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Stift

STAMS

Ein Tiroler Juwel
mit wechselvoller
Geschichte

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Buchkonzept, Bildredaktion sowie Bildbeschriftung von Michael Forcher, der auch alle nicht namentlich oder mit Initialen gekennzeichneten Texte geschrieben hat.

© 2016
HAYMON Verlag
Innsbruck-Wien
www.haymonverlag.at

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

ISBN 978-3-7099-3759-4

Umschlag- und Buchgestaltung, Satz: Hana Hubálková
Umschlagfoto: Christian Forcher
Autorenfoto: www.fotowerk-aichner.at

 

Dieses Sachbuch erhalten Sie auch in gedruckter Form mit hochwertiger Ausstattung in Ihrer Buchhandlung oder direkt unter www.haymonverlag.at.

Zum Geleit!

Zu den stärksten Eindrücken in der Tiroler Kulturlandschaft zählt der Besuch der Stiftskirche in Stams, die schon in der Vorhalle mit dem wunderschönen barocken Rosengitter von 1716 beeindruckt. 100 Jahre später, 1816, erfolgte die Neugründung von Stift Stams, das in der Zeit bayerischer Herrschaft aufgehoben worden war. Wiederum zwei Jahrhunderte später verlassen 2016 nach einer 20 Jahre dauernden, vom Land Tirol geförderten Generalsanierung der weitläufigen Anlage die Handwerker das Kloster.

Diese drei Anlässe hat der Tiroler Historiker Dr. Michael Forcher gemeinsam mit namhaften Autorinnen und Autoren in diesem bemerkenswerten Buch zusammengeführt: Es bietet einen umfassenden Blick auf die Entwicklung des Stiftes Stams von der Gründung 1273 – damals als Hauskloster und Begräbnisstätte der Tiroler Landesfürsten – bis heute ins 21. Jahrhundert. Neben der Historie des Zisterzienserstiftes mitsamt vielen kleinen, schlaglichtartigen Geschichten wird auch das frühere und jetzige Klosterleben mit dem Abt an der Spitze dargestellt. Stift Stams wird zugleich als eindrucksvolles Zentrum der Künste und der Wissenschaft sowie als Ort der Bildung dokumentiert.

Nicht nur für mich als Landeshauptmann ist Stift Stams ein besonderer Ort der Identifikation und eines der wichtigen Zentren der Geschichte sowie Kultur unseres Landes: Im Stiftsgymnasium Meinhardinum, in der international renommierten Internatsschule für den Schisport, in der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Edith Stein und in den anderen Schulen von Stams wird Jahr für Jahr ein wichtiger Teil des Fundaments der Zukunft unseres Landes gelegt.

Das hier mögliche Zusammenführen der Vergangenheit mit Gegenwart und Zukunft sowie der Kunst und Spiritualität mit Wissenschaft und Bildung macht den besonderen Genius loci von Stams aus. Das vorliegende Buch vermittelt diesen Geist des Ortes einer hoffentlich zahlreichen Leserschaft.

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Günther Platter

Landeshauptmann von Tirol

Vorwort

von Michael Forcher

Ein richtiger Auftrag war es nicht, ein Buch über das Oberinntaler Stift Stams herauszubringen. Aber eine mit viel Nachdruck und Überzeugungskraft vermittelte Anregung des Dr. Benno Erhard von der Tiroler Kulturabteilung. Und ein ausdrücklicher Wunsch des Landeshauptmannes Günther Platter, der mich gelegentlich eines Empfangs fragte, was ich gerade schreibe, denn dass ich nicht schon wieder an einem Buch arbeite, könne er sich nicht vorstellen. Und als ich ihm von meinem im Kopf bereits ausgearbeiteten Konzept für ein Stamsbuch berichtete, das sich nicht an wenige Historiker und Kunstgeschichtler wenden sollte, sondern auf eine breite Leserschaft abziele, war er davon mehr als angetan. »Ja, so ein Buch braucht es, dieses Juwel im Oberland kennen viel zu wenige Tirolerinnen und Tiroler.«

Also blieb ich dran und lud einige besonders gute Kennerinnen und Kenner des Stiftes und seiner historischen und gegenwärtigen Bedeutung zum Mitmachen ein. Ich bin ihnen zu Dank verpflichtet, denn sie waren alle bereit, sich meinem Gesamtkonzept unterzuordnen, das keinen der üblichen Sammelbände vorsah, sondern ein Zusammenfließen unterschiedlichen Fachwissens zu einem – im besten Sinne – populären Sachbuch. So folgten sie meiner Bitte, kurze Beiträge zu liefern, die zwar jedem wissenschaftlichen Anspruch oder denkmalpflegerischen Überprüfungen standhalten, aber in lockerer Schreibweise eher journalistischen Kriterien entsprechen und die Wissensvermittlung mit unterhaltenden, kuriosen, ja spannenden Elementen mischen. Diesem Zweck dienen auch die zahlreichen farbig unterlegten Kurztexte, die aber auch größere Themenkomplexe auflockern und Besonderheiten der Geschichte und der künstlerischen Ausstattung des Stifts hervorheben sollen.

Ohne viele neue Fotos von höchster Qualität und eine moderne, abwechslungsreiche und trotzdem – dem Thema angemessen – seriöse graphische Gestaltung wären meine Vorstellungen von einem solchen Buch nicht zu verwirklichen gewesen. Deshalb danke ich besonders meinem Sohn Christian, der fast die Hälfte der im Buch enthaltenen Fotos eigens dafür gemacht hat, und der Grafikerin Hana Hubálková, die mit außergewöhnlichem Können und viel Liebe zum Thema dem Werk auch ihren Stempel aufdrückte.

Mein Dank gebührt aber auch und vor allem Abt German des Zisterzienserklosters Stams für das entgegengebrachte Vertrauen und viele interessante und lehrreiche Gespräche. Und schließlich ein herzliches Vergelt’s Gott dem guten Geist bei all unseren Besuchen im Stift, Frater Martin Anderl, ohne den die mit viel Arbeit (Stühle verräumen, Leitern aufstellen) verbundenen und manchmal sehr zeitraubenden Fotoarbeiten nicht möglich gewesen wären. P. Johannes Messner öffnete uns die Schätze der Bibliothek und Professor Karl Palfrader erwies sich als überaus hilfsbereiter und sachkundiger Führer durch die Geheimnisse des grandiosen Stiftarchivs. Jedesmal bin ich wieder fasziniert und – ja, ich sag’s – ergriffen, wenn mich dort zwischen tausenden Urkunden der Geist vergangener Jahrhunderte anweht.

Stift – Kloster – Abtei – Zisterze

Die Arbeit an so einem Buch, das Erzählen davon im Bekanntenkreis, lässt einen manchmal erkennen, dass nicht jedem alles klar ist, was man selber dafür hält. Zum Beispiel taucht die Frage auf, worin sich ein Stift und ein Kloster unterscheiden oder warum im Internet bei Stams Zisterzienserabtei steht. Diese Fragen sollen hier gleich am Anfang geklärt werden, denn diese Begriffe werden im Buch immer wieder auftauchen und abwechselnd gebraucht werden. Stams ist ein Kloster des Zisterzienserordens, also eine Zisterze. An der Spitze des Konvents, so bezeichnet man die Mönchsgemeinschaft, steht der Abt, deshalb ist das Kloster eine Abtei. Der Abt wird von den Mitgliedern des Konvents gewählt, den Konventualen.

Ein Stift ist Stams deshalb, weil das Kloster vom Tiroler Grafen Meinhard II. »gestiftet«, d. h. von ihm gegründet und mit Gütern und Rechtstiteln ausgestattet wurde. Und warum gibt es im Kloster Stams eine Prälatenstiege und eine Prälatur? Weil die Äbte, wie andere hohe kirchliche Amts- und Würdenträger, den päpstlichen Ehrentitel »Prälat« tragen bzw. trugen (der wird nicht mehr vergeben). Den Teil eines Klosters, in dem der Abt seine Amtsräume und seine Wohnung hat, nannte man und nennt man oft heute noch Prälatur.

Inhalt

I.

Von der Gründung bis zur ersten Auflösung 1807–1816

Einleitung

Josef Riedmann

Wie es zur Gründung von Stams kam

Das Gründerpaar JR

Karl C. Berger

Die dreifache Wallfahrt begann mit dem Täufer

Ein Andachtsbild KCB

Christoph Haidacher

Die Bauern und die Grundherrschaft der Mönche

Streit um die Fische

Dem Blutgericht entkommen

Im Dienste der Landesfürsten

Grablege vornehmer Familien

Unersättliche Gäste und schamlose Jäger

Schauplatz europäischer Politik

Teufelsaustreiber und ein Hexentanz

Aus Krisenzeit zu neuer Blüte

Stamser Chronisten

Maximilian III., der Deutschmeister, der zweite Gründer FC

Dunkle Wolken über Stams, Kriegswirren und die Auflösung

Bayerischen Schikanen ausgesetzt

Das Stift, Abt Sebastian und die Freiheitskriege

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II.

Geschichte seit der Wiedererrichtung 1816 bis heute

Einleitung

Neubeginn mit Schwierigkeiten

Frömmigkeit zwischen Wirtschaft und Politik

Gefährliche Überfuhr

Helmut Hörmann

Die zweite Aufhebung und der Weg in die Zukunft

Der vierte Reiter HH

III.

Klosterleben früher und heute

Einleitung

Ein Gespräch mit Abt German

»Wir leben nicht im Mittelalter«

Die Heiligen Benedikt und Bernhard

Karl Palfrader

Stamser Mönche in der Seelsorge

Karl Palfrader

Die Südtiroler Pfarren und das Maiser Priorat

Kasimir Schumacher, Pfarrer und Chronist

Josef Kretschmer

Klosterwirtschaft unter neuen Vorzeichen

IV.

Zentrum der Künste

Einleitung

Franz Caramelle

Was vom mittelalterlichen Kloster erhalten ist

Gert Ammann

Der barocke Gebäudekomplex entsteht

Stamser Ansicht von 1666/1670

Johann Martin und Georg Anton Gumpp GA

Wie das »Österreichische Grab« entstand GA

Gert Ammann

Ein theologisches Programm für Künstler im Netzwerk

Stamser Alm – kaum bekanntes Juwel des Rokoko

Der Bernardisaal GA

Franz Caramelle

Von der Eleganz der Stamser Gitter

Hildegard Herrmann-Schneider

Ein Blick in die musikalische Schatzkammer Tirols

Denkmalpflege für die Stamser Klangwelt HHS

Alfred und Matthias Reichling

Stamser Orgelgeschichte und ihre heutigen Zeugen

V.

Ort der Wissenschaft und der Bildung

Einleitung

Maria Schuchter

Von gelehrten Mönchen und kostbaren Büchern

Wie man sich um Kranke sorgte MS

Das Archiv und das Ordnen der Zeit MS

Maria Schuchter

Was man in Stams alles lernen kann

Architektonische Kostbarkeiten der Moderne MS

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VI.

Das Erbe erhalten und nützen

Einleitung

Walter Hauser

Was »Denkmalpflege« im Stift Stams bedeutet

Alte Orangerie mit neuer Bestimmung

Barbara Lanz und Sonja Mitterer

Das Bauarchiv – 118 Ordner über 30 Jahre Arbeit

Was geschah im Gartenhaus BL-SM

Max Schönherr

Wie es beim Flicken eines Stiftes so zugeht …

Fr. Martin Anderl

Das Stift breitet seine Schätze aus

Musikpflege, Konzerte und Symposien Fr. MA

Anhang

Stamser Äbte

Personenregister

Quellen und Literatur

Bildnachweis

Die Co-Autorinnen und Co-Autoren

I.

Von der Gründung bis zur ersten Auflösung 1807–1816

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Engelgestalt aus dem barocken Deckenfresko von Franz Michael Hueber über der Prälatenstiege. Sie hält eine Ansicht des Klosters, wie es zu Beginn des 18. Jahrhunderts ausgesehen hat.
Da hatte das ehrwürdige Stift aber bereits mehr als vier Jahrhunderte spannendes Auf und Ab hinter sich
.

 

Was wird wohl der kleinen Schar von Mönchen durch den Kopf gegangen sein, während sie im März 1273 mit ihrem neugewählten Abt an der Spitze aus dem schwäbischen Kaisheim ins Gebirge wanderten, um dort ein neues Kloster aufzubauen? So ungewiss ihre Zukunft auch war, folgten die frommen Männer aus dem angesehenen Orden der Zisterzienser immerhin dem Ruf eines Fürsten, der zu den mächtigsten weit und breit gehörte und der sogar bei der Wahl des neuen deutschen Königs und zukünftigen Kaisers ein gewichtiges Wort mitzureden hatte. Das Inntal, wohin die beschwerliche Reise ging, gehörte wie die Täler südlich der Pässe Reschen und Brenner zu seinem Herrschaftsgebiet. Meinhard hieß er, der zweite dieses Namens, seit das Geschlecht der Grafen von Görz durch Heirat mit der Erbin der Grafen von Tirol ins Land gekommen war. Der Name seines Residenzschlosses Tirol bei Meran sollte bald für das ganze Land im Gebirge üblich werden.

Wir wissen nicht, ob der März dieses Jahres 1273 schön und frühlingshaft war oder winterlich, mit Schnee bis ins Inntal herab. Jedoch wissen wir, dass Meinhard den Mönchen Unterkünfte aus Holz errichten hatte lassen, in denen es sich wohl hausen ließ, bis die Mauern für die notwendigen Gebäude aufgezogen sein würden. Als Klosterkirche diente vorläufig das seit mindestens zwei Jahrhunderten bestehende und von vielen Gläubigen besuchte Wallfahrtskirchlein zum heiligen Johannes dem Täufer. Die Ordensniederlassung trug auch seinen Namen.

Fast zwölf Jahre sollte es dauern, bis das neue Kloster samt Kirche und Kreuzgang erbaut war. Die Kosten dafür trug der Landesfürst, dessen Stiftungen und Privilegien auch für eine gesunde wirtschaftliche Basis der klösterlichen Gemeinschaft sorgten. Zur Einweihung des neuen Gotteshauses am 5. November 1284 kamen sieben Bischöfe sowie zahlreiche kirchliche und weltliche Würdenträger mit Tausenden Gläubigen aus nah und fern nach Stams. Am selben Tag wurden die sterblichen Überreste der im Jahr davor gestorbenen Gattin des Landesfürsten, Elisabeth von Wittelsbach, feierlich in der Gruft der neuen Klosterkirche beigesetzt. Außerdem wurden die Gebeine von vier früh verstorbenen Kindern des Gründerpaares und mehrerer Vorfahren von ihrer bisherigen Grabstätte auf Schloss Tirol nach Stams übertragen. Der Tiroler Graf, der bald in den Rang eines Herzogs aufrücken sollte, hatte mit dem neuen Kloster seiner Familie eine würdige, der Bedeutung der Dynastie entsprechende Grablege geschaffen.

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An den Wänden der bis dahin vermauerten Mittelapside der Stiftskirche wurden 1963 bei Renovierungsarbeiten links und rechts der kleinen Fensteröffnung jeweils mit Rankenwerk (links) und Dreipässen (rechts) umrahmte romanische Schriftblöcke entdeckt. Sie konnten – obwohl stark verblasst und nur mehr fragmentarisch erhalten – als die Weihe-Inschrift entschlüsselt werden, die uns glücklicherweise auch archivalisch überliefert ist und die Feierlichkeiten vom 5. November 1284 festhält.

Nach Jahren der steilen Aufwärtsentwicklung erlebte das lange Zeit als Hauskloster der Tiroler Landesfürsten geltende Stift Stams sowohl Blütezeiten als auch Jahrzehnte der Katastrophen und des inneren Zerfalls. Wie für die Gründung war auch für die erste schmerzhafte Zäsur in der Geschichte des Klosters die Politik verantwortlich. Als Tirol 1806 als Folge einer militärischen Niederlage Österreichs an Bayern fiel, wurde auch Stams ein Opfer der dort seit Jahren betriebenen klosterfeindlichen Kirchenpolitik.

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Grabstein des Gründerpaares über ihrer Gruft in der Stiftskirche (im Querschiff vorne links)

 

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Josef Riedmann

Wie es zur Gründung von Stams kam

Die älteste konkrete Nachricht vom Plan der Errichtung eines Zisterzienserklosters in Stams durch Graf Meinhard II. von Tirol und seine Gattin Elisabeth stammt aus dem August des Jahres 1272, als Bruno von Brixen als zuständiger Diözesanbischof dem zu gründenden Kloster das Patronatsrecht über die Pfarrkirche in Silz übertrug. Dieser Schenkung waren aber schon mehrere wichtige Schritte Meinhards vorausgegangen, vor allem die systematische Erwerbung von Gütern und Einkünften von verschiedenen Eigentümern am Ort der künftigen monastischen Niederlassung. Bereits im September 1272 befasste sich dann das in Cîteaux tagende Generalkapitel der Zisterzienser mit der Bitte des Grafen von Tirol, die neue Gründung durchzuführen, und beauftragte die Äbte von Lützel (Elsass) und Raitenhaslach (Bayern) mit der Inspektion des in Aussicht genommenen Ortes. Als Mutterkloster war schon damals Kaisheim (bei Donauwörth) vorgesehen.

Die beiden delegierten Klostervorstände kamen im Jänner des Folgejahres 1273 ihrem Auftrag nach und beurteilten alle Voraussetzungen für die Gründung sowohl hinsichtlich der Lage des Ortes wie auch bezüglich der Ausstattung als ausgezeichnet. Zudem hatten sich Meinhard wie auch Elisabeth brieflich an die beiden Äbte gewandt, und der Graf war persönlich mit ihnen zusammengetroffen. Elisabeth nahm an den Besprechungen nicht teil. Sie entschuldigte aber ihr Fernbleiben mit den jahreszeitlich bedingten Schwierigkeiten der Reise. Möglicherweise sah sich Elisabeth damals bereits mit gesundheitlichen Problemen konfrontiert; sie ist im Oktober 1273 gestorben.

Nach dem positiven Bericht der beiden Beauftragten wurde noch im Jänner 1273 in Kaisheim die offizielle Zustimmung zur Neugründung beschlossen. Man bestimmte aus diesem Konvent einen ersten Abt und sandte ihn mit zwölf Priestermönchen, fünf Laienbrüdern sowie den nötigen liturgischen Gerätschaften und Büchern nach Stams, wo sie am 12. März 1273 eintrafen und zunächst in einem provisorischen hölzernen Quartier eine Unterkunft fanden. Die materielle Basis des Konventes wurde in der Folge laufend durch weitere Zuwendungen insbesondere von Graf Meinhard, aber auch von privaten Wohltätern in der näheren und ferneren Umgebung erweitert. Vor allem die auch von Bischof Egno von Trient geförderte Übertragung von Rechten in der Pfarre Mais bei Meran erwiesen sich als bedeutend und nachhaltig. Der von dort bezogene Wein diente nicht nur zur Feier der Liturgie, sondern erfreute auch sonst die klösterliche Gemeinschaft. Die erste Phase der Gründung fand ihren Abschluss, als Meinhard am 12. März 1275 in einer umfangreichen Urkunde seine Stiftung schriftlich bekräftigte. Er ließ eine lange Reihe von Güterschenkungen festhalten sowie weitere Vorrechte des jungen Konventes. Drei Jahre später bestätigte auch Papst Nikolaus III. die neue Ordensniederlassung, und im November 1284 erfolgte die feierliche Weihe der jetzt aus Stein errichteten Klosteranlage. Die wirtschaftliche Tüchtigkeit, die generell von den Zisterziensern gepflegt wurde, machte sich auch in Stams bemerkbar. Aus dem Jahr der Klosterweihe stammt das älteste Verzeichnis der Besitzungen und Einkünfte der Mönche, das sich vornehmlich aus Schenkungen zusammensetzte, zu denen aber dann alsbald auch käufliche Erwerbungen traten.

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Links oben das Siegel Graf Meinhards II. von Tirol-Görz auf der Gründungsurkunde des Klosters Stams aus dem Jahr 1275. Rechts die im Stiftsarchiv aufbewahrte Urkunde.

Das Motiv für die Gründung wird von Graf Meinhard selbst in der feierlichen Bestätigungsurkunde aus dem Jahr 1284 kurz angesprochen: Die großzügige Tat erfolgte »als Ausgleich und zum Heil für die Sünden« des Stifters und seiner Vorfahren. Bei dieser Formulierung handelt es sich nicht um eine originelle Neuschöpfung, sondern sie wiederholt eine Vorstellung, die im Mittelalter allgemein verbreitet war. Allerdings besaß diese Maßnahme zur Sicherung des Seelenheiles im Falle Meinhards besondere Aktualität, denn der Tiroler Landesfürst befand sich immer wieder im Kirchenbann. Unter diesen Vorzeichen gewann der demonstrative Akt der Frömmigkeit auch eine politische Bedeutung. Zudem bestand doch auch die Vorstellung, dass das mit der Stiftung verbundene regelmäßige Gebet einer größeren Zahl von Geistlichen für ihren Wohltäter entsprechende Früchte bringen würde.

Von der religiösen Motivation abgesehen, gab es noch eine Reihe weiterer Gründe, die bei der Errichtung eines Klosters durch Meinhard eine Rolle gespielt haben dürften: Durch seine Großzügigkeit sicherte er sich das Wohlwollen eines das ganze Abendland umspannenden Ordens, der Zisterzienser. Die weißen Mönche des hl. Bernhard zeichnete – anders etwa als die Benediktiner – eine straffe, vom jeweiligen Diözesanbischof weitgehend unabhängige Organisation aus, in die auch Stams über das Mutterkloster Kaisheim eingebunden war. Die Zisterzienser konnten damit ein Gegengewicht zu den Aktivitäten der Franziskaner und Dominikaner bilden, die sich im Auftrag der Päpste gegen den »ketzerischen« Tiroler Landesfürsten betätigten. Geschätzt waren die Zisterzienser nicht nur für ihre Frömmigkeit und religiöse Bildung, sondern auch für ihre wirtschaftliche Kompetenz. Diese Vorzüge wusste Meinhard zu nutzen, wenn er beispielsweise Mönche aus Stams für heikle diplomatische Missionen heranzog oder dem Abt des Klosters einen der zwei notwendigen Schlüssel zu dem im nahe gelegenen St. Petersberg deponierten Münzschatz anvertraute.

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Die alten Holzgebäude südlich (auf der Zeichnung oberhalb) der Wallfahrtskirche zum heiligen Johannes dem Täufer, die den Mönchen in den ersten Jahren als Unterkunft dienten. Bis zum Brand von 1593 wurden sie als Wirtschaftsgebäude verwendet (Zeichnung in der Lebersorg-Chronik).

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Seite aus der Lebersorg-Chronik mit Teilansichten der 1284 bezogenen Klostergebäude: oben links das Brunnenhaus im Kreuzgang, unten rechts die Wärmestube (Calefaktorium) mit der umlaufenden Sitzbank und dem Gitterrost, durch den die erwärmte Luft vom darunter befindlichen Ofen nach oben dringen konnte.

Von enormer politischer Bedeutung war die Neugründung weiter auch als Grablege der Dynastie, wie sie durch die Übertragung der Überreste der Vorfahren Meinhards ihren Ausdruck fand. Die alten Tiroler Grafen hatten weder über ein angemessenes Erbbegräbnis noch über ein von ihnen gestiftetes Hauskloster verfügt. Das neue Land und die neue Dynastie erhielten nun mit Stams ein neues religiöses Zentrum ohne direkte Abhängigkeit von den »ausländischen« Bischöfen von Brixen und Trient.

Politische Überlegungen dürften ferner die Wahl des Ortes im Oberinntal als Sitz einer klösterlichen Gemeinschaft zumindest mitbestimmt haben. Die Lage von Stams im bereits durch Siedlungen erschlossenen Tal entsprach nur sehr bedingt dem ursprünglichen Ideal der Zisterzienserniederlassungen in waldreichen Gebieten, welche die Mönche dann erst mit der Arbeit der eigenen Hände roden sollten. Wohl aber ergänzte das neue Kloster ausgezeichnet den neuen Machtmittelpunkt Meinhards, den dieser mit dem Erwerb und Ausbau der benachbarten Burg St. Petersberg in einem Bereich einrichtete, in dem die Tiroler Grafen bis dahin kaum vertreten gewesen waren. St. Petersberg als Sitz eines landesfürstlichen Richters und das Kloster in Stams bildeten gemeinsam, direkt und indirekt, das Herzstück eines neuen administrativen Zentralraumes des jungen Tiroler Landesfürstentums im oberen Inntal.

Hinzuweisen ist auf die starke Beteiligung von Meinhards Gemahlin Elisabeth von Wittelsbach an der Gründung von Stams. In den frühesten Zeugnissen über die Errichtung des Klosters wird sie mehrfach gleichberechtigt neben ihrem Mann als Initiatorin genannt, und sie hat selbst ein eigenes Schreiben an die beiden in der Gründungsphase vom Orden Beauftragten, die Äbte von Lützel und Raitenhaslach, gerichtet. Möglicherweise hat bei diesen Bestrebungen das Vorbild der wittelsbachischen Verwandtschaft eine Rolle gespielt: Im Jahre 1263 hatte der Bruder von Elisabeth, Herzog Ludwig II., Zisterzienser nach Fürstenfeld in Oberbayern berufen, und das Kloster wurde in der Folge einige Zeit hindurch zur Begräbnisstätte der Wittelsbacher. Die Gründungsurkunde für Fürstenfeld diente auch als wortgetreue Vorlage für weite Passagen in der Bestätigung von Stams durch Meinhard II. im Jahre 1275. Zum Zeitpunkt der Ausstellung dieses Schriftstückes war Elisabeth bereits seit zwei Jahren tot. Erstaunlicherweise wird ihr Name in dieser feierlichen Verbriefung ihres Gemahls nicht genannt. Er begegnet uns hingegen in einigen späteren Schenkungen Meinhards an das Kloster, die dieser zu seinem und seiner Gemahlin Seelenheil getätigt hat. In der Tradition der Stamser Mönche blieb das Wissen um die Bedeutung der offensichtlich sehr wichtigen Wohltäterin unvergessen. Alle historischen Darstellungen des Klosters durch alle Jahrhunderte würdigen Elisabeth als Mitbegründerin der Zisterze.

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Mit »Mors Conradini« (Konradins Tod) und »Fons vitæ« (Quelle des Lebens – »für Stams« ist zu ergänzen) sind zwei der vier Zwickelbilder Franz Anton Zeillers in der Pfarrkirche Stams bezeichnet. Der Tod des letzten Staufers Konradin soll, nach einer im 17. Jahrhundert begründeten Legende, Anlass für die Gründung des Klosters Stams gewesen sein. Der Künstler zeigt deshalb Meinhards zweite Gattin Elisabeth am Grab ihres Sohnes in Neapel und das Stamser Gründerpaar, wie es sich von Baumeistern die Pläne für das Kloster zeigen läss t.

Hingegen sucht man einen anderen Namen, der im Zusammenhang mit dem Entstehen des Klosters zunehmend an Bedeutung gewinnen sollte, in zeitgenössischen Aufzeichnungen vergebens. Konradin, der Sohn der Elisabeth aus der Ehe mit König Konrad IV., der letzte männliche Angehörige des staufischen Kaiserhauses, war als Verlierer im Kampf um die sizilianische Königskrone im Jahre 1268 in Neapel auf Befehl des Siegers Karl von Anjou hingerichtet worden. Erst zu Beginn des 17. Jahrhunderts scheint Konradin erstmals in der Stamser Geschichtsschreibung im Zusammenhang mit der Gründung des Klosters auf. Der Klosterchronist Wolfgang Lebersorg berichtet damals ausführlich von der Reise von Konradins Mutter Elisabeth nach Neapel, um ihren Sohn zu retten. Allerdings beruft sich Lebersorg dabei nicht auf eine in seinem Konvent lebendige Überlieferung, sondern ausdrücklich auf einen kurzen Hinweis in einer zu dieser Zeit weit verbreiteten allgemeinen Geschichtsdarstellung. Tatsächlich berichtet auch eine unteritalienische Chronik aus dem 14. Jahrhundert, dass Elisabeth für eine würdige Bestattung ihres Sohnes in Neapel Sorge getragen habe.

Seit Lebersorg entwickelte sich dann die eindrucksvolle Legende vom Tod Konradins als einem maßgeblichen Motiv für die Gründung der Zisterzienserniederlassung kontinuierlich und immer detailreicher weiter. Stams als Gedächtnisstiftung für Konradin ist inzwischen zu einem wesentlichen Teil des Selbstverständnisses des Klosters und einer breiten Öffentlichkeit geworden.

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Für Epitaphe Elisabeths von Wittelsbach (bayerisches Rautenschild) und des Grafen Meinhard II. (Tiroler Adler) hielt man diese bei Restaurierungsarbeiten in den 1970er Jahren zufällig gefundenen Wappensteine. Inzwischen hat sich die Zuweisung der Denkmäler in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts gefestigt. Die beiden Wappen dürften daher eher an Meinhard III. erinnern, den 1363 verstorbenen Sohn des Bayernherzogs Ludwig von Brandenburg und der Tiroler Erbin Margarethe Maultasch.

 

Das Gründerpaar

Seine Vermählung mit Elisabeth, der Witwe des Stauferkönigs Konrad IV., im Jahre 1259 bedeutete für Meinhard II. eine erste, wichtige Etappe im politischen Aufstieg des jungen, um 1238 geborenen Grafen von Tirol-Görz. Anknüpfend an die erfolgreiche Politik seines Großvaters Graf Albert III. von Tirol und seines Vaters MeinhardI. von Tirol-Görz gelang es Meinhard, die den Alpenhauptkamm überspannende Grafschaft Tirol zu schaffen. Dabei halfen ihm sein Geschick und das nötige Glück, aber auch die Anwendung von Gewalt und das Fehlen einer übergeordneten Macht im Zeitalter des sogenannten Interregnums. Als 1273 mit Rudolf von Habsburg endlich ein allgemein anerkanntes Reichsoberhaupt an die Regierung kam, geschah dies auch mit erheblicher Unterstützung durch den Grafen von Tirol. Dafür erkannte König Rudolf die Unabhängigkeit der Grafschaft Tirol von angrenzenden politischen Gebilden an. König Rudolf machte Meinhard durch die Verleihung des Herzogtums Kärnten sogar zum Reichsfürsten.

Der »Begründer Tirols « konnte dank seines organisatorischen und wirtschaftlichen Talents bedeutende finanzielle Mittel zur Durchsetzung seiner Politik auf bringen. Eine fortschrittliche Verwaltung förderte ebenfalls wesentlich die Konsolidierung des neuen politischen Gebildes. Meinhards rücksichtsloses Vorgehen gegen die weltlichen Machtansprüche der Bischöfe von Trient und Brixen findet nicht zuletzt in Erfahrungen seiner Jugend eine Begründung. Einige Jahre hindurch hatten Meinhard und sein Bruder Albert als Geisel in der Haft des Salzburger Erzbischofs Philipp verbringen müssen, nachdem ihr Vater bei einem militärischen Unternehmen gegen den Kirchenfürsten in dessen Hände gefallen war.

Dass sich der Tiroler Landesherr lange Zeit offiziell im Kirchenbann befand, geht nicht nur auf seine Übergriffe gegenüber den Bischöfen zurück. Die von den Päpsten ausgesprochene Exkommunikation beruhte auch auf der Zugehörigkeit Meinhards zum staufischen Lager, deren Parteigänger als notorische Feinde der Kirche galten. Die Unterstützung Konradins, seines Stiefsohnes, bei dessen Zug nach Italien hatte für Meinhard erstmals den päpstlichen Bannfluch zur Folge. Weitreichende Konsequenzen daraus zeichneten sich nicht ab. Zu sehr war den Zeitgenossen der politische Hintergrund dieser Sanktionen bewusst. Andererseits dokumentierte der Tiroler Landesfürst durch die Gründung des Klosters Stams seine kirchliche Gesinnung.

Meinhards Gemahlin Elisabeth, die Mitbegründerin des Klosters Stams, ist um das Jahr 1227 als Tochter des bayerischwittelsbachischen Herzogs Otto II. geboren. 1246 war sie mit Konrad, dem Sohn Kaiser Friedrichs II., vermählt worden. Der Bräutigam trug damals bereits den Titel eines erwählten römisch-deutschen Königs, Königs von Jerusalem und Sizilien sowie Herzogs von Schwaben. Als Konrad nach dem Tod seines Vaters 1250 im Herbst des Folgejahres nach Italien aufbrach, um dort die Ansprüche der Staufer auf die Herrschaft über das Königreich Sizilien und auch auf das römische Kaisertum geltend zu machen, blieb Elisabeth in Deutschland zurück. Im März 1252 wurde das einzige Kind aus dieser Ehe geboren, der kleine Konrad, den man in Italien Corradino nannte und der als Konradin in die Geschichte eingegangen ist. Vater und Sohn haben sich nie gesehen. Konrad IV. starb 1254 in Unteritalien.

Die Vormundschaft über den kindlichen Königssohn und einzigen legitimen männlichen Angehörigen des staufischen Kaiserhauses übernahmen Elisabeths wittelsbachische Brüder. Der Einfluss der Mutter auf die Erziehung ihres Sohnes dürfte eher beschränkt gewesen sein. Andererseits traf die junge Witwe auch selbst Verfügungen über ihre Besitzungen, wobei sie demonarativ den Titel einer Königin von Sizilien und Jerusalem sowie Herzogin von Schwaben führte.

Die Vermählung der Elisabeth mit dem um etwa 10 Jahre jüngeren Grafen Meinhard II. von Tirol im Oktober 1259 in München bedeutete für die Braut einen eindeutigen standesmäßigen Abstieg und fand nach späteren Berichten zunächst auch nichtdas Wohlwollen ihrer Brüder. Die Regelung des Witwengutes der Braut zog sich noch einige Zeit hin. Auf diese Weise erhielt der Tiroler Graf dann aber wertvolle Besitzungen vor allem im Vinschgau, im Passeier und im oberen Inntal. Kontakte der Mutter zu ihrem weiterhin unter der Obhut der bayerischen Herzoge verbleibenden Sohn Konradin sind in der Folge nur spärlich bezeugt.

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Meinhard II. und Elisabeth mit dem von ihnen gestifteten Kloster Stams. Das vom Stamser Konventualen Johannes Fuchs um 1600 gemalte Bildchen (240 × 200 mm) zeigt das Modell des Stift es so, wie es zu seiner Zeit ausgesehen hat. Das Phantasieporträt Meinhards entspricht dem kurz vorher entstandenen Stich von Dominicus Custos.

Auch als Gemahlin Meinhards II. profilierte sich Elisabeth mehrfach als eigenständig handelnde Persönlichkeit. Sie führte in Urkunden fallweise sogar noch den Titel einer Königin und verfügte allein über ihre eigenen Einkünfte. Am nachhaltigsten gestaltete sich aber ihre Initiative bei der Gründung des Zisterzienserstiftes Stams. Dort fand die im Oktober 1273 Verstorbene ihre letzte Ruhestätte.

Elisabeths Ehe mit Meinhard entstammte ein halbes Dutzend Kinder, unter ihnen die Tochter Elisabeth, die als Gemahlin des römisch-deutschen Königs Albrecht I. († 1308) zur Stammmutter aller Habsburger wurde.

JR

 

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Detail aus dem Hochaltar der ehemaligen Stamser Wallfahrts- und heutigen Pfarrkirche

Karl C. Berger

Die dreifache Wallfahrt begann mit dem Täufer

Als am 12. März des Jahres 1273 das klösterliche Leben begann, war Stams schon ein überregional bekannter Wallfahrtsort zum heiligen Johannes dem Täufer. Es war dies einer der Gründe, warum Graf Meinhard II. und seine Frau Elisabeth gerade diesen Ort für die Errichtung eines Klosters auserkoren. Die genaue Entstehung der Wallfahrt liegt im Dunkeln, doch die Gründung einer Zisterzienserabtei und die Betreuung der Pilger durch diesen beliebten Orden förderte den Zustrom weiterer Hilfesuchender und Kranker. Das auf Rudolf, einen der Gründermönche und späteren Abt (1289–1294), zurückgehende »Liber miraculorum« (Buch der Wunder) berichtet von einem großen Einzugsgebiet. Dieses erstreckte sich von der heutigen Schweiz, Süddeutschland und Salzburg bis nach Bozen und Laibach im heutigen Slowenien.

Der Stamser Hofrichter Johann Georg Frickhinger betont in einem 1648 verfassten Bruderschaftsbüchlein, dass seit der Übernahme durch die Zisterzienser nicht jedes angebliche Wunder aufgeschrieben werde, »sondern allein die jenigen, welliche uns durch Ehrliche und glaubwürdige persohnen ordentlich probiert seindt worden, oder wür selbsten mit Augen gesehen haben«. Abt Paul Gay ( 1631 – 1638 ) hat das Mirakelbuch seines Vorgängers unter dem Titel »Wunderzaichen« übersetzt und weitergeführt. Von Heilungen aller Art wird darin berichtet. Josef Ernst fasst in seinem Aufsatz in der 700-Jahr-Festschrift des Klosters so zusammen: »Bekehrung vom Unglaube, Heilung von Personen, denen die Ärzte das Leben schon aufgesagt haben, Tote und Halbtote werden wieder lebendig, Heilung von Krummen, Lahmen und vielen anderen. Alle Arten menschlichen Elends ziehen an uns vorüber.« Auch dass »besessene Menschen« vom bösen Geist befreit worden seien, kann man im Buch der Wunder nachlesen, etwa »ein ungestiemer Mensch mit dem Teyffl behafft, den brachten also her seine vier Söhn gebunden mit Kötten auf einem Wagen«.

Bereits in der Frühzeit der Wallfahrt sind Votivgaben als Dank für eine Gebetserhörung in der Kirche hinterlegt worden. Wie damals üblich, bestanden die Opfergaben aus Holz, Wachs, Öl, Lebensmitteln, Geld sowie lebenden Tieren. Im Bruderschaftsbüchlein von 1648 heißt es dazu, das »einfeltige Baurs Volkh so alda wonten« hätte die Erinnerung an »solche große und herrliche wunderzaichen« nur »mit hilzernen figuren und geschnitzelten Büldnussen« festhalten können. Seit die Mönche die Wallfahrt betreuten, seien die Wunder »nit auf holz, sondern in schrifft verfasst und aufgezaichnet« worden.

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Das Innere der gotischen Wallfahrtskirche, gebaut zwischen 1313 und 1318 (Darstellung in der Lebersorg-Chronik)

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Die »Johannesschüssel« (2. Hälfte des 15. Jahrhunderts, Schüssel erneuert) wurde Kranken auf das Haupt gelegt.

Nur zehn Jahre nach der Ankunft der Zisterzienser erhielt Stams vom Generalkapitel das selten verliehene Sonderrecht, die Pilger in die Gebetsgemeinschaft des Ordens aufzunehmen. Verbunden mit den zahlreich verliehenen Ablässen machte dies Stams noch populärer. Die Zahl der Wallfahrer nahm in den ersten 40 Jahren nach der Gründung des Stifts derart zu, dass das alte Kirchlein die Pilgerscharen nicht mehr fassen konnte, weshalb Meinhards Sohn Heinrich eine größere Kirche bauen ließ, die 1318 eingeweiht wurde und im Kern in der heutigen, im 18. Jahrhundert barockisierten Pfarrkirche steckt. Mittelpunkt der Verehrung war eine Reliquie des hl. Johannes des Täufers. Diese sei von einer als »selige Thekla« bezeichneten Person nach Stams gebracht worden. Anfangs wurde sie im Altar aufbewahrt. In der Mitte des 15. Jahrhunderts aber wurde eine Steinskulptur geschaffen, deren rechter Zeigefinger die verehrungswürdige Kostbarkeit barg.

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Nicht viel jünger als die Wallfahrt zum heiligen Johannes ist die Verehrung der Heilig-Blut-Reliquie. 1755 malte Franz Anton Zeiller beide samt dazugehörigen Kirchen in einem Gewölbezwickel der Stamser St.-Johannes-Kirche.

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Seit in der Bayernzeit das Altarbild von Franz Anton Zeiller abhandengekommen ist, steht die gotische Sandsteinfigur des heiligen Johannes am barocken Hochalter. Im Finger des Täufers war einst die Reliquie verborgen.

Einen zusätzlichen Auftrieb erhielt die Wallfahrt, als Kaiser Karl IV. dem Kloster eine weitere Reliquie übergab. Mit dem am 31. Dezember 1377 ausgestellten Pergament gelangte Stams in den Besitz eines Schädelknochens des hl. Zacharias, des Vaters des hl. Johannes. Dieses überaus wertvolle Geschenk war ein zweifaches Kaisergeschenk, denn der römisch-deutsche Kaiser hatte es vom byzantinischen Kaiser Johannes V. erhalten. Bereits bei der Ankunft der Reliquie – eine Prozession war der heiligen Gabe nach Pfaffenhofen entgegen gezogen – zeigte sich ihre Mächtigkeit. Das 14-jährige, seit Geburt an stumme Kind eines frommen »Paursman bey Hörtenberg« soll »das gespräch« erlangt haben. Das Mirakel dockt direkt an das Lukasevangelium an, wonach Zacharias vorübergehend verstummte und ihm das Sprechen erst wieder möglich wurde, als er den göttlichen Willen akzeptierte.

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Siegel Kaiser Karls IV. und die am 31. Dezember 1377 ausgestellte Urkunde, mit der er den Stamser Zisterziensern eine Reliquie aus dem Haupt des Heiligen Zacharias zum Geschenk macht. Das beschädigte Thronsiegel hängt heute nicht mehr an der Urkunde.

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Gruppe aus einer Prozession der St.-Johannes-Bruderschaft mit dem Haupt des heiligen Zacharias, des Vaters ihres Schutzheiligen (Aquarell, um 1680)

Die Zachariasreliquie wurde 1380 in einen Behälter in Form eines Hauptes gelegt, welches vom bayerischen Ritter Wilhelm von Massenhausen gestiftet wurde. Die Verehrung des hl. Johannes und des hl. Zacharias stand in keiner Konkurrenz zueinander, im Gegenteil: In gleicher Weise, wie die geschnitzte Johannesschüssel auf den Kopf eines Hilfsbedürftigen gelegt wurde, konnte auch das Zachariashaupt unter ständigem Gebet einem Kranken aufgesetzt werden. Selbst Erzherzog Ferdinand Karl, damals Landesfürst von Tirol, ließ sich 1654 die Reliquie auflegen und soll dadurch von einer Krankheit genesen sein.

Dieses Ereignis fand in einer Zeit statt, in der die Wallfahrt einen durch wirtschaftliche Schwierigkeiten und Reformation bedingten Einbruch überwunden und eine neue Belebung erfahren hatte. Damals rückte auch jene Blutsreliquie verstärkt ins Bewusstsein der Pilger, die bereits seit dem 14. Jahrhundert in Stams verehrt wurde. Der Legende nach sei es Maria Magdalena gewesen, die am Fuße des Kreuzes etwas Erde vom Hügel Golgota gesammelt hat, das mit dem Blut Christi getränkt war. Während des Hoch- und Spätmittelalters gab es mehrere solcher Blutsreliquien: Einer wurde beispielsweise in St. Georgenberg, einer anderen in Heiligenblut in Kärnten gehuldigt. Vor allem in den Mittelmeerländern rühmten sich zahlreiche Orte, im Besitz eines solchen religiösen Kleinods zu sein. Tatsächlich soll auch die Stamser Reliquie aus Frankreich stammen. Um das Jahr 1300, während das Stift von Abt Konrad Waldner geführt wurde, gelangte sie nach Stams. 1306 weihte der Trienter Bischof Bartholomäus Querini jene Kapelle, die für die Aufbewahrung dieser Reliquie auserkoren wurde. Sie war vom Ehepaar Adelheidis und Rupertus Milser als Begräbnisstätte seiner Familie gestiftet worden. Auf Oswald Milser, einen Spross dieser Familie, geht übrigens das Hostienwunder in Seefeld zurück. Nach mündlicher Überlieferung forderte der Ritter vom Pfarrer bei der Kommunion eine große Hostie, welche allerdings den Geistlichen vorbehalten war. Darauf sei der Boden, auf dem Oswald gestanden sei, weich geworden – der Frevler drohte zu versinken. An diese Verbindung mit dem in das Jahr 1384 datierten Geschehen erinnert ein Gemälde von Josef Schöpf in der später im barocken Stil erneuerten Blutskapelle. Belegt ist, dass sich Oswald Milser als Büßer in das Kloster Stams zurückgezogen hat und dort 1395 gestorben ist. Er soll sich unter der Türschwelle der »Milserkapelle« begraben haben lassen, damit noch viele Generationen von Gläubigen auf seinen unwürdigen Körper treten und den begangenen Frevel sühnen helfen.

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Volkstümliches Andachtsbild mit einer Darstellung des Stamser Heilig-Blut-Reliquiars, umgeben von gesticktem Dekor (Klosterarbeit des 18. Jahrhunderts)

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Das für Stams kopierte Gnadenbild der »Mutter vom Guten Rat« in Genazzano bei Rom und einer der vielen kleinformatigen Kupferstiche des beliebten Marienbildes

Gleichwohl das Heilige Blut zu den wirkmächtigen Schätzen des Stiftes gezählt werden muss, stand die Reliquie im Schatten der Johanneswallfahrt. Erst im 17. und frühen 18. Jahrhundert sollte sie vermehrt ins Bewusstsein der Pilger gerückt werden. Doch die barocke Üppigkeit forderte greifbare Bildnisse und scheint so die Strahlkraft der Blutsreliquie gedämpft zu haben. »Damit Nichts von dem, was man Gunst des Himmels nennt, dem Kloster Stams abginge«, so erklärte Pater Kassian Primisser in seiner Chronik, »wollte Maria […] doch auch unter dem Titel einer Mutter von guten Rathe in Stams noch besonders verehrt werden.« Das 18. Jahrhundert führte die katholische Frömmigkeit zu ihrer wundersamsten Blüte. Das in dieser Zeit sprunghaft ansteigende Wallfahrtsgeschehen schlug sich auch in Stams nieder. 1757 wurde eine Kopie des Bildes von Genazzano bei Rom nach Stams gebracht. Der Legende nach löste sich das Originalbild 1466 während der Belagerung durch die Osmanen von einer Wand in der albanischen Stadt Skutari (heute: Shkodra) und flog auf wundersame Weise zuerst nach Rom und dann nach Genazzano.

Die Stamser Kopie war (am Festtag des hl. Josef 1757) am Original in Genazzano berührt wurden. Nach barocker Vorstellung übertrug sich die Kraft eines Gnadenbildes durch Berührung auf die Nachbildung, weshalb diese ebenso verehrungswürdig wurde. Nachdem das Gnadenbild zuerst auf dem Hochaltar aufgestellt worden war, fand es seinen endgültigen Platz in der Blutskapelle. Auch diesmal zeigte sich die Wundertätigkeit schon, »ehe das Bild an den bestimmten Ort überbracht worden«. Die zwölfjährige Tochter des Anton Gritsch, welche »seit drei Jahren krumm war«, konnte durch das Auflegen des Bildnisses und ein Gelöbnis wieder gerade stehen. Ein »doppelter Regenbogen«, der sich während der Überführung in die Blutskapelle gezeigt haben soll, wurde allgemein als »sehr günstige Vordeutung« interpretiert. Bereits in den ersten Jahren wurden zahlreiche Mirakel – insbesondere Krankenheilungen – dokumentiert. Dabei zeigte sich, dass auch das Öl der vor dem Gnadenbild brennenden Lampe die Heilkräftigkeit übernommen hatte: Es half bei der Geburt, rettete das »Maiser Viech durch Besprengung […] von einer dort schon ausgebrochenen Seuche« oder löschte 1761 eine »Feuersbrunst, die im Kloster ausbrach«. Die barocke Frömmigkeit ließ zahlreiche Votivtafeln entstehen, die jedoch – wohl in der Zeit der Aufhebung des Klosters in bayerischer Zeit – verschwanden.

Rückhalt der Wallfahrt war die 1757 gegründete Bruderschaft der Mutter vom Guten Rat, die sich insbesondere um eine gute Sterbestunde sorgte. In einer feurigen Lobrede an die »Liebste[n] Brüder und Schwestern dieser so gnadenvollen und mit so vielen Ablässen bereicherten Bruderschaft« frohlockte der Innsbrucker Theologe Gabriele Schenk dementsprechend: »Euch endlich kommet zu allerersten zu der allerbeste Rath, fromm zu leben, und selig zu sterben […] Der allerbeste Rath selig zu sterben, weil Maria die Mutter vom guten Rath uns lehret, wie wir uns zum Tode in dem Leben zubereiten, und in dem Sterbebette verhalten sollen.«

Im Laufe der Jahre wurden weitere Kopien für einige Kirchen hergestellt, die ihrerseits als wunderträchtig verehrt wurde, so in Hinterhornbach, im Ötztal oder im Passeiertal. Beginnend mit der Auflösung des Stiftes in bayerischer Zeit, verebbte im Laufe des 19. Jahrhunderts die Wallfahrt nach Stams zunehmend bzw. wurde durch Maria von Locherboden zurückgedrängt. Auswirkungen der Historie sind aber noch heute zu spüren – etwa in der »Heilig- Blut-Prozession«. Seit 2006 befindet sich in der Pfarrkirche Stams wieder eine Reliquie, die »ex ossibus Sancti Joanni« stammen soll. Und noch immer suchen in Stams Menschen Zuflucht im Gebet und »bitten endlich um diese Gnade« und überlassen sich – dem Text auf der Rückseite eines anderen Andachtsbildchens folgend – »völlig und vollkommen deinem und deines allerheiligsten Sohnes heiligsten Willen«.

 

Ein Andachtsbild erzählt von der Stamser Wallfahrtsgeschichte

Die wechselvolle Geschichte von Stams als Wallfahrtsort erzählt ein Andachtsbildchen aus dem 18. Jahrhundert. Im lateinischen Vers am unteren Bildrand versteckt sich eine Jahreszahl: Das Chronogramm nennt das Jahr 1759. Die weitreichenden Umbauten des Stifts, das zeigt die im unteren Drittel abgebildete Gebäudeansicht, waren schon abgeschlossen. Gestochen und gedruckt von Klauber in Augsburg, entstand die barocke Grafik zwei Jahre, nachdem die Wallfahrt nach Stams eine letzte große Blüte entfalten konnte. Mit dem Bildnis »Maria vom Guten Rat« wurde Stams nämlich neuerlich zum Ziel hilfesuchender Pilger. Deshalb ist auch das Gnadenbild etwas oberhalb der Mitte (und damit an der bedeutendsten Stelle) des Kupferstiches zu entdecken. Getragen von einem Putto, wird es links vom hl. Johannes und rechts vom hl. Bernhard von Clairvaux flankiert. Die beiden Heiligen, die auch ikonografisch zusammenspielen – beide halten ein Kreuz als Attribut –, sind nicht zufällig abgebildet: Der heilige Johannes der Täufer steht am Beginn des Pilgerstroms nach Stams. Hingegen ist der 1174 heiliggesprochene Bernhard einer der bedeutendsten Vertreter des Zisterzienserordens, der auch in Stams hochverehrt wurde. Außerdem – auch hier wird die barocke Bildersymbolik offenbar – berichten Legenden von einer engen Verbindung des Mystikers zur Gottesmutter. Direkt über dem Gnadenbild aber, inmitten eines transzendenten Wolkenfensters und vom Licht umstrahlt, zeigt sich die Blutmonstranz – die kostbarste Reliquie des Stiftes, die über lange Jahre Ziel von Pilgern war. Auf dem barocken Kupferstich ist die Monstranz direkt über dem marianischen Bild dargestellt und wird solchermaßen als hochrangiger ausgewiesen; doch im Zentrum der Gesamtkomposition steht schon das Gnadenbild vom Guten Rat: Blutmonstranz und die beiden Heiligen scheinen lediglich einen gottgefälligen Rahmen zu bilden. KB

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Stams als dreifaches Wallfahrtsziel auf einem Andachtsbildchen von 1759

 

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Das älteste Stamser Urbar (Güterverzeichnis) aus dem Jahre 1282 und – darunterliegend – das Urbar von 1336

Christoph Haidacher

Die Bauern und die Grundherrschaft der Mönche

Mit der Gründung des Zisterzienserklosters Stams schuf Graf Meinhard II. für sich und seine Familie eine dynastische Grablege. Dies ganz den Vorstellungen der Zeit entspringende Vorhaben erforderte vom Stifter aber auch, seine Gründung mit der notwendigen wirtschaftlichen Ausstattung zu versehen und damit dessen Zukunft abzusichern. Die darüber am 12. März 1275 ausgestellte Urkunde legt Zeugnis davon ab, dass ihm dies ein überaus wichtiges Anliegen war: »Donavimus … villam totam in Stams …, advocaciam … in ecclesia parrochiali Sills … tres vaccarias in monte supra Stams sitas … curiam in Tanne … curiam in Staudach … advocaciam in ecclesia parrochiali Mays.« Das neugegründete Kloster erhielt also vom Landesfürsten – das besagen diese Zitate – das gesamte Dorf Stams, die Höfe im nahe gelegenen Thannrain und Staudach, drei Almen am Stamser Berg sowie die Vogteirechte in den Pfarren Silz und Mais.

Viele Güter musste Meinhard zuerst selbst erwerben, bevor er sie der Mönchsgemeinschaft schenken konnte. So gehörte das ganze Dorf Stams – und alles, was dazugehörte, zum Beispiel die nahe Innfähre mit dem Recht der Überfuhr – dem Ritter Ulrich Millo. Graf Meinhard zahlte ihm für jede Mark an jährlich zu erwartenden Einkünften zehn Mark, in der Summe 260 Mark. Was der Ritter an andere Lehensträger weitergegeben hatte, musste von diesen ebenfalls abgelöst werden. Und 24 namentlich genannte Stamser erhielten für ihre kleinen Hofstätten bares Geld. »Damit alle Klagen und alles Gemurre unter den Einwohnern von Stams für alle Zeit beschwichtigt werde«, heißt es in der betreffenden Urkunde.

Es sind vor allem landwirtschaftliche Güter, mit denen die junge Zisterze dotiert wurde. Dies darf nicht verwundern: Grund und Boden stellten im Mittelalter die Lebensgrundlage der Menschen dar. Im Gegensatz zu heute lebte damals der Großteil der Bevölkerung am Land, die Stadtbürger bildeten eine kleine Minderheit. Der Grund und Boden, den sie als Bauern bebauten, lieferte alles, was sie zu ihrem bescheidenen, oftmals kärglichen Leben brauchten. Aber auch dieherrschenden Schichten, König, Adel und Kirche, bezogen ihre materiellen Ressourcen zu einem beträchtlichen Teil aus Grund und Boden, denn sie waren dessen Besitzer und verliehen ihn gegen Abgaben und Dienste an ihre Bauern. Der Grundherr war aber nicht nur der Inhaber von Grund und Boden, sondern auch der Herr über alle, die ihn bebauten und darauf wohnten. Er gewährte ihnen Schutz und Hilfe, im Gegenzug war der »Grundholde« seinem Herrn zu Treue sowie zu Abgaben und Diensten verpflichtet. Dieses Geflecht rechtlicher, wirtschaftlicher und sozialer Elemente, das eine wesentliche Säule der mittelalterlichen Gesellschaftsordnung bildete, wird als Grundherrschaft bezeichnet; mit der Grundentlastung der Jahre 1848/49 fand sie ihr Ende. Auch für Stift Stams bedeuteten Grund und Boden, bedeutete seine Grundherrschaft über viele Jahrhunderte die wirtschaftliche und finanzielle Basis, ohne die dem Kloster die Lebensgrundlage gefehlt hätte.

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Unter den Gütern, die »Anno domini M-CC-LXXXX secundo« (1292) im Stamser Urbar eingetragen wurden, befindet sich ein Hof in »Stams«, einer in »Tanne« ( Thannrain) und zwei in »Haselach« (Haslach).