nicht vorbei.

„Sigi, wo steckst du? Es wird Zeit, dass du dich losreißt. Wir müssen zurück!“ Fröhlich tauchte Marianne Eck aus dem nahen Olivenhain auf, wo sie einen Strauß wilder Margeriten gepflückt hatte. Sie hielt Elena, die ihr ein paar Schritte entgegengegangen war, die Blumen hin. „Hübsch, nicht wahr? Ich werde sie in unser Zimmer stellen, auch wenn Sigismund das kindisch findet.“

Erst jetzt bemerkte sie Elenas kalkweißes Gesicht. „Was ist mit Ihnen? Ist Ihnen nicht gut? Setzen Sie sich doch, Sie sehen aus, als würden Sie jeden Moment umkippen.“ Besorgt griff sie nach dem Arm ihrer Reise­leiterin.

„Es geht schon, Frau Eck“, antwortete Elena, bevor sie tief Luft holte. „Ich muss Ihnen leider etwas Schreckliches mitteilen. Ihr Mann ist verunglückt.“

„Was soll das heißen? Was ist passiert?“

„Offenbar hat ihn ein herabfallender Mauerteil direkt am Kopf getroffen. Er muss sofort tot gewesen sein.“

„Sie irren sich! Vor kurzem sind wir noch gemeinsam zwischen den Trümmern herumgelaufen. Wo ist er? Ich will sofort zu ihm.“

„Bitte warten Sie noch einen Moment. Sie müssen sich erst ein wenig beruhigen. Der Anblick ist nicht gerade schön.“

„Ich möchte ihn sehen. Sofort. Gehen Sie aus dem Weg!“

Resignierend trat Elena zur Seite und gab damit den Blick auf die Leiche frei. Unwillkürlich vermied sie es, den Toten nochmals anzuschauen, und beobachtete fasziniert, was sich in Frau Ecks sonst eher farblosen Gesichtszügen abspielte. Erstaunlicherweise wich das erste Entsetzen aber rasch einer fast gleichgültigen Miene. Ganz so, als ginge sie die Sache nichts an. So viel Beherrschung hatte Elena ihr nicht zugetraut. Eigentlich hatte sie eine heftige Reaktion erwartet, doch Frau Eck stand minutenlang reglos und schweigend wie eine militärische Totenwache vor der Leiche ihres Mannes.

„Was geschieht jetzt?“ Völlig ruhig stellte Marianne Eck die naheliegende Frage. Bevor Elena antworten konnte, erschien ein atemloser Mario mit zwei Dorfpolizisten im Schlepptau.

„Wir haben die Polizia Statale in Trapani verständigt. Die ist für solche Fälle zuständig. Bis der Commissario eintrifft, übernehmen diese beiden hier die Aufsicht. Es kann allerdings einige Zeit dauern. Heute ist Sonntag. Jetzt sollten wir uns aber um unsere Gäste kümmern. Die haben schon gemerkt, dass etwas nicht stimmt, als ich mit den Uniformierten an ihnen vorbeigelaufen bin.“

Als er jedoch Marianne Eck behutsam am Arm nehmen wollte, verweigerte diese zu seiner Überraschung jeglichen Beistand. „Ich kann allein gehen, danke vielmals!“ Ohne noch einmal auf ihren toten Mann zurückzublicken, verließ die frischgebackene Witwe mit ausgreifenden Schritten den Schauplatz der Tragödie. Elena und Mario sahen einander verblüfft an. Es blieb gar nichts anderes übrig, als ihr zu folgen.

Als die drei aus dem Schatten der Tempelruine traten, bot sich ihnen ein seltsames Bild. Wie eine aufgeregte Hühnerschar liefen die Mitglieder der Reisegruppe auf dem freien Feld zwischen Pforte und Tempelanlage durcheinander. Während die einen dem Ausgang zustrebten, wollten die anderen Richtung Trümmerfeld. Doch als sie ihre Reiseleiterin erblickten, blieben alle schlagartig stehen.

Wie ein Standbild aus einem Film, den man angehalten hat, dachte Elena. Ganz vorne erkannte sie Adele Bernhardt und Ludwig Jakubowski, gleich daneben das junge Pärchen und ein Stück dahinter die Ehepaare Brehm und Strasser. Christine Baumgart hatte offenbar so wie Marianne Eck einen Blumenstrauß gepflückt. Nur Wilhelm Schwabl und Martina Reich fehlten.

Als sich die Personen aus ihrer Erstarrung gelöst hatten und der Film weiterlief, konnte Elena die schlanke Gestalt Schwabls zwischen den Säulen des ersten Tempels ausmachen. Zuletzt erschien auch Frau Reich auf der Bildfläche. Wie stets ein wenig atemlos und mit aufgelöster Frisur stand sie nun unter all den anderen. Elena hätte beim besten Willen nicht sagen können, aus welcher Richtung sie herbeigeeilt war, doch es erschien ihr auch nicht weiter wichtig.

Sie winkte ihre Gruppe mit weit ausholenden Armbewegungen zu sich. Während die kleine Schar zögernd auf sie zukam, flüsterte sie Mario zu: „Du bringst Frau Eck erst einmal ins Hotel. Lass sie bloß nicht allein. Wenn sie in ihr Zimmer will, dann schick ihr irgendein Mädchen mit einem Tee hinauf. Oder mit einem Schnaps. Dir wird schon was einfallen. Also los jetzt, lauf ihr nach und kümmere dich um sie.“

„Was wird das?“, erkundigte sich Felix Strasser, der als Erster bei Elena eingetroffen war. „Ist Frau Eck schlecht geworden?“

„Ich erkläre es sofort. Wenn alle da sind“, gab Elena kurz zurück, während sie zu zählen begann. „Neun, zehn, elf. Ja, es sind alle da.“

„Alle bis auf unseren allseits geschätzten Oberstudienrat“, wurde sie von Christine Baumgart korrigiert.

„Um ihn geht es ja. Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Herr Doktor Eck tödlich verunglückt ist. Wir können nichts mehr für ihn tun, also gehen Sie bitte zum Hotel zurück. Alles Weitere erfahren Sie, sobald ich mehr weiß.“

„Wo ist das passiert?“, unterbrach Aldo Brehm. „Vielleicht kann man ihm doch noch helfen. Ich bin zwar Zahnarzt und kein Notarzt, aber natürlich Mediziner. Ich will zu dem Verunglückten. Sofort!“

„Glauben Sie mir, Herr Doktor Brehm, für den armen Oberstudienrat kommt jede Hilfe zu spät. Das habe sogar ich als Laie gesehen. Aber bitte, wenn Sie darauf bestehen, dann gehen Sie zu ihm. Von hier aus gesehen liegt er hinter dem letzten Trümmerfeld ganz links. Die beiden Polizisten, die dort Aufsicht haben, sprechen aber sicher nicht Deutsch und werden Sie nicht so ohne weiteres zu dem Toten lassen. Können Sie sich als Arzt ausweisen?“

„Ja, das kann ich. Außerdem wird mein Küchen­italienisch für eine Erklärung gerade noch ausreichen!“ Aldo Brehm eilte unverzüglich in die angegebene Richtung.

„Finden Sie den Rückweg allein?“, rief Elena ihm nach. „Dann sehen wir einander später. Ich habe noch kurz mit dem Aufseher etwas zu besprechen“, wandte sie sich wieder ihrer Gruppe zu.

Sie musste den armen Kerl beruhigen, denn der zitterte vermutlich um seinen Job. Er hätte die Touristen längst aus dem Areal weisen müssen. Vielleicht wäre das alles dann nicht passiert. Aber es war nicht seine, sondern Elenas Schuld.

„Kannst du mir sagen, was geschehen ist? Es gibt einen Toten, so viel habe ich mitbekommen. Und dass ich in größten Schwierigkeiten stecke, weil ich euch so spät noch hereingelassen habe!“ Verzweifelt verbarg der Mann sein Gesicht zwischen den Händen.

„Du heißt Nino, wenn ich mich nicht irre.“ Als kein Widerspruch kam, fuhr Elena fort. „Also, Nino, lass uns die Sache besprechen, bevor der Commissario eintrifft. Ich kann natürlich nicht lügen, aber die volle Wahrheit muss ich auch nicht sagen. Niemand wird von unserem Arrangement erfahren, wenn du und deine Kollegen dichthalten. Dann kann ich nämlich behaupten, ich hätte dich heute beschwatzt, uns ausnahmsweise noch in die Zone zu lassen. Für eine knappe halbe Stunde. Dass wir deine Gutmütigkeit ausgenützt und die Zeit schamlos überschritten haben, dafür kannst du nichts.“

Mit einem hoffnungsvollen Lächeln blickte Nino auf. „Das könnte klappen. Wichtig ist, dass ihr noch vor 19 Uhr gekommen seid, also mehr als eine Stunde vor Sonnenuntergang.“

„Stimmt. Auch wenn es nur wenige Minuten vor sieben waren. Aber die Aussage, dass wir vor 19 Uhr da waren, ist keine Lüge. Denn du darfst nicht vergessen, die Polizei wird jeden Einzelnen aus meiner Gruppe nach den Details fragen. Also müssen wir bei der Wahrheit bleiben. Wir können sie nur ein wenig zurechtschminken.“

„Va bene! Du hast mir felsenfest versprochen, um Viertel nach sieben wieder weg zu sein. Eine Viertelstunde kann ich überziehen. Da findet niemand etwas dabei.“

Elena nickte wissend. Sie hatte lange gebraucht, um sich an die italienische Variante von Pünktlichkeit zu gewöhnen.

„Also abgemacht! Ich habe von vornherein vorgehabt, mein Versprechen dir gegenüber zu brechen. Das ist wichtig, denn die Gruppe wird aussagen, dass ich sie erst für 20 Uhr zum Ausgang bestellt habe. Nach Sonnenuntergang also, denn genau den sollten sie hier erleben.“

„Ich erlebe dafür heute vermutlich den Sonnenaufgang. Denn wie mir Mario gesagt hat, muss ich die Stellung halten, bis der Commissario aus Trapani eintrifft. Und das kann bei Sonntagsverkehr Stunden dauern.“

„Das ist bedauerlich, Nino, aber nicht zu ändern. Glaub mir, auch für mich ist heute noch lang nicht Feierabend.“

„Aber wenigstens kommst du dazu, etwas zu essen. Ich werde hier verhungern. Dabei gibt es zu Hause Lammkoteletts.“

„Ich werde dir vom Hotel ein Panino heraufbringen lassen.“ Elena rang sich ein Lächeln ab und verabschiedete sich.

Wie komme ich eigentlich dazu, immer alle anderen zu trösten? Mich tröstet auch keiner!, dachte Elena. Was sie jetzt dringend gebraucht hätte, war eine starke Schulter, an die sie sich lehnen konnte. Doch die hatte sie nie gehabt. Bei aller Genialität war ihr verstorbener Ehemann mit den Problemen des Alltags nur schwer fertiggeworden. „Elena macht das schon“ – wie oft hatte sich Paul mit diesem Satz aus der Verantwortung gestohlen. Ein erschlagener Oberstudienrat zwischen antiken Ruinen! Das wäre eindeutig zu viel für seine sensible Künstlerseele gewesen.

Bevor Elena weiter darüber nachdenken konnte, wie sich Paul wohl in diesem Fall verhalten hätte, war sie bereits beim Hotel angelangt. Es lag tatsächlich wenig mehr als einen Steinwurf vom Archäologischen Park in Selinunte entfernt.

Einen Steinwurf! Schlagartig wurde ihr die makabre Bedeutung ihres Gedankens bewusst. Aber es hatte doch niemand einen Stein nach Sigismund Eck geworfen. Oder doch? War dieses kleine Säulenfragment, das sie neben der Leiche gesehen hatte, gar nicht von selbst heruntergestürzt? Irgendetwas stimmte nicht, aber was?

Im Moment würde sie auf diese Frage jedoch mit Sicherheit keine Antwort finden, weshalb es unsinnig war, darüber nachzugrübeln. Das musste warten. Elena stieß die Hoteltüre auf. Sie hatte jetzt wahrlich Dringenderes zu tun, als wilden Spekulationen nachzuhängen.

2. Kapitel

Von Catania aus war sie mit der 13-köpfigen Reisegruppe losgefahren. Schon am ersten Abend hatte Elena mit ihren üblichen Vorbereitungen begonnen und aus den Angaben über Geburtsort, Geburtsjahr, Nationalität und den Passnummern die Liste erstellt, mit der in Sizilien Reiseleiter eine Gruppe einchecken können, um Zeit und Chaos zu sparen. So haftet der Guide für die Richtigkeit der Angaben, darf aber seinen eigenen Pass nicht vergessen. Was ihr allerdings auch schon einmal passiert war.

Nach der Zimmerverteilung hatte sie wie immer den Saalchef aufgesucht – ein diskret überreichtes Kuvert mit vorbereitetem Trinkgeld garantierte bessere Sitzplätze, einen prompteren Service und einen Hauch von Flexibilität bei etwaigen Sonderwünschen.

Tatsächlich zählte die sizilianische Hotellerie zu den schlechtesten Europas. Sternebewusst war man nur bei den Preisen, nicht aber bei den Leistungen. Elena würde nie begreifen, warum Selbstverständlichkeiten wie ein funktionierender Kofferservice selbst in Nobelherbergen nicht möglich waren oder weshalb das Essen für Pauschaltouristen durch die Bank so ungenießbar sein musste. Sie selbst – und natürlich auch der Chauffeur – speisten meist hervorragend, wobei es hier nicht nur auf ihr eigenes Renommee, sondern auch auf das ihres Fahrers ankam. Je höher dieser in der für sie undurchschaubaren Hierarchie der Busfahrer rangierte, desto willfähriger zeigte sich das Personal, seine kulinarischen Wünsche zu erfüllen.

Erstaunlicherweise beschwerte sich nur selten jemand über das miese Essen, das man für verhältnismäßig viel Geld vorgesetzt bekam. Nicht einmal damals in Palermo, als Elena ihr klebriges, wässriges, nach Pappe schmeckendes Risotto, das man den Touristen zumutete, entrüstet zurückgeschickt und im Austausch dafür in Windeseile eine durchaus akzeptable Pasta con le Sarde auf dem Tisch hatte. Ob es wohl daran lag, dass kein Österreicher dabei gewesen war? Ihren Landsleuten war die kulinarische Seite des Urlaubs nämlich durchaus wichtig. Doch selbst sie verziehen so manche gastronomische Sünde, wenn nur die Qualität des Weines nichts zu wünschen übrig ließ.

Dieses Mal aber waren sogar vier Österreicher mit von der Partie, hatte sie beim zweiten Blick auf ihre Gästeliste festgestellt. Die dreiköpfige Familie Strasser kam aus Salzburg. Und Adele Bernhardt, wohnhaft in München, war in Purkersdorf bei Wien geboren. Die übrigen neun waren deutsche Staatsbürger.

Zwei Stunden und ein köstliches Abendessen später sah die Welt von Catania für Elena eine Spur erfreulicher aus. Genüsslich löffelte sie den letzten Rest Pistazieneis aus ihrem Becher, den sie sich in ihrer Lieblingsbar auf dem Nobelboulevard Via Etnea allen Diätvorsätzen zum Trotz gegönnt hatte. Gewichtsprobleme waren für sie wahrlich nichts Neues, doch als Neo-Nichtraucherin erschien ihr der lebenslange Kampf gegen überflüssige Kilos allmählich zu mühsam. Dank einer schier übermenschlichen Disziplin, wie Elena ihre periodisch auftretenden kulinarischen Verzichtserklärungen selbstironisch nannte, konnte sie nach mittlerweile dreizehn Monaten Nikotinabstinenz und einer kurzfristigen Gewichtsexplosion wieder Kleidergröße 38 tragen.

Eine Schönheit im klassischen Sinn war Elena nie gewesen, vor allem als junges Mädchen nicht, das so gut wie alles an sich selbst als abscheulich empfand: die Figur zu plump, die Oberarme zu dick, der Busen zu klein, die Nase zu breit und die Augen zu schmal. Lediglich mit ihren wohlgeformten Beinen und den kleinen Füßen war sie zufrieden. „Alles andere lässt sich kaschieren, nur hässliche Waden, spitze Knie und unförmige Knöchel nicht“, hatte ihre Mutter sie getröstet, wenn sie ihrem Spiegelbild wieder einmal frustriert die Zunge gezeigt hatte.

Die wichtigste Erkenntnis aber verdankte Elena ihrer Lieblingstante, die nach einem kurzen Blick auf ihre pubertierende Nichte lakonisch erklärt hatte: „Wer sich hässlich fühlt, wird auch von anderen so gesehen. Merk dir das. Auf die Ausstrahlung kommt es an bei einer Frau, das ist das ganze Geheimnis.“

Elena lernte ihre Lektion rasch. Als sie Paul traf, war sie längst daran gewöhnt, selbstbewusst aufzutreten. Auch an ihrem Äußeren hatte sie weit weniger auszusetzen als früher, doch wirklich zufrieden mit sich selbst wurde sie erst nach ihrer Übersiedlung nach Rom.

„Du musst einen Kartoffelsack wie ein Modellkleid tragen können!“ Diesmal kam der Rat nicht von einer alten Tante, sondern von einer jungen römischen Bildhauerin. „Achte auf deine Bewegungen und auf deinen Gang. Dann such dir die Farben, die zu dir passen, und bleib dabei.“ Es war wirklich nicht allzu schwer gewesen. Seither jedenfalls galt Elena in ihrem Wiener Freundeskreis als Inbegriff von italienischem Schick.

Immer öfter fragte sie sich allerdings, für wen sie sich eigentlich kasteite. Seit ihr Mann nur wenige Wochen vor seinem 45. Geburtstag einem Gehirntumor erlegen war, betrachtete Elena das Kapitel Männer als endgültig abgeschlossen. Zu wild war der Schmerz über den Verlust gewesen. Auch fünf Jahre danach wurde ihr die Kehle noch immer eng, wenn sie an Paul dachte.

Gemeinsam mit ihm sollte sie jetzt hier in Catania sitzen und dem Strom der müßig vorbeischlendernden Passanten zusehen. Wie gut erinnerte sie sich an ihre erste Sizilienreise vor bald zwei Jahrzehnten, als die Angst vor der Mafia die Insel noch fest im Würgegriff gehabt und am Abend in den großen Städten Bunkerstimmung geherrscht hatte.

Angesichts des bunten Treibens vor den bis auf den letzten Platz besetzten Kaffeehaus-Tischen erschien es Elena heute unvorstellbar, dass noch Mitte der achtziger Jahre im Zentrum von Catania kein einziges Straßencafé zu finden gewesen war. Doch damals hatte die Angst regiert.

Elena hatte es noch klar vor Augen: Mit Einbruch der Dunkelheit verschanzten sich die Einheimischen in ihren vier Wänden. Und Touristen interessierten sich erst recht nicht für die heruntergekommene Stadt, in der zwar keine einzige Blume, dafür aber die Kriminalität üppige Blüten trieb! Hinaufklappbare Bürgersteige wie in Ostberlin oder Prag, Ostblockatmosphäre pur, lediglich in den klassischen Ferienorten wie Taormina oder Cefalù regte sich Leben.

Niemand hatte so recht daran geglaubt, dass sich die einst so prächtige Barockstadt zu Füßen des höchsten Vulkans Europas jemals erholen würde. Für immer schien sie ein Teil jener Dritten Welt geworden zu sein, die von Sizilien aus zum Greifen nahe lag, trennen doch im Westen der Insel kaum 120 Kilometer den Alten Kontinent von Afrika, wenig mehr als ein Katzensprung übers Meer.

Damals, als am Abend in den großen Städten Bunkerstimmung herrschte und sich lediglich in den klassischen Ferienorten wie Taormina oder Cefalù Leben regte.

3. Kapitel

Catania! Wenn Elena gewusst hätte, was ihr blühte, wäre sie lieber in der Ätna-Stadt geblieben, als zum Westzipfel Siziliens zu fahren. Doch so tragisch das Schicksal des Oberstudienrats auch sein mochte, sie musste schmunzeln, wenn sie an die Szenen dachte, die noch keine vier Tage hinter ihr lagen.

Dem Attenzione folgte sogleich ein Schwall Wasser und diesem wiederum der erboste Aufschrei eines distinguierten Herrn, der bis zu den Knöcheln nass geworden war. Heikel durfte man auf dem Fischmarkt von Catania nicht sein – in keinerlei Hinsicht. Wen freilich die mitunter recht intensiven Gerüche von Hafen und Meer nicht störten, die zwischen den hellblauen Waschschüsseln und Eimern voll Seegetier oder den zu schwarzen Pyramiden aufgeschichteten Miesmuscheln aufstiegen, erlebte hier tagtäglich, nur wenige Schritte vom Domplatz entfernt, ein Fest der Sinne.

Weit ausladende Stoffbahnen überspannten die dicht aneinandergeschmiegten Verkaufsstände, an denen man selbst bei strahlendem Sonnenschein nicht ohne elektrisches Licht auszukommen vermeinte. Grelle Glühbirnen unter metallenen Schirmen ließen Fischschuppen aufblitzen und die dunklen Leiber der mächtigen Schwert- und Thunfische mit ihren rosafarbenen Schnittflächen appetitlich aufleuchten. Silbrig glitzerten die auf gehackten Eisblöcken ausgebreiteten fangfrischen Meerestiere, während sich gleich daneben das farbenfrohe Spektrum all der Früchte präsentierte, die der Süden zu bieten hat.

Ein Marktbesuch gehörte zu Elenas persönlichem Standardrepertoire. Nur wenn sich die Touristen beharrlich weigerten, Schmuck, Hand- und Kamera­taschen im sicheren Bus zurückzulassen, dann strich sie dieses Extra. Ohne entsprechende Vorsichtsmaßnahmen war das Risiko für sorglose Ausländer einfach zu groß, von den Scippatori beraubt zu werden – flinken Dieben auf Mofas, die nicht nur auf Sizilien, sondern in sämtlichen Großstädten Italiens ihr Unwesen trieben. Zwar waren sie nicht aggressiv und wollten keinem an Leib oder Leben. Doch wenn sich einer allzu hartnäckig an seinen Taschenriemen klammerte und deshalb zu Fall kam, hatte er eben Pech.

Verletzte gab es in jeder Saison, wobei die meisten mit Schürfwunden, dem Schock und dem Verlust ihrer Habseligkeiten davonkamen. Interessanterweise erholten sich vor allem Frauen relativ rasch, was sich nicht zuletzt in den Polizeiprotokollen niederschlug. Diese dienten zwar bloß der Bürokratie, denn nie wurde man der Straßenräuber habhaft, aber ohne entsprechende Meldungsbestätigung leisteten die Versicherungen keinen Schadensersatz. Interessant dabei war, dass Frauen den Gegenwert für sündteure Kugelschreiber oder Füllfederhalter, wie sie sich angeblich in jeder Handtasche befinden, zurückerstattet bekamen, während die ihrer Kamerataschen beraubten Männer meist den tatsächlichen Wert angaben. Waren Männer also ehrlicher oder einfach nur feiger? Und galt Versicherungsbetrug nicht länger als Kavaliers-, sondern vielmehr als Damendelikt?

Unerfreuliche Erfahrungen wie ein Scippo waren so ungefähr das Letzte, was ein Reiseleiter brauchen konnte, weshalb viele ihrer Kollegen Touristen wie Schafherden durch die Straßen trieben.

„Mir passiert schon nichts, und ohne meine Handtasche fühle ich mich nackt!“ Immer gab es zumindest eine, die gegen die vermeintliche Bevormundung aufbegehrte, dachte Elena, während sie der zweifellos attraktivsten Frau ihrer Gruppe klarzumachen versuchte, dass sie sich an die Spielregeln zu halten hatte: Susanne Strasser, selbstbewusste Eigentümerin einer Modeboutique in der Salzburger Innenstadt, schien stets ihren Kopf durchsetzen zu wollen. Was ihrem Mann sichtlich peinlich war.

Auch diesmal hatte sich die typische Studienreisen-Klientel für das Programm der kleinen, aber feinen Agentur interessiert, für die Elena arbeitete: gutbürgerlicher Mittelstand, Ehepaare im Alter zwischen 45 und 65. Dazu Adele Bernhardt, die alte Dame aus Österreich, die als Einzige auf den klebrigen Cocktail verzichtet und stattdessen ein Glas Wein bestellt hatte, sowie ein rüstiger älterer Herr namens Ludwig Jakubowski, vor 73 Jahren in Breslau geboren und wohnhaft in Krefeld. Die jüngsten Teilnehmer waren Claudia Strasser, Tochter des Salzburger Ehepaars, und Thomas Baumgart, Student aus dem bayerischen Kleinstädtchen Miesbach, der in München im dritten Semester Pharmazie studierte. Natürlich sollte er einmal die Apotheke seiner Mutter übernehmen, das hatte Magistra Christine Baumgart gleich zu Anfang kundgetan.

Allein reisende Frauen um die vierzig wie Martina Reich aus Köln waren die typischen Singles, mit denen Elena es normalerweise zu tun hatte.

Überhaupt nicht einordnen konnte sie hingegen den Passauer Wilhelm Schwabl. Was um alles in der Welt brachte einen gut aussehenden Mann dazu, gemeinsam mit langweiligen Bildungsbürgern eine Pauschaltour durch Sizilien zu buchen? 35 Jahre war er jung und von Beruf „Salesmanager“. Ein dehnbarer Begriff, der alles und nichts bedeuten konnte.

Seltsam war auch die Geschichte mit der Flugangst. Ursprünglich hatte sie sich nichts dabei gedacht, dass sie einen ihrer Gäste nicht auf dem Airport Catania, sondern bereits im Hotel antreffen würde. Solche Arrangements gab es immer wieder, zumeist dann, wenn jemand an eine Dienstreise einen Urlaub oder an Badeferien eine Rundreise anhängen wollte. Noch nie aber war ihr Angst vorm Fliegen als Grund für eine individuelle Ankunft untergekommen.

Nach der Kennenlern-Party am ersten Abend hatte sich Elena zurückgezogen. Tags darauf war sie mit der zusammengewürfelten Gruppe auf den Markt gegangen. Im Gedränge verlor man sich rasch aus den Augen, was kein Problem darstellte, denn alle fanden sich pünktlich um zehn Uhr beim Elefanten-Brunnen auf dem Domplatz ein. Ein idealer Treffpunkt, steht doch Catanias skurriles Wahrzeichen unübersehbar in der Mitte der zur Fußgängerzone erklärten Piazza.

Ein barockes Fassadenensemble, wie es verspielter nicht sein könnte, bildet den passenden Rahmen für den Dickhäuter aus pechschwarzer Lava, der nicht nur sein hohes Alter von mehr als 2000 Jahren auf dem Rücken trägt. Als sich Catania nach einem verheerenden Erdbeben und einem nicht minder katastrophalen Ätnaausbruch zu Beginn des 18. Jahrhunderts wie Phönix aus der Asche erhoben hatte, war der Elefant aus der Römerzeit ebenso aus dem Schutt geborgen worden wie ein ägyptischer Obelisk. Ideale Zutaten für einen Barockbrunnen vom Feinsten.

Elena liebte den Gruß aus dem nahen Afrika, und sie konnte es sich nie verkneifen, ihre Gäste auf das erst später angebrachte Kreuz auf der Spitze des Denkmals hinzuweisen. Nur auf diese Weise, so die Sage, hatte man verhindern können, dass ein Zauberer namens Elidor immer wieder nächtliche Kurzausflüge nach Byzanz unternahm. Denn in Ermangelung eines fliegenden Teppichs sei der Magier rittlings auf dem Obelisken durch die Lüfte gesaust. Irgendwann beendete die Kirche das heidnische Treiben, obwohl der Mann aus dem Morgenland stets pünktlich zur Stelle gewesen war, bevor die Stadt erwachte.

Sogar Sigismund Eck hatte sich bei dieser wundersamen Geschichte ein Lächeln nicht verkneifen können.

4. Kapitel

Es war nahezu Mittag, doch im Palazzo Villadicani herrschte hinter den geschlossenen Holzläden diffuses Dämmerlicht. Schon seit jeher betrachtete Conte Gabriele den Sonnengott als seinen höchstpersönlichen Feind. Nicht zufällig trug Il Sole auch in nahezu allen kultivierten Sprachen einen männlichen Artikel, nur im Deutschen sah man einen Mann im Mond und in der Sonne zwangsläufig eine Frau.

Welch unsinnige Vorstellung, dachte er, während ihm angesichts der vergilbten Seidentapeten Shakespeare in den Sinn kam. „Swear not by the moon, the inconstant moon, who monthly changes in her cercled orb“, ermahnt Julia ihren Romeo. „Nicht beim Mond, dem wandelbaren“, sollte er ihr seine Liebe schwören, damit nicht „wandelbar sein Sinnen sei“. Eindeutig hieß es im Originaltext „her orb“, „ihr Erdkreis“, also sahen auch die Engländer im wankelmütigen, stets in Veränderung begriffenen Nachtgestirn das ewig Weibliche, während der glühende Fixstern kraftvolle, Leben spendende Männlichkeit, gleichzeitig aber auch eine versengende, tödliche Gefahr verkörperte.

Selbstverständlich war der sonst keineswegs sprachbegabte Conte mit den Werken Shakespeares, aber auch mit Byron, Keats oder Shelley vertraut. Eine genaue Kenntnis der englischen Klassiker gehörte bei der sizilianischen Aristokratie ganz einfach zur Allgemeinbildung. Man verstand einander gleichsam von Insulaner zu Insulaner, wobei der sizilianische Adel natürlich entsprechend der Größen- und Machtverhältnisse den Lebensstil des englischen kopierte und nicht etwa umgekehrt.

Spätestens seit der Flucht des Bourbonenherrschers Ferdinand vor Napoleons Truppen von Neapel nach Palermo war im „Königreich beider Sizilien“ alles Französische für lange Zeit überhaupt verpönt gewesen. Erst Jahrzehnte später ebbte dieser Hass allmählich ab, die Liebe zu allem Englischen aber blieb der Oberschicht bis zum heutigen Tag.

Ohne sich jemals den Kopf über derartige Begründungen zerbrochen zu haben, ließ auch Graf Villadicani keine Zweifel an seiner anglophilen Haltung aufkommen, was ihm die tiefgreifende Veränderung seiner Lebensweise, die er derzeit durchmachen musste, einigermaßen erträglich machte. Bis zu seiner Hochzeit war er ein ebenso charmanter wie nichtsnutziger Lebemann gewesen, der von der Substanz, also dem Verkauf des Familiensilbers, gelebt hatte. Ein gut aussehender Sizilianer mit einem Stammbaum, der bis in die Zeiten der normannischen Eroberer zurückreichte, war nicht nur in ganz Italien, sondern auch auf dem internationalen Parkett ein gern gesehener Gast.

Als Junggeselle wohlgemerkt, nicht aber als Ehemann und Vater, der sich seiner Verantwortung für die kostspielige Ausbildung des bereits halbwüchsigen Stammhalters und einer auch schon bald zehnjährigen Tochter, die in gar nicht so ferner Zukunft standesgemäß verheiratet werden musste, schmerzlich bewusst war. Vielleicht wollte die Kleine ebenfalls einmal studieren. Oder, das schlimmste vorstellbare Szenario, sie würde beides erwarten: Studium und anschließend eine aufwändige Hochzeit, der finanzielle Albtraum aller italienischen Väter. Ob Fürst oder Hausmeister, wenn es ums Heiraten ging, kannten selbst die emanzipiertesten Töchter kein Erbarmen.

Geld musste ins Haus – und zwar rasch, was für einen bald fünfzigjährigen Adeligen, der außer Bridge, Golf und Reiten nichts gelernt hatte, keineswegs einfach zu bewerkstelligen war. Was also tun, wenn man weiterhin nichts tun wollte? Englands verarmter Adel hatte es vorexerziert, indem er schon seit langem seine Landsitze und Schlösser dem zahlenden Publikum öffnete. Nicht genug damit, nach dem Motto Rent-a-Lord beschränkte sich das Angebot der britischen Aristokratie längst nicht mehr auf das Durchschleusen der Touristenscharen. Gegen entsprechendes Entgelt konnte man ganze Anwesen stunden- oder gar tageweise mieten und selbst zum exquisiten Gastgeber werden – mit echten Schlossbesitzern als Statisten. Wie sehr es dem Grafen auch gegen den Strich ging, solcherart auf den Strich zu gehen – seit ihm sein Dach buchstäblich über dem Kopf zusammenzufallen drohte, gab es keine Alternative. Die Einnahmen aus den wenigen Immobilien und Ländereien, die seiner Familie nach den Agrarreformen der Nachkriegsjahre noch verblieben waren, warfen gerade den notwendigsten Unterhalt ab. Nach 1945 war dem italienischen Staat bei seinen verzweifelten Bestrebungen, den bitterarmen Süden des Landes einigermaßen über Wasser zu halten, gar nichts anderes übrig geblieben, als eine Bodenreform durchzuführen, die einer Enteignung der einstmals unermesslich reichen Inselherren gleichgekommen war. Mit einem Federstrich hatten damals die sizilianischen Großgrundbesitzer ihre gigantischen Latifundien verloren – und damit nicht nur ihr jahrhundertealtes Erbe, sondern auch die Basis für den Erhalt ihrer eleganten Stadtpalais.

Erstaunlich, wie gut sich Amalia mit der Rolle einer bezahlten Gastgeberin abgefunden hatte! Manchmal beschlich den Grafen das unbehagliche Gefühl, dass es seiner Frau sogar Spaß machte, Touristen bis in ihr Schlafzimmer zu führen, das mit dem weit ausladenden Himmelbett unter verspielten Rokoko-Stuckarbeiten zu den reizvollsten Räumlichkeiten des Palastes zählte. Auch die anschließenden privaten Gemächer, in denen sich Schäbigkeit und Verfall noch einigermaßen in Grenzen hielten, gehörten zu den bevorzugten Aufenthaltsorten Amalias, während Gabriele am meisten den Blick von dem in Blau und Gold gehaltenen Ballsaal in die großzügigen Raumfluchten genoss.

Zwar hatte vor einigen Jahren ein Wassereinbruch etwa ein Fünftel des barocken Deckenfreskos aus dem frühen 18. Jahrhundert unwiederbringlich zerstört, doch irgendwie schienen die auf flauschigen Wolken thronenden Götter des Olymp unberührt von solch irdischen Missgeschicken zu schweben. Ganz so, wie auch der Hausherr selbst gerne über so profanen Dingen wie fälligen Strom- oder Gasrechnungen gestanden wäre.

Wozu einen Palast besitzen, wenn man dann doch nur ein paar Zimmer bewohnte? Auch im sonnenverwöhnten Syrakus ist es von November bis April bisweilen empfindlich kalt und innerhalb der meterdicken Palastmauern entsprechend ungemütlich. Daran konnten auch die offenen Kamine in nahezu allen Salons wenig ändern, selbst wenn man wahre Scheiterhaufen entzündete, blieb es nur wenige Schritte von der Feuerstelle entfernt eisig kalt. Vorne geröstet, hinten erfroren, wieder etwas, das Sizilien mit England gemeinsam hat!

Noch immer fröstelte es Gabriele bei der Erinnerung an den lang zurückliegenden Winter, als sein Vater ihn des Sprachstudiums wegen für drei Monate zu einer weitschichtig entfernt Verwandten nach London verbannt hatte. Bis zum heutigen Tag zehrte der Graf von seinen damals erworbenen Englischkenntnissen, die er als Gastgeber zahlender Touristen mehr denn je benötigte. In seinem lockeren Konversationston konnte er jeden Anflug von Peinlichkeit ob seines bezahlten Auftritts im Keim ersticken. Mit spielerischer Leichtigkeit parlierte auch Amalia je nach Bedarf Englisch oder Französisch, des Deutschen aber war auch sie nicht mächtig, was sie noch immer heftig bedauerte. Doch dass sie jetzt, zwei Jahre vor ihrem 40. Geburtstag, noch eine neue Sprache erlernen würde, daran glaubte sie nicht mehr so recht. Trotz des Angebots ihrer Freundin Elena, die sie vor knapp drei Jahren kennen und schätzen gelernt hatte: Jederzeit würde sie ihr Unterricht erteilen, hier auf Sizilien oder auch in Wien, einer Stadt, die schon lang auf ihrer Wunschliste stand.

Das Flugticket konnte sich Amalia schon leisten und der Aufenthalt wäre ohnedies gratis, aber wohin mit Gabriele? Beide konnten sie nicht in der Wohnung von Elenas Mutter unterkommen, und ein Hotel kam aus finanziellen Gründen nicht in Frage. Abgesehen davon würde sie mit ihrem Mann auch in Wien permanent Italienisch sprechen, was ja nicht der Sinn von Sprachferien war.

Allein aber ließ er sie nicht fort, auch wenn er so tat, als ob. „Fahr doch“, hatte er sie mehrmals aufgefordert, aber sein Gesichtsausdruck besagte eindeutig das Gegenteil. Dabei ahnte Gabriele nicht einmal im Entferntesten, wie schrecklich gern sich Amalia all ihrer Bindungen und Verpflichtungen entledigt hätte. Nicht für immer, dazu liebte sie ihren Mann und ihre Kinder viel zu sehr. Doch für eine kleine Weile noch einmal frei zu sein wie ein junges Mädchen, was konnte es Schöneres geben!

Von diesen Sehnsüchten ahnte Gabriele tatsächlich nichts, er konnte die Österreicherin schlicht und einfach nicht leiden, was er sich bis an die Grenzen der Höflichkeit auch anmerken ließ. Nicht nur bei den Villadicanis herrschte zwischen Ehemann und „bester“ Freundin der Frau ein denkbar schlechtes Verhältnis. Im Gegensatz zu vielen anderen, die diesem Phänomen ratlos gegenüberstanden, begriff Amalia jedoch die Gründe dafür intuitiv.

Wie die meisten Männer fürchtete auch Gabriele jene Frauen, die sich jenseits ihrer Machtsphäre befinden und gleichzeitig mehr an intimen Details aus dem Eheleben kennen als jeder andere. Zwar konnte Gabriele nur vermuten, dass Elena über seine Schwächen und Fehler ganz genau Bescheid wusste, doch der Verdacht allein reichte schon aus, um sich in ihrer Gegenwart unwohl zu fühlen.

Hatte ihr Amalia von seinem jüngsten Wutausbruch erzählt, bei dem der zierliche Porzellanschäfer aus der Manufaktur Capodimonte zu Bruch gegangen war? Wusste sie, dass mit den Scherben der kostbaren neapolitanischen Antiquität ein kleines Vermögen in den Müll gewandert war? Schlimm genug, wenn Elena von seiner jüngsten Unbeherrschtheit erfahren hatte, aber gänzlich unerträglich erschien ihm der Gedanke, dass eine Dritte von der derzeit herrschenden Sendepause in seinem Schlafzimmer erfahren könnte.

Weil der Conte nämlich nichts mehr als den Verlust seiner Haarpracht fürchtete, war ihm jedes, aber auch wirklich jedes Mittel recht. So massierte er sich neuerdings allabendlich eine ebenso teure wie übel riechende Tinktur in die Kopfhaut, auf der unter einer wärmenden Mütze schon bald neue Haarwurzeln sprießen würden. Entdeckt und bestellt hatte er die vielversprechende Drei-Monats-Kur in aller Heimlichkeit im Internet.

Vor zehn Tagen waren die diskret verpackten Flaschen per Post eingetroffen, und seither nahm Gabriele in Kauf, dass sein Eheleben bis auf weiteres auf Eis lag. Angesichts eines Mannes, der sich mit einer quastenverzierten alten Skihaube auf dem ölig-stinkenden Haupt mit verführerischem Lächeln über sie beugte, verging Amalia begreiflicherweise jede Lust auf Sex.

Wer ihm wohl dieses unselige Erbe vermacht hatte, überlegte sie nicht zum ersten Mal, als sie wieder einmal die Porträts abstaubte und die meist recht üppige Lockenpracht von Gabrieles Vorfahren betrachtete. Keine von Amalias Putzfrauen hatte bisher die Geduld aufgebracht, die geschnitzten Schnörkel und Rosetten der schweren Rahmen in der Ahnengalerie gründlich zu säubern, weshalb diese Arbeit an ihr hängen geblieben war.

Bis auf einige wenige, die dem Zeitgeist entsprechend Perücken trugen und sich somit einer Beurteilung entzogen, zählte Haarausfall offensichtlich nicht zu den Problemen der Villadicanis. Sofern die Künstler ihren Auftraggebern nicht geschmeichelt hatten, würde Gabriele nach mehr als einem halben Jahrtausend wohl der erste kahlköpfige Villadicani sein. Es sei denn, er ließ sich recht bald porträtieren, dachte Amalia boshaft. Aber wer an Wundermittel aus dem Internet glaubte, dem geschah es nur recht, wenn ihm die Haare ausfielen.

Solche Sorgen kanntest du jedenfalls nicht, Zia Maddalena! Liebevoll betrachtete Amalia das kleinste Bild der Sammlung. Dass sich das Porträt von Gabrieles Urgroßtante zwischen den düsteren Schinken behaupten konnte, lag nicht allein an der Tatsache, dass die wenigen Frauen in dieser Männerwelt einfach auffallen mussten. Und auch nicht nur daran, dass diese Contessa mit ihren langen schwarzen Locken und den feinen Gesichtszügen eine Erscheinung von zeitloser Schönheit war. Das im Stil der Renaissance gemalte Bild aus dem frühen 19. Jahrhundert hatte etwas an sich, das selbst einen flüchtigen Betrachter unwillkürlich in seinen Bann zog.

Lag es an der Kunstfertigkeit des unbekannten Malers? Oder war es vielmehr die ungewöhnliche Persönlichkeit der Adeligen, die dieses zarte Frauengesicht so stark und lebendig erscheinen ließ? Nur allzu gern hätte Amalia mehr über diese Ahnherrin ihres Mannes gewusst, doch in der Familienchronik fanden sich nur dürre Daten: Contessa Maddalena, einzige Tochter des Conte Orazio Villadicani und seiner Frau Maria Luisa, 1784 geboren, 1826 gestorben.

Weshalb war das bildhübsche Mädchen unverheiratet geblieben? Mit diesem Aussehen und einer phänomenalen Mitgift, denn im 19. Jahrhundert hatten die Villadicanis noch zu den reichsten Familien Siziliens gehört, waren die Bewerber um die Hand der Grafentochter sicherlich Schlange gestanden. Warum hatte Maddalena keinen Mann erhört? Welches Geheimnis mochte sich hinter den dunklen Augen verbergen, die selbstbewusst und wissend in die Welt blickten? Ein rätselhaftes Lächeln umspielte ihren Mund, der nicht gewillt war, irgendetwas preiszugeben.

Wovon hatte sie geträumt, was hatte sie sich erhofft, wen hatte sie geliebt? Fragen über Fragen, die sich Amalia immer wieder stellte. Und die alle wohl für immer unbeantwortet bleiben würden.

5. Kapitel

Seit zwei Jahren arbeitete Elena nun bereits als Fremdenführerin, und ihr gefiel die Klientel, die sich die etwas teureren Arrangements mit ausgewählten Hotels und vielen kleinen Extras leistete. Welch ein Unterschied zu den Billig-Touren! Bei ihren einwöchigen Sizilien-Rundfahrten stand der Besuch der Tempel­ruinen von Selinunte auch diesmal erst am vierten Tag auf dem Programm.

Begonnen hatte die nun so tragisch unterbrochene Rundfahrt nach dem Kurzbesuch in Catania mit einem Zwei-Tages-Aufenthalt in Syrakus. Elena war mit ihrer Gruppe im Palace Hotel Aretusa im ältesten Stadtteil auf der Insel Ortygia abgestiegen. Das anmutige Jugendstil-Palais bot nach einer ebenso gründlichen wie behutsamen Renovierung allen Komfort, ohne etwas von seinem Charme eingebüßt zu haben. Noch vor dem Einchecken hatte Elena ihre Gäste darüber informiert, dass sie sofort mit der Besichtigung der Archäologischen Zone beginnen und nach einer kurzen Ruhepause im Hotel den Palazzo Villadicani aufsuchen würden. Alle sollten zunächst bequeme Schuhe tragen und auch auf eine Kopfbedeckung nicht verzichten, denn es war Mittagszeit und die Sonne brannte unbarmherzig. Für Elena aber war dies der beste Zeitpunkt für eine Besichtigung, weil sich nur wenige Touristen zwischen den Ruinen aufhalten würden.

„Wir haben Hunger“, hatte Aldo Brehm aufbegehrt, wie sich Elena nun erinnerte. „Die Mittagszeit ist längst vorbei. Und Kultur auf nüchternen Magen ist mir noch nie bekommen.“

Elena konnte sich das nur allzu gut vorstellen. Wobei wohl die Betonung auf dem Wörtchen „nüchtern“ lag. Ein oder zwei Drinks tun es vermutlich auch, dachte sie. „Keine Sorge, niemand muss verhungern oder verdursten. Es gibt dort eine kleine Trattoria und eine Bar, wo Sie sich stärken können. Ich empfehle allerdings, dass Sie sich, so wie heute Vormittag in Catania, mit Snacks begnügen, denn eine kulinarische Offenbarung dürfen Sie nicht erwarten. Dafür aber Tische und Bänke im Schatten, wo man sich von der Hitze im Griechischen Theater erholen kann.“

Die Planung erwies sich als perfekt, denn ganz Syrakus hielt um diese Tageszeit Siesta. Statt im obligaten Stau auf dem Corso Gelone zu stecken, konnte Mario seinen Bus nach kaum einer Viertelstunde vor dem Haupteingang der Ausgrabungszone parken. Zwei Stunden später würde er für diese Strecke die dreifache Zeit veranschlagen müssen, doch das war nicht sein Problem. Für die Einteilung trug einzig und allein der Reiseleiter die Verantwortung, ein Fahrer musste glücklicherweise nur fahren. Was freilich nicht hieß, dass Mario nicht mit Elena litt, wenn ihr Zeitplan wieder einmal hoffnungslos durcheinandergeriet. Ein Unfall, eine Straßensperre aus welchem Grund auch immer, kurzum: Ein einziges unvorhersehbares Ereignis genügte, und schon lief die Einteilung aus dem Ruder. Dann konnte es passieren, dass die Gruppe vor geschlossenen Museen und Kirchen stand, murrend und wild entschlossen, auf das konsumentenfreundliche Reiserecht und damit auf Schadensersatz zu pochen.

Diesmal aber verlief alles nach Plan, obwohl der von der Agentur so knapp kalkuliert war, dass es keinerlei Zeitpolster gab. Weniger wäre oft mehr, doch das begriffen die Touristen, die erfahrungsgemäß bei der Buchung dem Programm mit den meisten Besichtigungspunkten den Vorzug gaben, erst während der Reise.

Mit raschen Schritten lotste Elena ihre Schar an den unzähligen Andenkenläden vorbei. „Für Souvenirkäufe haben Sie nach der Besichtigung noch Gelegenheit, ebenso für eine kurze Essenspause. Meine Führung wird etwa neunzig Minuten dauern, Treffpunkt ist in jedem Fall in zwei Stunden, also um 16 Uhr, beim Bus. Das sage ich für all jene, die lieber allein unterwegs sind.“

Elena schilderte kurz, was sie zu zeigen vorhatte. Das Theater der Griechen, das sogenannte Ohr des Dionysos – eine ohrmuschelförmige Höhle in den einstigen Steinbrüchen, um die sich so manche Legende rankte – und das Römische Amphitheater, das für Wasserkämpfe sogar geflutet worden war. Ohne noch einmal zurückzublicken, marschierte Elena los, sodass selbst den Brehms kaum etwas anderes übrig blieb, als ihr zu folgen. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, wie der durstige Zahnarzt sehnsüchtig auf den schattigen Gastgarten blickte. Und auch Wilhelm Schwabl zögerte. „Mir ist nicht gut, ich bleibe in der Bar“, rief er Susanne Strasser zu, die sich offensichtlich nur schwer von dem bunten Angebot der Straßenverkäufer losreißen konnte und deshalb wieder einmal das Schlusslicht bildete. „Geben Sie das bitte an Elena weiter, ich komme nach, wenn es mir besser geht.“

Kaum aber war die kleine Schar aus seinem Blickfeld entschwunden, schien die Leidensmiene wie weggewischt. Genussvoll nippte Schwabl nur wenig später an einem Espresso und blickte sich höchst interessiert in dem Lokal um. Im Speisesaal der Trattoria, in dem man einer Gruppe Japaner ein typisches Touristenmenü zu einem stolzen Preis servierte, gab es keinen einzigen freien Sitzplatz. „Dieses Lokal muss eine wahre Goldgrube sein“, murmelte er. Nachdem er in der Bar die Glasvitrinen mit den überteuerten Pizzastücken, Zwiebelkuchen und Reisbällchen eingehend gemustert hatte, zog er ein Notizbuch aus seiner Kameratasche. „Fotografieren muss ich auch noch, bevor die anderen eintrudeln“, mahnte er sich selbst zur Eile, während er eifrig eine Skizze des Lokals anfertigte. „Ideal, denn jeder Syrakusbesucher kommt hier vorbei.“ Gedankenversunken ließ er den Blick über die dicht aneinandergereihten Stände bis zur anderen Straßenseite schweifen.