Cover

Dietmar Schönherr

Die blutroten Tomaten der Rosalía Morales

Ein Nicaragua-Roman oder
Das Zerbrechen einer Illusion

herausgegeben, kommentiert

und mit einem Nachwort

von Eberhard Sauermann

Vorwort des Herausgebers

Dietmar Schönherr hat das Zerbrechen einer Illusion mehrfach erlebt. Ursprünglich beabsichtigte er einen humorvollen Roman über Nicaragua zu schreiben – wohl nicht nur mit dem Ziel, seine Unterhaltungsqualitäten auf literarischem Gebiet unter Beweis zu stellen, sondern auch deshalb, weil er das Traurige, das zu sagen gewesen wäre, so nicht sagen wollte. Dieser Roman, Die blutroten Tomaten der Rosalía Morales, ist laut Untertitel eine Liebeserklärung an eine unwirsche Geliebte. Das geliebte Nicaragua, in das Schönherr mit seinen Entwicklungshilfe-Projekten viel investiert hat, hat ihm nicht nur Grobheiten beschert, sondern auch Enttäuschungen bereitet. Da zerbrach eine linke Illusion. Und während er an seinem Roman schrieb, zerbrach eine erzählerische Illusion: dass es möglich wäre, einen unterhaltsamen Roman zu schreiben, nachdem ein Hurrikan den Nicara­guanern Tod, Zerstörung und Elend gebracht hatte.

Herausgekommen ist ein Roman zum Lachen und zum Weinen. Oft muss man schmunzeln, auch wenn die Zustände mitunter zum Verzweifeln sind. Manchmal ist einem zum Heulen, obwohl die geschilderte Hilfsbereitschaft zur Hoffnung berechtigt.

Hier wird Schönherrs Nicaragua-Roman in der ­Version der Druckvorlage wiedergegeben. Der von Schönherr gewählte Untertitel wird zu Beginn des Textabdrucks wiedergegeben. Zu Beginn des Buchs findet sich jedoch ein neuer Untertitel, der nach der Vorstellung des Herausgebers sowohl auf den Bezug des Romans zu Nicaragua als auch auf seine Merkmale einer zerbrochenen Illusion aufmerksam machen soll.

Im Anschluss an den Textabdruck sollen ein Glossar der spanischen Ausdrücke – in alphabetischer Anordnung – und Erläuterungen einzelner Stellen – nach Seiten angeordnet – sowie eine Rekonstruktion von Entstehung und Hintergrund des Romans dessen Verständnis erleichtern. Der Bruch im Roman, den der Hurrikan verursacht hat, wird freilich auch ohne Kommentar sichtbar.

Epilog

Rosalía ist wieder schwanger.

Amado hat mir heimlich gestanden, daß er wieder ins Gefängnis will.

Der Verlag, dem ich die Nummer des Ausländerkontos von Adolfo Estéban Isauirre gegeben habe, hat eine erste Akonto-Zahlung überwiesen. Ich weiß das, weil Amado mich gestern gefragt hat, was denn das für eine Anweisung sei, die er da aus Europa erhalten habe. „Von einem Verlag“, sagt er ganz verwundert. „Das wird doch nicht für das schwachsinnige Zeug sein, das du seit Monaten zusammengekritzelt hast.“

Gott sei Dank muß ich nicht antworten, weil Rosalía in diesem Augenblick nach ihm ruft. „Der Film ist aus, bring mir endlich was zu trinken, eine Marguerita oder – warte – lieber noch eine Piña Colada.“

Als ich an Rosalías Hängematte vorbeigehe, um die Wäsche von der Leine zu nehmen, gibt sie mir einen Klaps auf den Hintern.

„Dichter“, sagt sie kaugummikauend, „wie würdest du unsere Situation beschreiben?“

Ich denke nach.

„Mit einiger Phantasie würde ich von einer Dreierbeziehung sprechen …“

„Das hätt’st du wohl gern“, gurrt sie und zwickt mich in die Hüfte.

Aus der Küche ruft Amado: „Ich vermute, liebste Rosalía, für dich ist das der Inbegriff von Emanzipation.“

Sie räkelt sich in der hamaca. „Unsinn“, sagt sie todernst, „unter gebildeten Leuten nennt man so etwas Entwicklungszusammenarbeit …“

Brief der Doña Rosalía Morales

an den Eichborn Verlag

(Übersetzt aus dem nicaraguanischen Spanisch von Padre Osmar Pedro Müller)

Sehr geehrte Herren Editores,

ich habe das Manuskript von unserem „Dichter“ unter seiner Matratze gefunden, als ich sein Zimmer aufräumte.

Unser Pfarrer, Osmar, ein Franziskaner, hat es mir übersetzt. Er hat mir auch erklärt, daß Dichter immer lügen und übertreiben.

Trotzdem muß ich sagen, daß die letzten Seiten des Buches eine „barbaridad“ ohnegleichen darstellen, weil die Phantasie so mit ihm durchgegangen ist.

Erstens: Wir haben kein Fernsehen. Wir wollen das unseren Kindern nicht antun.

Zweitens: Ich liege niemals in einer „hamaca“, weil mein Kreuz diese durchgebogene Haltung nicht aushält.

Drittens: Es ist eine Infamie zu behaupten, daß ich täglich an Gewicht zunehme.

Viertens: Es stimmt, daß die beiden Männer, die ich von Herzen liebhabe, alle Arbeit in und um das Haus erledigen.

Dafür bin ich sehr dankbar, denn das gibt mir die Muße, die ich brauche, um meiner jetzigen Arbeit nachzugehen.

Amado hat aus der Wand unseres Schlafzimmers ein großes Loch herausgebrochen, welches mit einem Holzladen verschlossen werden kann. Wenn mir danach zumute ist, schwenke ich diese „persiana“ wie eine Klappe an einem Scharnier nach draußen und befestige sie mit einem Spreizstab. Nun flutet das Licht in mein Zimmer, das ich auch mein Atelier nenne. Direkt neben dem Fenster steht eine Staffelei, an der ich im Sitzen meine Bilder male. Es sind Bilder der Welt, so wie ich sie sehe.

Das tausendfältige Grün der Pflanzen, der Büsche, Blumen und Bäume, die tausend verschiedenen Formen der Blätter, die Wellen unseres Sees, von lichtblau über türkis zu ultramarin, die Vögel des Waldes, die Tiere auf der Weide, aber ganz besonders die Menschen.

Meine Bilder wimmeln von Menschen, die lachen, arbeiten und Feste feiern. Viele Kinder laufen herum, spielen, schreien, schlagen Purzelbäume.

Und auf jedem Bild steht im Hintergrund der Doppel-Vulkan von Omotepe, wie ein praller, feuerspeiender Busen.

Ein Pater aus Managua, vom Orden der Trappisten, holt meine Bilder ab und verkauft sie in der Stadt – und sie finden reißenden Absatz.

Wenn Sie eine meiner pinturas sehen sollten – Sie erkennen sie daran, daß auf jedem cuadro, das ich male, ein großer, weißer Mann vorkommt, der mit einem Schreibblock und einem kleinen Bleistift ratlos herumsteht und die Szenerie um ihn herum verständnislos betrachtet.

Das ist meine kleine Rache am „Dichter“ und gleichzeitig die Verewigung eines lieben Menschen, der von unserer Welt so gut wie nichts verstanden hat.

Und dann trägt jedes Bild in der rechten unteren Ecke der Leinwand ein kleines r und ein kleines m. Und das ist Ihre

Unterschrift.jpg

Kommentar des ­Herausgebers

Erläuterungen
(nur beim erstmaligen Vorkommen)

Nicaragua, mi amor

Dietmar Schönherr: Nicaragua, mi amor. Tagebuch einer Reise und das Projekt Posolera. Mit Fotos von Werner Penzel. Wuppertal: Hammer 1985 (Peter-Hammer-Taschenbuch 32)

Krieg … Chamorro

Schlägerei und Wurf von Gemüse-Geschoßen bei der Übergabe des Bürgermeisteramts von Granada an Luis Jeronimo Chamorro Mora, 1996/97 Bürgermeister

Sandino

Augusto César Sandino (1895–1934), Guerillaführer im Widerstand gegen die US-Besatzung in Nicaragua

Die Ideen-Liste im Manuskript enthält die Titelvariante Sandino’s ungezogene Erben.

Anibal … Hijo Dilecto

Anibal Morales Barbarenas, 1985–1990 Bürgermeister von Granada, verlieh Schönherr 1988 den Titel „Hijo Predilecto de Granada“, in Nicaragua abgekürzt „Hijo Dilecto“ (geliebter Sohn).

Millionen Dollar

ca. 2,5 Millionen Dollar

1200 Córdobas

ca. 140 €

Casa de los Tres Mundos

Kulturzentrum in Granada, 1987 von Schönherr und Ernesto Cardenal gegründet

technische Direktor der „Casa“

Executive Director (CEO) der Casa de los Tres Mundos, seit 1992 Dieter Stadler

Moshammer

Rudolph Hans Albert Moshammer (1940–2005), deutscher Modedesigner

Güegüense

erstes Theaterstück Nicaraguas, Satire

Sidney Bechet

(1897–1959), kreolisch-amerikanischer Jazzmusiker, komponierte Petite fleur, bekannt geworden durch Chris Barber’s Jazz Band

Tutu

Ballettkostüm, ein Rock aus mehreren Schichten Tüll

Eddie Daniels

(*1941), US-amerikanischer Jazzmusiker

Achternbusch … nackerte Kugel

Der Mond ist nur a nackerte Kugel, Titel eines Films von Jörg Graser aus dem Jahre 1981; Herbert Achternbusch (*1938), deutscher Schriftsteller und Filmemacher

Matthias Claudius … aufgegangen

„Der Mond ist aufgegangen“, Anfangsvers des Gedichts Abendlied von Matthias Claudius (1740–1815); „Der Wald steht schwarz und schweiget, / Und aus den Wiesen steiget / Der weiße Nebel wunderbar“, weitere Verse der 1. Strophe

Doktor Schweitzer

Albert Schweitzer (1875–1965), deutsch-französischer Arzt, Philosoph und Theologe, Gründer eines Krankenhauses in Lambaréné im zentralafrikanischen Gabun

Nuevo Diario

nicaraguanische Tageszeitung

Gallo Pinto

traditionelles Gericht aus weißem, bereits am Vortag gekochtem Reis und gekochten roten Bohnen

Biolek

Alfred Biolek (*1934), deutscher Fernsehunterhaltungskünstler, Gestalter der Kochsendung Alfredissimo

Sandinisten

1979 Sturz des von der US-Regierung unterstützten diktatorischen Somoza-Regimes, Regierungsjunta mit Mitgliedern der Frente Sandinista de Liberación Nacional (FSLN, Sandinistische Nationale Befreiungsfront) und bürgerlicher Parteien, Ablösung durch den gewählten Präsidenten Daniel Ortega 1985, Herrschaft der FSLN bis 1990; gebührenfreie Schulpflicht für Kinder, Alphabetisierung, gesundheitliche Versorgung aller Menschen, Landreform u.a.

Contra

Contra-Krieg, ein von 1981 bis 1990 mit Unterstützung der US-Regierung geführter Guerillakrieg gegen die sandinistische Regierung, der 30.000 Tote zur Folge hatte und das Budget Nicaraguas enorm belastete

Tomás

Tomás Borge Martínez (1930–2012), Mitgründer der FSLN, Politiker, Innenminister, Schriftsteller

Wartburgs … Roburs

Pkw- bzw. Lkw-Marken der DDR

Borge

Victor Borge, eigentlich Børge Rosenbaum (1909–2000), dänisch-amerikanischer Pianist und Komödiant

Violeta

Violeta Barrios de Chamorro (*1929), Frau des Zeitungsverlegers Pedro Chamorro, den Somoza 1978 hat ermorden lassen, was die Opposition zur Unterstützung des Kampfs der FSLN gegen Somoza veranlasst hat; 1979 Mitglied der sandinistischen Regierungsjunta, 1980 Austritt, 1990–1997 Präsidentin

Gault-Millau

einflussreicher Restaurantführer französischen Ursprungs

Nicaragua Nicaragüita

Lied von Luis Enrique M. Godoy (*1945)

Garrobo

Grüner Leguan

Toots Thilemans

Jean-Baptiste Frédéric Isidor Baron Thielemans, genannt Toots Thielemans (1922–2016), belgischer Musiker

Garcia Lorca … la mar

„El barco sobre la mar“ („Das Schiff auf dem Meer“), Vers des Gedichts Romance sonámbulo von Garcia Lorca (1898–1936)

Ernesto Cardenal

(*1925), Dichter, Priester (Vertreter der Befreiungstheologie) und Politiker, FSLN, 1979–1987 Kulturminister

Nahuatl

meistgesprochene indigene Sprache Nord- und Zentralamerikas, Nahua-Völker in vorspanischer Zeit in Mexiko

Die Ideen-Liste im Manuskript enthält die Titelvariante Die wilden [sanften] rauflustigen Kinder der Nahuatl.

ein paar Meilen

120 Meilen

die Alemáns und die Daniels

Arnoldo Alemán (*1946), Alianza Liberal, 1997–2002 Präsident; Daniel Ortega (*1945), FSLN, 1979 Kopf der Regierungsjunta, 1985–1990 und seit 2006 Präsident

La Cucaracha

mexikanisches Revolutionslied

Venedikt Jerofejew

Schönherr las aus dem Roman Die Reise nach Petuschki von Venedikt bzw. Wenedikt W. Jerofejew (1938–1990) 1994 bei den Tiroler Volksschauspielen Telfs, 1995 im Atelier-Theater Bern und 1997 im Theater am Stadtgarten Winterthur.

Carlos Martínez Rivas

(1924–1998), nicaraguanischer Dichter

Coronel Urtecho

(1906–1994), nicaraguanischer Dichter

Le ciel … si calme

„Le ciel est, par-dessus le toit, / Si bleu, si calme“ („Es glänzt der Himmel über dem Dach / so blau, so stille“), Anfangsverse des Gedichts Le ciel est par-dessus le toit von Paul Verlaine (1844–1896)

Jaime Wheelock

Jaime Wheelock Román (*1946), Politiker, FSLN, Kommandant, Agrarminister

Papst

Johannes Paul II. (Karol Józef Wojtyła, 1920–2005), 1978–2005 Papst der römisch-katholischen Kirche

Gordo

Arnoldo Alemán, genannt El Gordo, der Dicke

Somoza

Anastasio Somoza Debayle (1925–1980), 1967–1972 und 1974–1979 Diktator bzw. Präsident, 1979 gestürzt

Obando

Miguel Obando Bravo SDB (*1926), Erzbischof von Managua, erster Kardinal Nicaraguas

Rubén Darío

(1867–1916), nicaraguanischer Schriftsteller

Die Ideen-Liste im Manuskript enthält die Titelvariante Momentaufnahmen aus dem Lande Ruben Darios.

Prozession von Christo-Yankee

benannt nach einer Christusstatue mit dicken Oberarmen oder nach einem muskulösen Nicaraguaner in der Rolle Christi

O Haupt voll Blut und Wunden

Kirchenlied, Text von Paul Gerhardt (1607–1676), Melodie von Johann Crüger (1598–1662)

Ladislav Mňačko

(1919–1994), slowakischer Schriftsteller, Verfilmung seines Romans Maják (Der Leuchtturm) 1972

Fidel

Fidel Alejandro Castro Ruz (1926–2016), kubanischer Revolutionär und Politiker, 1959 Regierungschef, Vorsitzender der Kommunistischen Partei, 1976–2008 Präsident

der alltägliche Faschismus … Bachmann

Im Roman Der Fall Franza von Ingeborg Bachmann (1926–1973) heißt es, der Faschismus fange nicht mit dem Abwurf von Bomben an, sondern in Beziehungen zwischen Menschen.

William-Walker-Film

Walker, Film von Alex Cox aus dem Jahre 1987 mit Ed Harris u.a.

bebt die Erde

In Nicaragua bebt die Erde mehrmals jährlich, manchmal mit verheerenden Folgen wie 1972 oder 1992.

Karikatur … SA-Roß

Manfred Deix (1949–2016), österreichischer Karikaturist, reagierte auf die Erklärung von Bundespräsident Kurt Waldheim (1918–2007), er sei nur mitgeritten – was dem Verschweigen seiner Tätigkeit in der NS-Zeit diente –, mit einer Karikatur, deren Text lautet: „DU BIST SCHULD, WENN I SPÄTER AMAL SCHWIERIGKEITEN KRIEG, DU SAUBLÖDES VIECH!“

Hurrikan „Mitch“

Der atlantische Hurrikan Mitch wütete vom 22. Oktober bis zum 8. November 1998 in Zentralamerika, wobei ca. 19.000 Menschen ums Leben kamen und Schäden von ca. 6 Milliarden € entstanden; in Nicaragua brach nach tagelangem Dauerregen der Vulkan Casitas auseinander, ca. 1.500 Menschen wurden unter einer Schlammlawine begraben.

Präsident

Arnoldo Alemán

Vizepräsident

Enrique Bolaños (*1928)

Hernández de Córdoba

Francisco Hernández de Córdoba (ca. 1475–1526), spanischer Konquistador, Gründer Granadas bzw. Nicaraguas

San Francisco

Kloster in Granada

Agnus … nobis

Bestandteil der heiligen Messe, in der Liturgie ein an Christus gerichtetes litaneiartiges Gebet („Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt, erbarme dich unser“)

Sag mir … Marlene

Sag mir, wo die Blumen sind, Lied von Pete Seeger (1919–2014), gesungen von Marlene Dietrich (1901–1992)

C.P.F.

Cuerpo de Protección Física

Posa

Marquis von Posa, Jugendfreund des spanischen Kronprinzen Don Karlos im gleichnamigen Drama Schillers

Immaculada

die Unbefleckte, Beiname Marias

Grassmayr

eine Petrus gewidmete Glocke für die neue Kirche San Pedro de Posolera, mit der Inschrift LA VOZ DE LA ESPERANZA

1986

Bau der Schule in La Posolera im Jahre 1986

Gisi

Gisela Kothbauer (Lebensdaten nicht ermittelt) berichtete Ende der 1980er Jahre über die Lebenssituation von Frauen in Honduras; sie war auch am Projekt La Posolera beteiligt, vor allem für die Hygiene zuständig.

Die Ideen-Liste im Manuskript enthält zur Titelvariante Der Rio Yaosca den Eintrag „Gisi Kothbauer“.

Angriff 86

Überfall der Contras auf La Posolera vom 12. April 1986

tausend manzanas

700 Hektar

Hans

Hans Mairhofer-Irrsee (1914–1998), österreichischer Bildhauer, Maler und Dichter

La Prensa

nicaraguanische Tageszeitung

Flucht in Ketten

Film von Stanley Kramer aus dem Jahre 1958 mit Tony Curtis u.a.

Abbott und Costello

Bud Abbott (1895–1974) und Lou Costello (1906–1959), US-amerikanisches Komiker-Duo der 1940er- und 1950er-Jahre

Kader

Einzelbild eines Filmstreifens

French connection

Film von William Friedkin aus dem Jahre 1971 mit Gene Hackman u.a.

William Tuttle

(1912–2007), US-amerikanischer Maskenbildner

F.S.L.N.

Frente Sandinista de Liberación Nacional

liberale Regierung

Alianza Liberal mit Arnoldo Alemán

Speedy Gonzales

Zeichentrick-Maus aus der Serie Looney Tunes von Warner Bros.

Instituto Cervantes

vom spanischen Staat mit dem Ziel gegründetes Institut, die spanische Sprache zu fördern und zu verbreiten sowie die Kultur Spaniens und aller spanischsprachigen Länder im Ausland bekannt zu machen

Padre Osmar Pedro Müller

Osmar Pedro Müller (1931–1986), 1980–1986 Pater in Waslala und La Posolera

Biographie Dietmar Schönherrs

Geboren am 17. Mai 1926 in Innsbruck, gestorben am 18. Juli 2014 in Santa Eulària des Riu auf Ibiza.

Großvater General, Vater Major, später Generalleutnant. Gymnasium in Innsbruck und Potsdam, Notabitur. 1943 erster Spielfilm Junge Adler bei UFA. Mai 1944 Kriegsfreiwilliger als Fahnenjunker bei den Gebirgsjägern, April 1945 Desertion. Nach dem Krieg Landarbeiter, Beginn eines Architekturstudiums. 1947 Radiosprecher, Regisseur, Redakteur beim ORF, Hörspiel. Ab 1952 beim NWDR/WDR Sprechertätigkeit, Synchronsprecher (James Dean, Sidney Poitier, Gérard Philipe, Steve McQueen), Hörbücher.

Theater: Rollen in Stücken von Schiller, Havel, Kleist, Dürrenmatt, Turrini, Frisch, O’Neal, Shakespeare, Brecht, Goldoni, Strindberg, Tschechow, Molnar, Horvath, Bond. Spielstätten: Exl-Bühne Innsbruck, Contra-Kreis-Theater Bonn, Theater in der Josefstadt Wien, Theater an der Wien, Salzburger Landestheater, Tiroler Landestheater Innsbruck (letzte Rolle King Lear, 1999), Komödie Berlin, Renaissance-Theater Berlin, Habimah Tel Aviv, 15 Jahre Zürcher Schauspielhaus. Übersetzung von Theaterstücken. Mitgründer und Leiter der Tiroler Volksschauspiele in Hall bzw. Telfs (1981–1985).

Filme: Rollen in über 100 Kino-Spielfilmen, zuletzt Sigmund Freud (2006). Eigene Filme: Dokumentarfilme über Afrika und Indien, Spielfilme Lachotzky (1969, Buch und Regie), Kain (1972, Buch, Regie, Produktion und Verleih).

Fernsehen: Zahlreiche Produktionen als Schauspieler, Moderator, Regisseur. Science-Fiction-Serie Die phantastischen Abenteuer des Raumschiffes Orion (1965, Erstausstrahlung 1966 ARD, 2003 als Kinofilm), Gala-Abend der Schallplatte Berlin (1967 und 1969, mit Vivi Bach), Fernsehshow Wünsch dir was (1969–1972, mit Vivi Bach), Talkshow Je später der Abend (1973/74).

Schallplatten: Über ein Dutzend Singles, ein paar davon gemeinsam mit Vivi Bach.

Bücher: Nachdichtung, Kinder- und Jugendbücher, Reportage, Romane, Novelle.

Politische Arbeit: 1970 Wahlkampf für Bruno Kreisky, SPÖ. Ab 1982 Friedensbewegung, Blockaden, Reden, Kirchentage-Predigten. Ab 1985 Nicaragua-Engagement: Aufbau des Dorfs La Posolera, ab 1987 Kulturzentrum Casa de los Tres Mundos in Granada, nach dem Hurrikan Mitch 1999 Aufbau des Dorfs Los Ángeles/Malacatoya.

Ehrungen und Preise: 1971 Goldene Kamera, 1972 Bambi, 1974 Deutscher Schallplattenpreis, 1988 Hijo Predilecto de Granada, 1994 Würth-Preis der Jeunesses Musicales Deutschland, 1999 Goldene Kamera und Heinz Galinski-Preis, 2005 Change the World-Award und Deutscher Fernsehpreis, 2008 Verdienstkreuz des Landes Tirol, 2010 Egon Ranshofen-Wertheimer-Preis der Stadt Braunau am Inn, 2011 Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse.

Privates: Von 1965 bis zu ihrem Tod 2013 verheiratet mit Vivi Bach.1

Entstehung des Romans

Dietmar Schönherrs Nicaragua-Roman hat eine Vorgeschichte. Ein Thema dieses Romans wurzelt im Bemühen Schönherrs, mit künstlerischen Mitteln gegen Krieg und Gewalt aufzutreten. 1972 machte er den Film Kain, nach eigener Aussage gerichtet „gegen die Unmenschlichkeit, gegen Brutalität, gegen alle möglichen Schweinereien, die so ganz beiläufig auf unserer Welt passieren“.2 Der Film, bei dessen Uraufführung in Wien der SPÖ-Vorsitzende Bundeskanzler Kreisky anwesend war, wurde allerdings zu einem kommerziellen Fiasko.

In den 1980er Jahren kam in Schönherr das Bedürfnis auf, seine sozialen bzw. politischen Einstellungen literarisch umzusetzen. 1982 inszenierte er bei den Tiroler Volksschauspielen seine Neuinterpretation des im Nationalsozialismus umgedeuteten Stücks Glaube und Heimat von Karl Schönherr aus dem Jahre 1910 (Vertreibung der Protestanten aus Tirol in der Gegenreformation), 1984 seine tirolische Nachdichtung der Aristophanes-Komödie Die Acharner (Pazifist vs. Militarist), das Stück Job und der Frieden. (2014 druckte der Verlag Ephelant das Drama.)3 Auch für künstlerische Freiheit im Kampf gegen kulturelle Engstirnigkeit und klerikale Machtansprüche setzte er sich ein: als die Stadt Hall Felix Mitterers Stück Stigma wegen angeblicher Obszönität und Religionsverhöhnung aus dem Programm nehmen wollte, übersiedelte er mit den Tiroler Volksschauspielen nach Telfs.

1985 erschien im Verlag Hammer sein Jugendroman ­Liberté und die Wölfe,4 ein modernes Märchen von einem jungen Schafhirten, der zum Vorkämpfer für Frieden und Gewaltlosigkeit wird, aber zuletzt ohnmächtig zusehen muss, wie der Menschheit neues Unheil droht – eine Metapher von der ständigen Gefährdung der Freiheit. (2006 brachte der Verlag Ephelant den Roman in einer vom Autor überarbeiteten Version neu heraus.)5 Ebenfalls 1985 bei Hammer erschien Schönherrs Reportage über seine Reise durch Nicaragua, Nicaragua, mi amor.6 Diesem Buch sprach Franz Alt in seiner Rezension im Spiegel prophetisch jene innere Kraft zu, „die der Entwicklungshelfer Dietmar künftig brauchen wird, um an den ideologischen Kleingeistern hier und dort nicht zu verzweifeln“.7

Dann war Schönherr über 10 Jahre lang mit der konkreten Umsetzung seiner sozialpolitischen Ideen in Nicaragua beschäftigt. Ende der 1990er Jahre entschloss er sich, seine Erfahrungen literarisch zu verarbeiten. Das geschah wohl aus Freude an kreativer Gestaltung, aber auch in der Hoffnung, damit zur Unterstützung seiner Solidaritätsprojekte anzuregen.

2015 erwarb das Forschungsinstitut Brenner-Archiv der Universität Innsbruck das Manuskript und die Typoskripte des Romans Die blutroten Tomaten der Rosalía Morales,8 wodurch ein Einblick in dessen Genese ermöglicht wird. Der Rufpreis bei der Auktion des Dorotheums betrug 1.000 €, was als teure Ausnahme unter den überwiegend günstigen Angeboten galt.9 In jenem Teil des Schönherr-Nachlasses, der im Tiroler Filmarchiv verwahrt ist, finden sich offenbar keine Materialien zu diesem Roman.10

Im Manuskript hat Schönherr ein Dutzend Titelvarianten ausprobiert, von denen eine übriggeblieben ist: die roten Tomaten der Rosalia Morales. Die leichte Veränderung, die der Titel schließlich erfahren hat, könnte man als Anspielung auf das blutige Geschäft der Revolution oder die tödlichen Folgen von Naturkatastrophen sehen, angesichts der humorvoll-ironischen Grundtendenz des Romans handelt es sich aber wohl um eine harmlose Farbverstärkung. Wie überhaupt Schönherr letztlich einen Titel bevorzugt hat, der durch Nennung einer Gemüsesorte harmlos-belustigend wirkt und durch Nennung eines spanischsprachigen Personennamens auf ein fernes Land hinweist. Wie der Leser zu Beginn des Romans erfährt, sind die Tomaten der Rosalía Morales freilich Wurfgegenstände bei einer Demonstration, also Akt eines politischen Protests.

Unter den verworfenen Titeln finden sich auch so vielsagende wie Die Revolutiong in den Mühen der Ebene versandet (mit einer Anspielung auf eine bundesdeutsche Aussprache), außerdem welche mit Lokalkolorit wie Unter dem Mombacho (Vulkan) oder Um Mitternacht singt der Pocoyo (Vogelart). Der als letzter in Erwägung gezogene Titel, Kinder des Vulkans, hätte nicht einer exotischen Romantisierung dienen sollen, sondern ist der Name von Schönherrs neuem Hurrikankatastrophen-Projekt. Dass Schönherr auf dem Titelblatt seines Romans in einem Typoskript ein Foto von einem Vulkan aufgeklebt hat, ist Ausdruck seiner Auffassung von dessen Ambivalenz: einerseits ein prachtvoller Kegel, andererseits mit der über ihm schwebenden Dampfwolke eine permanente Bedrohung, sei es durch Lavamassen, sei es durch Wassermassen, wie es 1998 nach dem Bersten der Kraterwand des Casitas der Fall war, als tausende Einwohner Nicaraguas von einer Schlammlawine lebendig begraben wurden.

Etliche zu Beginn der Niederschrift notierte Ideen oder „Geschichten“ – wie Schönherr sie bezeichnet – sind nicht ausgeführt worden, darunter welche, deren Funktion man sich einigermaßen vorstellen kann: „Das Greenpeace-Schiff“, „Die Reise nach Panama“, „per Auto nach Peru“, „der Angriff – die Toten“. Bei anderen Einträgen muss hingegen offenbleiben, wozu sie dienen sollten. Das betrifft nicht nur vage Formulierungen wie „Wo die Compañeros sind – wo sind sie geblieben …“ oder „Buchmesse“, sondern auch historische Personen wie Paul Dessers, belgischer Entwicklungshelfer in Nicaragua (erschossen von einem betrunkenen Soldaten), Alan Bolt, nicaraguanischer Dramatiker, Carlos Argüello, nicaraguanischer Filmemacher, Roman Herzog, damaliger Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, und Federico Fellini, italienischer Filmemacher.

Unter den von Schönherr notierten historischen Personen findet sich eine, die von besonderem Interesse ist, weil sie ebenfalls aus Tirol stammt und offenbar von Schönherr im höheren Alter gebeten worden ist, die Verantwortung für das Projekt Casa de los Tres Mundos zu übernehmen.11 Deshalb soll sie samt ihrem eigenen Projekt hier näher vorgestellt werden. Sigmund Kripp, 1928 in Absam geboren, 1951 Eintritt in den Jesuitenorden, Studium der Philosophie und Theologie, Erziehertätigkeit in Wien, New York und El Paso, 1959 Leiter der Marianischen Kongregation der Innsbrucker Gymnasialjugend, Aufbau des größten Jugendzentrums Europas. Nach der Veröffentlichung seines Buchs Abschied von morgen wurde Kripp 1973 von Bischof Paulus Rusch gezwungen, von seinem Amt zurückzutreten, später wurde er aus dem Jesuitenorden ausgeschlossen. Er wurde Leiter des Jugendhauses in Fellbach und übernahm die Professur für Sozialpädagogik an der FH Esslingen. 1985 ging er als politischer Berater des Sozialministers Fernando Cardenal (Ernestos Bruder) nach Nicaragua und wirkte als Fortbildner für Erzieher und Sozialpädagogen. Er führte Drittmittel-finanzierte Projekte zur Resozialisierung und Integration von Straßenkindern in Managua durch, von denen er eines adoptierte. Daneben war er jahrelang als Lektor im Bereich Entwicklungspolitik an der Universität Klagenfurt tätig.12

Nach der Abwahl der Sandinisten begann Kripp mit dem Projekt Parque Maritimo el Coco13 an der Pazifikküste, wo viele Einwohner Analphabeten waren und vom Schildkröteneiersammeln dürftig lebten. Sein Projekt sollte dem sanften Tourismus dienen, die Einkünfte aus der Vermietung von Bungalows und der Führung eines Restaurants sollten großteils in die Bildung gesteckt (Grundschule, Ausbildung bis zur mittleren Reife, Stipendien für Studienplätze, Fortbildung von Erwachsenen), aber auch für soziale Unterstützung und zur Verbesserung der Landwirtschaft verwendet werden. Aus dem Innsbrucker Freundeskreis Kripps wurden die finanziellen Mittel für eine Werkstatt mit Lehre in verschiedenen Handwerken und für eine Personalunterkunft zur Verfügung gestellt.14

Wie Kripp in einem Rundschreiben an diesen Freundeskreis vom Oktober 2004 betont, sei Hilfe zur Selbsthilfe am geeignetsten, Armut zu überwinden und Not zu vermeiden. Im Oktober 2011 erörtert er grundsätzliche Probleme der Entwicklungshilfe:

Kripp stellt in Frage, den Einwohnern Nicaraguas Lebensregeln vorzugeben – in einem Land, wo Flexibilität wichtiger sei als Verlässlichkeit und Selbstdisziplin, wo Ehrlichkeit und Vertrauen die Überlebenschancen verringern könnten, wo in der kolonialen Vergangenheit Verantwortung dem Patron zugeschoben worden sei. Selbst wenn man ihnen die Erfordernisse einer Leistungsgesellschaft aufzuzwingen vermöchte, wäre nicht zu verhindern, dass viele der materiellen Not nicht entkämen und diese dann umso stärker verspürten, weil sie sich um die Zukunft zu sorgen begännen, während sie bisher im Heute lebten. Angesichts dieser Probleme helfe ihm der Blick auf kleine Erfolge: „gelungene Schulabschlüsse, geschaffene Arbeitsplätze, erneuerte Gebisse, stabilisierte Familien“.

Abgesehen von den nicht ausgeführten Ideen des Romanentwurfs ist auch eine substanzielle Änderung auszumachen, deren Ausgangsbasis sich nicht auf dem Papier nachweisen lässt, sondern nur im Kopf des Autors bestanden hat. Der Hurrikan Mitch war Grund für eine Abkehr vom ursprünglichen Erzählkonzept, das wohl als humorvoll-ironische Erzählung angelegt war. Schönherr räumt Wolfgang Heim vom SWR gegenüber ein, der Hurrikan habe einen „Bruch“ im Buch bewirkt.15 Wie er in einem Interview mit Kathrin Bergenthal vom Online-Kultur- und Reisemagazin caiman dazu näher ausführt, habe er einen großen Teil des Romans bereits in Europa geschrieben, bevor der Hurrikan kam: „Ich sah hautnah, was diese Schlammlawine verursacht hatte. Der Plan des Buches war älter, aber das konnte ich ja nicht ignorieren, das musste rein. Die Wirklichkeit hat mich einfach überrumpelt, und es ist anders geworden, als ich eigentlich gedacht hatte. Der Roman ist dann doch sehr ernst über weite Teile, verliert diesen satirischen Unterton.“16

Nach seiner Aussage habe ihn der Roman über Jahre hinweg gedanklich beschäftigt, daran geschrieben habe er zwei Jahre, in Nicaragua, in Ibiza und auf Reisen.17 Was sich dabei nur in seinem Kopf abgespielt hat – wie Aufbau, Handlung, Figuren und Erzählweise – und was auf Zetteln entworfen wurde, lässt sich nicht mehr klären. Zwar weisen viele Passagen im frühesten erhaltenen Textzeugen keinerlei Korrekturen auf, einer Reinschrift gleich, aber die Niederschrift beginnt mit einer stichwortartigen Notiz von Ideen, d.h. Ereignissen, Namen und Themen, sowie von Titelvarianten.

Man kann annehmen, dass Schönherr für den Roman auch Tagebücher herangezogen hat, wie das schon bei Nicaragua, mi amor der Fall war. Auch auf die Reportage selbst hat er zurückgegriffen, wie einige Parallelstellen belegen: „Bergketten … Theaterkulissen“ – „Die Bergketten in der Ferne stehen im Sonnenglast wie flache Theaterkulissen“; „Bergkopfes … Leuchtspurmunition“ – „Geschosse fliegen wie an leuchtenden Fäden vom Dorf zu einem pyramidenartigen Bergkegel, verglühen an der oberen Spitze. ‚Zielübungen‘, sagt Justo, ‚Leuchtspur‘“. Das betrifft aber nicht nur Bilder, sondern auch Inhalte bzw. Haltungen. Man vergleiche die Nennung der „großen Dichter“ Nicaraguas, Rivas und Urtecho, mit einer Stelle in der Reportage: „Als ich dann nach den großen Schriftstellern Nicaraguas von heute frage, schwärmen sie von Carlos Martínez Rivas, der aber zu wenig veröffentlicht und an Weltruhm kein Interesse hat. Und von José Coronel Urtecho, dem großen alten Mann der Literatur.“ Die Aussage, „die Revolution ist die Liebe“, erinnert an eine in der Reportage: „Kulturpolitik der Stille, der Milde, der Liebe, wie es Ernesto sagt: Die Revolution ist die Liebe“. Auch die Aussage, „Ihr habt den Quälgeist Somoza zum Teufel gejagt, was uns mit unserem grandiosen Führer nicht gelungen ist“, hat dort ihr Vorbild: „Die haben eben ihren ‚Hitler‘ selbst rausgeschmissen, sie haben Gründe, stolz zu sein.“18

Bei der genannten Niederschrift handelt es sich um ein Heft, das Schönherr im März 1997 vom anderen Ende her mit einem Briefentwurf an den Münchner Oberbürgermeister Christian Ude über die Wehrmachtsausstellung angelegt hat. Begonnen hat er die Niederschrift noch im Jahre 1997, beendet hat er sie Ende 1998 (1 H).19 Dann entsteht ein – nur zur Hälfte überliefertes – Typoskript mit ein paar handschriftlichen Änderungen (2 T und 3 H).20 Die nächste Stufe stellt ein Typoskript dar, das maschingeschriebene Einschübe und einige 1999 durchgeführte handschriftliche Änderungen aufweist (4 T und 5 H).21 Vom letzten Textstand wird ein Typoskript angefertigt, das Ende Mai 1999 vorgelegen ist (6 T).22 Wahrscheinlich ist es dieses Typoskript, das Schönherr seiner Literaturagentin, Ingeborg Rose, geschickt hat; jedenfalls hat sie ihm in einer Phase des Entstehungsvorgangs etliche Änderungsvorschläge unterbreitet.23 Das handschriftlich überarbeitete Typoskript (7 H)24 schickt er Ende Juli als Druckvorlage an sie.25 Davon lässt sie eine – nicht überlieferte – maschinschriftliche Abschrift in ‚Verlagsnorm‘ herstellen, wobei die Schreibkraft angeblich noch kleine orthographische Änderungen vornimmt.

Ein Exemplar dieser Abschrift, des Verlagsmanuskripts, schickt Rose Anfang September an den Autor, die anderen an mehrere Verlage,26 vor allem an renommierte Literaturverlage wie Hoffmann und Campe, Kiepenheuer & Witsch, Piper und Rowohlt, aber auch an für ihre massentaugliche Literatur bekannte Verlage wie Bastei-Lübbe und Droemer.27 Sie alle lehnen das Angebot ab oder ignorieren es sogar. Aber Eichborn, ein Frankfurter Publikumsverlag, entscheidet sich dazu, den Roman zu drucken. Nach Durchführung einiger Korrekturen auf Wunsch des Lektorats28 erscheint er im August 2000 (8 D)29. Eine gekürzte Lesefassung kommt im Hörbuch-Hamburg-Verlag heraus (9 A).30 Eine Taschenbuchausgabe erscheint 2002 im Münchner Heyne-Verlag (10 D);31 sie ist abgesehen von Untertitel, Klappentext und Satzspiegel identisch mit der Ausgabe bei Eichborn.

Auf dem Schutzumschlag bzw. Cover des Buchs ist – in der Gestaltung der Eichborn-Mitarbeiterin Moni Port – ein bekanntes Bild der naiven Malerei Lateinamerikas zu sehen, Obstverkäuferin von Olga Costa,32 auf dem eine Frau dem Käufer bzw. Betrachter eine rote Frucht anbietet – wenn auch keine Tomate.