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Architekturführer Innsbruck

Architectural guide Innsbruck

 

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erscheint als
Schriftenreihe des Archivs für Baukunst

Band 10

ARCHITEKTURFÜHRER
INNSBRUCK

ARCHITECTURAL GUIDE INNSBRUCK

Christoph Hölz, Klaus Tragbar, Veronika Weiss (Hrsg. / eds.)

mit Beiträgen von
Maximiliane Buchner, Ekkehard Drach, Ilona Dudziński,
Bea Fröis, Sunna Gailhofer, Lena Ganahl, Doris Hallama,
Christoph Hölz, Magdalena Hörmann (†), Stefan Klausner,
Angelina Köb, Elmar Kossel, Juliane Mayer, Petra Mayrhofer,
Joachim Moroder, Sonja Schlögl, Klaus Tragbar,
Christiane Weber, Veronika Weiss und Sophie Elaine Wolf

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INHALTSVERZEICHNIS
TABLE OF CONTENTS

Vorbemerkung / Preliminary remarks

Siedlungsgeschichtlicher Überblick / History of settlements

Stadtbaugeschichte / History of urban development

Kritische Bemerkungen zur baulichen Entwicklung Innsbrucks nach 1945 und dem Umgang mit dem architekturhistorischen Erbe /

Critical remarks on the structural development of Innsbruck after 1945 and on dealing with the architecture-historical heritage

Übersichts-Stadtplan / Map overview

Führer durch die Stadt / Guide through the city

Altstadt & Innere Stadt (Mariahilf, St. Nikolaus, Saggen, Dreiheiligen, Schlachthof)

Wilten

Hötting

Mühlau & Arzl

Pradl & Amras

Vill & Igls

Register / Indices

ArchitektInnenregister / Index of architects

Objekt- und Baugattungsregister / Index of objects and building types

Historisches Register / Historical index

Straßenregister / Index of streets

AutorInnenregister / Index of authors

Abbildungsnachweis / Index of images

Ausgewählte Literatur / Selected bibliography

Dank / Thanks

VORBEMERKUNG / PRELIMINARY REMARKS

Mit dem Architekturführer Innsbruck wird erstmals ein Leitfaden durch die Architektur- und Stadtbaugeschichte vorgelegt, der vom römischen Lager Veldidena, der mittelalterlichen Marktsiedlung und herzoglichen Renaissance- und Barockresidenz bis in die Gegenwart der modernen Landeshauptstadt reicht. Die rund 1000jährige Architekturgeschichte Innsbrucks reicht damit vom ältesten erhaltenen sakralen Baudenkmal, dem romanischen Rundkirchlein St. Bartlmä, über die bedeutendsten historischen Bauten wie dem Goldenen Dachl bis hin zu den jüngsten Entwicklungen wie dem viel diskutierten Haus der Musik. Insgesamt wurden mehr als 260 Bauten aus allen Bauepochen ausgewählt, beschrieben und analysiert.

Der vom Archiv für Baukunst herausgegebene Architekturführer knüpft damit zwar an die beiden inzwischen vergriffenen Bücher von Friedrich Achleitner, „Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert“, der die Zeit von 1900 bis 1980 erfasste, und von Otto Kapfinger, „Bauen in Tirol seit 1980“, der ausschließlich die zeitgenössische Architektur bis 2004 betrachtete, an, versucht aber, diese Darstellungen einer Moderne „ohne Geschichte“ durch eine breitere historische Perspektive zu ergänzen und Tradition und Moderne, Vergangenheit und Gegenwart gleichermaßen zu behandeln.

Das Buch erscheint zweisprachig in Deutsch und Englisch und wendet sich bewusst an eine breitere Öffentlichkeit. Als Vademecum begleitet der handliche Architekturführer den interessierten Leser beim Rundgang durch die verschiedenen Stadtteile Innsbrucks. Die Eintragung aller Objekte in übersichtliche Pläne und die farbliche Differenzierung der einzelnen Kapitel erleichtern die Orientierung vor Ort und erlauben eine einfache Benutzung. Eine durchgehende Bebilderung mit Fotografien, die der Münchner Fotograf Quirin Leppert zusammen mit Studierenden der Architektur und Kunstgeschichte im Rahmen von Lehrveranstaltungen an der Universität Innsbruck angefertigt hat, und die Illustration durch Grundrisse, Schnitte oder Lagepläne tragen zum Verständnis der Bauten bei.

Spezieller Dank gelten Magdalena Hörmann (†) und Lukas Madersbacher für kritisches Gegenlesen der Texte sowie dem Verlagsleiter Markus Hatzer und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Aufnahme in das Verlagsprogramm und die sorgfältige Gestaltung und Herstellung des Buches.

Die Herausgeber

The “Architekturführer Innsbruck” is the first to present a guide to the architectureal and urban history of the town, ranging from the Roman camp Veldidena, the medieval market settlement and the ducal Renaissance and Baroque residences to the present day of the modern regional capital. The approximately 1000 years of Innsbruck’s architectural history extends from the oldest preserved sacral monument, the Romanesque church of St. Bartlmä, across the most important historical buildings such as the Goldenes Dachl to the latest developments such as the Haus der Musik. A total of more than 260 buildings of all building eras were selected, described and analysed.

The architectural guide, published by the Archiv für Baukunst, links the books by Friedrich Achleitner, “Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert” which covered the period from 1900 to 1980, and Otto Kapfinger’s “Bauen in Tirol seit 1980”, which looked exclusively at contemporary architecture until 2004, but tries to supplement these representations of a Modernity “without history” with a broader historical perspective and to treat tradition and modernity, past and present alike.

The book is bilingual in German and English and deliberately addresses a broader public. As a vademecum, the handy architecture guide accompanies the interested reader during the tour through the different parts of Innsbruck. The entry of all objects into clear plans and the colour differentiation of the individual chapters facilitate the orientation on location and allow an easy use. A continuous illustration with photographs by the Munich photographer Quirin Leppert together with students of architecture and art history at the University of Innsbruck (within in the range of lectures and seminars), the visualization by floor plan, section or site plan, help to understand the buildings.

We would like to especially thank Magdalena Hörmann (†) and Lukas Madersbacher for critical proofreading of the texts as well as the publishing director Markus Hatzer and his staff for inclusion in the publishing program and the careful design and production of the book.

The editors

SIEDLUNGSGESCHICHTLICHER ÜBERBLICK
HISTORY OF SETTLEMENTS

Die ältesten Besiedlungsspuren im Raum Innsbruck finden sich nicht in der vom Inn durchzogenen, sumpfigen Flussebene, sondern in den das Inntal begrenzenden Hügeln. In Hötting und am Bergisel wurden jungsteinzeitliche Siedlungen nachgewiesen, am Sillschwemmkegel südlich des heutigen Stadtgebiets fanden sich Spuren der Urnenfelderkultur aus dem 1. Jahrtausend v. Chr. Das Wiltener Urnenfeld, in dem über 150 Bestattungen von 1.000 bis 500 v. Chr. nachgewiesen wurden, ist das größte in Tirol.

Ebenfalls südlich von Innsbruck, im Bereich des heutigen Stadtteils Wilten zwischen Bergisel und Sill, lag das römische Kastell von Veldidena und die Zivilsiedlung. Die ursprüngliche Herkunft des Namens ist unklar, jedoch leitet sich die heutige Bezeichnung von dem römischen Siedlungsnamen ab, was auf eine Siedlungskontinuität zumindest im Bereich des Stifts Wilten hindeutet. Die Entfernungen von Veldidena zu anderen römischen Siedlungen werden im „Itinerarium Antonini“ aus dem 3. Jh. in römischen Meilen angegeben, die hier aufgefundenen Meilensteine bestätigen diese Verortung. In römischer Zeit befand sich der Übergang über den Inn bei Teriolis, dem heutigen Martinsbühel bei Zirl. In Veldidena trafen sich zwei römische Fernstraßen, die Brennerstraße und die Inntalstraße, der Ort war im 1. Jh. n. Chr. eine wichtige Etappenstation und ein Versorgungsstützpunkt auf dem Weg nach Norden zum Donaulimes und nach Augusta Vindelicorum (Augsburg).

Schon im 16. Jh. wird von Funden berichtet. Erste wissenschaftliche Ausgrabungen fanden 1916/17 statt, bei denen südwestlich des Kastells Straßenreste und Gräber aufgedeckt wurden. 1922 wurden bei Grabungsarbeiten nördlich von Stift Wilten Mauerreste entdeckt, 1953 fand man die Grundmauern eines spätrömischen Kastells. Diese nahezu quadratische Anlage mit 72 m Seitenlänge hatte an jeder Ecke einen quadratischen sowie einen kleineren Turm mittig an jeder Längsseite. Innerhalb der Umfassungsmauer befand sich an der Nord- und Südseite jeweils über die gesamte Länge ein dreischiffiges Lagerhaus. Der Hofbereich dazwischen war unbebaut. Außerhalb der befestigten Anlage befand sich, parallel zu den beiden anderen, ein weiteres, gleich großes Lagerhaus. Diese Bauten entstanden im 2./3. Jh., als Veldidena an Bedeutung zunahm. Zwei davon wurden später durch die Kastellmauer befestigt. Aufgrund von Münzfunden und ähnlichen Anlagen in Vorarlberg und der Ostschweiz wird das Kastell von Veldidena ans Ende des 3. Jh. datiert.

Die Gräber im Westen der Brennerstraße sowie östlich der Sill sind für die genaue Lokalisierung der römischen Zivilsiedlung von Bedeutung, die vermutlich schon Mitte des 1. Jh. entstand. Danach erstreckte sich Veldidena ungefähr von der Bahnlinie im Norden bis zum Bergisel im Süden und von der Sill im Osten bis zur Brennerstraße im Westen.

Da Sill- und Inntal bis ins 6. Jh. vom Stamm der Breonen, einem rätischen, später romanisierten Stamm bewohnt wurden, wird auch für die Zivilsiedlung von Veldidena eine überwiegend breonische Bevölkerung angenommen, die mit der Zeit romanisiert wurde und sich mit anderen zugewanderten Bevölkerungsgruppen vermischte. Wie Funde belegen, unterhielten sie alle rege Handelsbeziehungen mit Italien und anderen Provinzen. Ende des 6. Jh., als die Bajuwaren über das Inntal nach Süden bis über den Brenner vordrangen, weisen Brandschichten auf eine Zerstörung von Veldidena hin, das zu dieser Zeit möglicherweise schon ohne militärische Besatzung war. Durch die von Süden einsetzende Christianisierung wird eine erste klosterartige Ansiedlung im Bereich von Veldidena vermutet, noch bevor um das Jahr 1128 an dieser Stelle das Prämonstratenserkloster im Zentrum der römischen Siedlung gegründet wurde. Eine Siedlung Wilten nördlich des Klosters wird erst Anfang des 9. Jh. wieder erwähnt. Im 12. Jh. verschob sich das Siedlungszentrum weiter nach Norden und entwickelte sich in der Folge zu beiden Seiten der Innbrücke zur heutigen Stadt Innsbruck. PM

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Grabbeigaben der Nekropole Innsbruck – Wilten/Veldidena: Militärgürtel, Bronze; Zwiebelknopffibel, feuervergoldete Bronze; Faltenschale, Glas; Münze des Kaisers Valens II., Bronze. Datierung: ca. 400/425 n. Chr. Foto: Tiroler Landesmuseen

The oldest settlement traces in the Innsbruck area are not to be found in the marshy river plain embedding the Inn, but on the hills surrounding the Inn valley. Neolithic settlements were verified in Hötting and at the Bergisel. Traces of the Urnfield culture from the first millennium BC were found on the alluvial of the Sill river, south of the present city district. The Urnfield of Wilten, where more than 150 burials from 1000 to 500 BC are proven, is the largest in Tyrol.

The Roman fort of Veldidena and the civilian settlement were also located south of Innsbruck, in the region of today’s district Wilten, between the Bergisel and the Sill. The origin of the name is unclear, but today’s name is derived from the Roman settlement name, which indicates a settlement continuity at least in the region of the Wilten monastery. The distances from Veldidena to other Roman settlements are indicated in Roman miles in the “Itinerarium Antonini” from the 3rd century. The milestones found here confirm this location.

In Roman times the crossing over the Inn was located near Teriolis, today’s Martinsbühel near Zirl. In Veldidena two Roman long-distance roads met, the Brennerstraße and the Inntalstraße, and the location was an important stopping and supply point on the way north to the Danube-Limes and to Augusta Vindelicorum (Augsburg) in the 1st century AD.

Findings were reported as early as the 16th century. The first scientific excavations took place in 1916/17, during which road remains and graves were discovered to the south-west of the fortress. In 1922, during excavations north of the Wilten monastery, wall remains were found. In 1953, the foundation walls of a late Roman fort were found. This virtually square complex with a 72 m side length had a square tower at each corner as well as a smaller tower at the centre of each longitudinal side. Two three-nave warehouses were located within the enclosing wall, along the north and south sides over the entire length. The courtyard area in between was undeveloped. Outside the fortified structure there was another warehouse of the same size parallel to the two others inside. These buildings were errected in the 2nd or 3rd century, when Veldidena grew in importance. Two of them were later fortified by the castle wall. The fort of Veldidena is dating back to the end of the 3rd century, due to coin findings and similar constructions in Vorarlberg and Eastern Switzerland.

The tombs west of the Brennerstraße and east of the Sill are important for the exact localization of the Roman civilian settlement, which probably already came into being in the middle of the 1st century. Accordingly Veldidena extended from the railway line in the north to the Bergisel in the south and from the Sill in the east to the Brennerstraße in the west.

Since the Sill and Inn valley were inhabited until the 6th century by the Breone tribe, a Rhaetian later Romanized tribe, a predominantly Breonian population is also assumed for the civilian settlement of Veldidena, which has been Romanized and has mixed with other immigrant populations over time. According to evidence, they all maintained lively trade relations with Italy and other provinces. At the end of the 6th century, when the Bavarians advanced southwards via the Inn valley and over the Brenner Pass, conflagration layers indicate a destruction of Veldidena, which may have already been without a military occupation at the time being.

Because of the christianization, beginning in the south, a first monastery-like settlement in the region of Veldidena is assumed, even before the year 1128, when the Premonstratensian monastery was founded in the centre of the Roman settlement. A settlement called Wilten north of the monastery is mentioned again only at the beginning of the 9th century. In the 12th century the settlement centre moved further northwards and subsequently evolved into the present city of Innsbruck on both sides of the Inn bridge.

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Rekonstruktion des Kastells Veldidena. Foto: Tiroler Landesmuseen

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STADTBAUGESCHICHTE
HISTORY OF URBAN DEVELOPMENT

In nachantiker Zeit entwickelten sich die Siedlungen im Raum Innsbruck mehr und mehr in die Innebene hinein. 806 belegt ein locus Wiltina die Siedlungskontinuität des römischen Veldidena, 1138 wird dort das Stift Wilten (Nr. 156) eingerichtet, das gemeinsam mit einem Markt auf der linken Innseite die ältesten Siedlungskerne der Stadt bildet. Dieser Markt gehörte den Markgrafen von Andechs-Meranien, die ihn nach einem Gütertausch mit dem Stift Wilten 1180 trans pontem auf die rechte Innseite verlegten. Aus dieser befestigten Marktsiedlung und herzoglichen Residenz entstand das heutige Innsbruck. Die Stadt entwickelte sich dank ihrer verkehrsgünstigen Lage an den Handelswegen vom Brenner im Süden über den Fern-pass im Westen und innabwärts nach Osten rasch zu einer bedeutenden Handelsstadt.

Nach dem Tod des letzten Markgrafen 1248 waren dessen Tiroler Besitzungen an die in Meran ansässigen Grafen von Tirol gefallen. Deren Herzog Friedrich IV. (1382–1439) verlegte 1420 den Herrschaftssitz nach Innsbruck und ließ im Stadtzentrum den Neuhof (nördlich Nr. 1) erbauen; bis dahin hatten die Tiroler Landesfürsten bei Bedarf Bauten im Bereich der Hofburg (Nr. 12) genutzt. An der Silbergasse (Universitätsstraße) wurden die landesfürstliche Schmelzhütte, eine Köhlerei und weitere Gewerbebetriebe angesiedelt; Ortsbezeichnungen wie Kohlstatt erinnern noch heute daran. Als Hof- und Stadtbaumeister waren damals häufig Mitglieder der aus Memmingen stammenden Familie Türing tätig.

Kaiser Maximilian I. (1459–1519) hielt sich nur selten in seiner Residenzstadt Innsbruck auf, ließ aber mit dem Goldenen Dachl (Nr. 1) eines ihrer Wahrzeichen errichten und sorgte mit dem Bau des Zeughauses (Nr. 102) und dem Ausbau der Hofburg (Nr. 12) für die Modernisierung der Stadt. Der umfassende Ausbau Innsbrucks im Geist der Renaissance ging auf Erzherzog Ferdinand II. (1529–1595) zurück. Durch den Hofbaumeister Giovanni Lucchese und dessen Sohn Alberto ließ er Schloss Ambras (Nr. 254) für seine Kunst- und Wunderkammer ausbauen, die Hofburg (Nr. 12) erweitern und ausgedehnte Gärten anlegen sowie die Silberne Kapelle in der Hofkirche (Nr. 15) errichten. Im Tiergarten in der Höttinger Au entwarf Giovanni Lucchese 1570 ein weiteres Lusthaus (Nr. 196). Unter Erzherzog Leopold V. (1586–1632) und seiner Gattin Claudia von Medici verstärkte sich der italienische Einfluss, sie förderten mit den Neubauten von Jesuitenkirche (Nr. 41) und Stift Wilten (Nr. 156) die Gegenreformation und ließen mit der Dogana (Nr. 23) den ersten festen Theaterbau außerhalb Italiens errichten. Ihr Hofbaumeister Christoph Gumpp d. J. und dessen Nachfahren prägten für drei Generationen das barocke Innsbruck.

Trotz dieser intensiven Bautätigkeit war Innsbruck kaum über das mittelalterliche Stadtgebiet hinausgewachsen. Das änderte sich erst mit der zwischen Innsbruck und Pradl hindurchgeführten, 1858 fertiggestellten und 1867 nach Bozen verlängerten Bahnstrecke Kufstein–Innsbruck. Mitte des 19. Jh. hatte man die nach Pradl führende Museumstraße mit dem Ferdinandeum (Nr. 44) angelegt, südlich davon bis zum Bahnhof entstand rasch ein neues Stadtviertel mit zahlreichen Hotels für den aufkommenden Tourismus. Ende des 19. Jh. wurde auch der Saggen, ein nördlich der Altstadt liegender Weidegrund, bebaut. In seinem westlichen Teil am Inn entstand ein repräsentatives Villenviertel, im östlichen Teil bis zur Bahnstrecke eine Blockrandbebauung.

Im Zuge der Gebietsreform nach dem Anschluss Österreichs an das Dritte Reich wurden schließlich die umliegenden Dörfer Amras, Hötting und Mühlau 1938, Arzl 1940, Igls und Vill 1942 nach Innsbruck eingemeindet. Seither ist die Stadtbaugeschichte Innsbrucks durch die Bebauung ehemals landwirtschaftlich genutzter Flächen und eine intensive Nachverdichtung im Inneren gekennzeichnet. In der Arzler Au wurden die beiden Olympischen Dörfer für die Winterspiele 1964 und 1976 errichtet; im Stadtgebiet haben die Erweiterungen von Klinikum und Universität nicht immer zu glücklichen Lösungen geführt. Größere Stadterweiterungen sind aufgrund der Tallage und der angrenzenden Nachbargemeinden kaum möglich. KT

In Post-Antique times, the settlements in the Innsbruck area developed increasingly towards the Inn plain. In 806, a locus Wiltina proves the settlement continuity of the Roman Veldidena; in 1138, the Stift Wilten (no. 156) is established on the same location, which together with a market on the left-hand side of the Inn forms the oldest settlement cores in the city. This market belonged to the margraves of Andechs-Merania, who moved it trans pontem to the right-hand side of the Inn after an exchange of goods with the Stift Wilten in 1180. From this fortified market settlement and ducal residence, the present Innsbruck came into being. The city developed rapidly into an important trading city thanks to its convenient location on the trading routes from the Brenner to the south via the Fernpass in the west and eastward down the Inn.

After the death of the last margrave in 1248, his Tyrolean possessions had fallen to the counts of Tyrol, who settled in Merano. In 1420, their Duke Frederick IV (1382–1439) moved his residence to Innsbruck and built the Neuhof (north no. 1) in the town centre; until then, the Tyrolean sovereign princes had used the buildings in the Hofburg area (no. 12) when required. On Silbergasse (Universitätsstraße), the sovereign’s smeltery, a charcoal burning and other commercial enterprises were settled; place names like Kohlstatt are still a reminder of it today. At that time, members of the Türing family, who came from Memmingen, used to work as court and city master builders.

Emperor Maximilian I (1459–1519) rarely lived in his residence in Innsbruck, but he built one of its landmarks with the Golden Dachl (no. 1) and provided for the modernization of the city by building the Zeughaus (no. 102) and the expansion of the Hofburg (no. 12). The extensive expansions of Innsbruck in the spirit of the Renaissance date back to Archduke Ferdinand II (1529–1595). He commissioned the architect Giovanni Lucchese and his son Alberto to build Schloss Ambras (no. 254) for his Cabinet of Arts and Curiosities, to extend the Hofburg (no. 12) and to lay out extensive gardens, as well as to erect the Silberne Kapelle in the Hofkirche (no. 15). In 1570, Giovanni Lucchese designed another Lusthaus (no. 196) in the Tiergarten in the Höttinger Au. Under Archduke Leopold V (1586–1632) and his spouse Claudia of Medici, the Italian influence augmented; they promoted the counterreformation with the new buildings of the Jesuitenkirche (no. 41) and Stift Wilten (no. 156), and commissioned the erection of the Dogana (no. 23), the first permanent theatre building outside Italy. Their court master builder, Christoph Gumpp the Younger, and his descendants shaped the Baroque Innsbruck for three generations.

Despite this intensive building activity, Innsbruck had hardly grown beyond the medieval urban area. This changed only with the railway line Kufstein–Innsbruck, leading between Innsbruck and Pradl, which was completed in 1858 and extended to Bozen in 1867. In the middle of the 19th century, the Museumstraße leading to Pradl was built with the Ferdinandeum (no. 44); to the south, up to the train station, a new city district with numerous hotels for the emerging tourism quickly developed. At the end of the 19th century, also the Saggen, a pasture ground north of the old town, was built on. In its western part at the Inn, a representative villa district was built, in the eastern part up to the railway line, a perimeter development came into being.

After the connection of Austria to the Third Reich and during the territorial reform, the surrounding villages were finally incorporated into Innsbruck: Amras, Hötting and Mühlau in 1938, Arzl in 1940, Igls and Vill in 1942. Since then, the history of the urban development of Innsbruck has been characterised by the building development of previously used agricultural areas and intensive retroactive densification on the inside. In the Arzler Au the villages for both the Winter Olympics 1964 and 1976 were built; in the city centre the numerous extensions of the hospital and the university not always led to fortunate solutions. Larger city extensions are hardly possible due to the valley location and the adjacent neighbouring communities.

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Die Innsbrucker Altstadt von oben

KRITISCHE BEMERKUNGEN ZUR BAULICHEN ENTWICKLUNG INNSBRUCKS NACH 1945 UND DEM UMGANG MIT DEM ARCHITEKTURHISTORISCHEN ERBE

Ein Blick in das Objekt- und Baugattungs- sowie das historische Register des vorliegenden Architekturführers macht deutlich, in welchen Epochen es Höhepunkte der Baugeschichte Innsbrucks gab und auf welchen Bautypologien besondere Schwerpunkte lagen. 142 Gebäude und Denkmäler aus der Zeit vom Mittelalter bis zum Ende des 19. Jh. belegen vor allem die Blüte der habsburgischen Residenzstadt mit herausragenden Wohn- und Repräsentationsbauten im Stil der Renaissance und des Barock. Demgegenüber scheint das 20. Jh. mit 190 Einträgen aber klar zu dominieren. Das täuscht, denn in dieser Zahl sind zahlreiche historische Bauten enthalten, die nochmals genannt werden, weil ihr ursprünglicher Baubestand nach 1900 grundlegend verändert, modernisiert oder bedeutend erweitert wurde (u. a. Nr. 3, 7, 14, 23, 33, 52, 58, 68, 87, 108).

Gleichwohl verweist die Anzahl der Objekte darauf, dass Innsbruck im 20. Jh. eine gewaltige bauliche Entwicklung erfahren hat, die sich im 21. Jh. sogar noch zu beschleunigen scheint. Die Quantität sagt allerdings noch nichts über die Qualität aus. Die Auswahl an Bauten der jüngeren Vergangenheit nach 1945 bis in die Gegenwart nennt 97 Objekte – Neubauten einschließlich bedeutender Um- und Anbauten an bestehende Altbauten. Wie lange ihre „Halbwertzeit“ sein wird, nicht zuletzt im Vergleich mit den Altstadthäusern, die seit mehreren Hundert Jahren das Bild Innsbrucks geprägt haben, ist heute noch nicht abzuschätzen. Zu rasch sind die Veränderungen und die Entwicklung von Gesellschaft, Technik und Wirtschaft. Die Frage lenkt den Blick aber unwillkürlich auf den Umgang mit dem bedeutenden architekturhistorischen Erbe der Stadt.

Im 2. Weltkrieg wurde Innsbruck schwer getroffen und war nach Wiener Neustadt die am stärksten zerstörte Stadt Österreichs. Ein moderat moderner Wiederaufbau sorgte dafür, dass viele beschädigte Denkmäler instandgesetzt und die gewachsene Stadtstruktur weitgehend erhalten werden konnten (Nr. 4, 21, 62, 156). Erst mit den „Olympischen Jahren“ Innsbrucks 1964 und 1976 begannen massive städtebauliche und architektonische Fehlentwicklungen, die zum Teil bis heute fortwirken (Nr. 81, 90, 130). Stadterneuerung und -sanierung durch Abriss und Neubau (Nr. 66, 88, 262) sind in Innsbruck leider noch immer an der Tagesordnung – selbst in ausgewiesenen Schutzzonen. Als die Stadt Innsbruck 2005 aufgrund ihrer bedeutenden Bausubstanz und ihrer spektakulären Lage inmitten des Hochgebirges ins Welterbe der UNESCO aufgenommen werden sollte, wurde dies „aufgrund von Seilbahnprojekten“ zurückgezogen. Die Stadtregierung „wollte sich in der wirtschaftlichen Entwicklung nicht stören lassen“ (Generalsekretärin der österreichischen Kommission). Angst vor der „Stadt unter der Käseglocke“ und der feste Glaube an aufsehenerregende Architektur von internationalen und regionalen „Stararchitekten“ als Marketingfaktor der Fremdenverkehrsstadt Innsbruck trugen ihren Teil dazu bei (Nr. 27, 66, 69, 132, 161).

Mit dem allgemeinen Wachstum der Ballungszentren verschärfen sich auch die Probleme der Baupolitik Innsbrucks. Im Zuge der Verdichtung der Innenstadt und der Schaffung neuen Wohnraums wird die Qualität von ganzen Stadtteilen preisgegeben: Die Innenhöfe der historistischen Blockrandbebauungen in Wilten, Pradl und im Blocksaggen und die letzten wertvollen freien Grünflächen werden bebaut, die Aufstockung zahlreicher Wohnhäuser und der Ausbau ihrer Dachgeschoße verändern die Dachlandschaft der Stadt komplett (Nr. 112). Bestimmten noch in den 1980er Jahren einzelne private Bauvorhaben mit individuellen Lösungen die Form dieser Aufbauten, so sind es heute fast ausschließlich profitorientierte Projekte für gleich mehrere Appartements, die das Maximum der Bebauungspläne ausschöpfen. Verschärfend kommt hinzu, dass die meisten Neubauten mit ihrer viel zu großen Kubatur nicht mit dem Bestand der Umgebung verträglich sind (Nr. 18). Architekturhistoriker, Denkmalpfleger und Ortsbildschützer beklagen nicht zuletzt ein generell mangelndes Verständnis von Architekten und Bauherren für Baudenkmäler als komplexe Organismen, bei denen Innen und Außen nicht zu trennen sind. Sie funktionieren nur als Ganzes, weshalb Entkernen von Altbauten im selben Maße verwerflich ist wie das beliebige Verändern, Abschlagen oder „Entstucken“ ihrer Fassaden (Nr. 20, 23, 44, 94, 98, 113, 261).

War schon die ästhetische Beeinträchtigung der Siedlungen der 20er und 30er Jahre durch die energetische Sanierung mit Außendämmung ein schwerer Fehler (Nr. 235, 149), so ist der jetzt geplante Abriss des sogenannten Schlachthofblocks (Nr. 124), des Prototyps für den gesamten sozialen Gemeindewohnungsbau Innsbrucks zwischen 1918 und 1933, schlicht unbegreiflich. Ebenso bedenklich sind die Pläne für Verdichtung und Neubau der sogenannten Südtirolersiedlungen aus der NS-Zeit. Sie sind das größte zusammenhängende Baudenkmal für die Teilung Tirols nach dem Ersten Weltkrieg und dessen Folgen nach 1938 (Nr. 125, 150, 227, 228, 229, 230). Der Abriss der NS-Siedlungen und der Ersatz durch Standardlösungen bedeutet die Auslöschung genuiner Geschichte Tirols. CH

CRITICAL REMARKS ON THE STRUCTURAL DEVELOPMENT OF INNSBRUCK AFTER 1945 AND ON DEALING WITH THE ARCHITECTURE-HISTORICAL HERITAGE

A glance into the registry of the architectural guide at hand regarding property and category, as well as history reveals which epochs determined the architectural history of Innsbruck and which building types were especially focused. 142 buildings and monuments from the period of the Middle Ages up to the end of the 19th century particularly prove the prime in the prosperity of the Habsburg capital with outstanding residential and representative buildings in Renaissance and Baroque style. On the other hand, the 20th century seems clearly dominating with 190 entries. This, however, is deceptive. This number includes numerous historical buildings, which are mentioned again because their original building stock was fundamentally altered, modernized, or considerably expanded after 1900 (see, for example, no. 3, 7, 14, 23, 33, 52, 58, 68, 87, 108). Nevertheless, the number of objects points to the fact that in the 20th century, Innsbruck experienced a tremendous structural development, which seems to be accelerating in the 21st century. The quantity does not say anything about the quality, though. The selection of buildings from the recent past after 1945 to the present states 97 objects – new buildings, including significant reconstructions and annexes to existing buildings. It cannot be estimated today how long their “half-life period” will be, not least in comparison with the old town houses having shaped the image of Innsbruck for several hundred years. Too fast are the changes and the development of society, technology and economy. The question, however, involuntarily focuses on dealing with the important architectural heritage of the city.

In WW II, Innsbruck was heavily hit and was, after Wiener Neustadt, the most heavily destroyed city in Austria. A moderately modern reconstruction ensured that many damaged monuments could be restored and that the naturally developed urban structure could be largely preserved (no. 4, 21, 62, 156). It was only with the “Olympic years” of Innsbruck in 1964 and 1976 that massive urban development and faulty architectural developments began, some of which continue to have an impact to the present day (no. 81, 90, 130). The city›s renovation and redevelopment by demolition and new construction (no. 66, 88, 262) are unfortunately still a daily occurrence in Innsbruck – even in designated protection zones. When the city of Innsbruck was to become a UNESCO World Heritage site because of its important building stock and its spectacular location in the middle of the alpine mountains, it was withdrawn “due to funicular projects”. The city government “did not want to be disturbed in the economic development” (Secretary General of the Austrian Commission). (no. 27, 66, 69, 132, 161). The fear of the “city under a bell jar” and the firm belief in the eye-catching architecture of international and regional “star architects” as a marketing factor of the tourist town Innsbruck played their part.

With the general growth of the conurbations, the problems of the building policy of Innsbruck are aggravated. During the densification of the inner city and the creation of new residential space, the quality of whole districts is relinquished: the inner courtyards of the historic perimeter development of Wilten, Pradl and Blockaggen and the last valuable free green areas are being built on, the increase of numerous dwellings and the expansion of their attics dramatically change the roof landscape of the city (no. 112). While in the 1980s individual private building projects with individual solutions determined the form of these superstructures, today there are almost exclusively profitable projects for several apartments simultaneously that use the maximum of the development plans. In addition, it is aggravating that most of the new buildings with their much too large cubature are not compatible with the building stock of the environment (no. 18). Architectural historians, conservationists and preservationists not only bemoan a general lack of insight of architects and building owners for architectural monuments as complex organisms in which interior and exterior cannot be separated. They function only as a whole, which is why the core removal of old buildings is just as reprehensible as the arbitrary altering, knocking or “removing” of their façades (no. 20, 23, 44, 94, 98, 113, 261).

If already the aesthetic impairment of the settlements of the 1920s and 1930s was a serious mistake (no. 235, 149) – the energetic reconstruction with external insulation –, the nowadays planned demolition of the socalled “Schlachthofblock” (no. 124), the prototype for the entire social communal living of Innsbruck between 1918 and 1933, is simply beyond understanding. The plans for the consolidation and reconstruction of the so-called South Tyrolean settlements from the Nazi era are just as alarming. They are the largest connected monument of the division of Tyrol after WW I and its consequences after 1938 (no. 125, 150, 227, 228, 229, 230). The demolition of the Nazi settlements and the replacement by standard solutions means the extinction of the genuine history of Tyrol.

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FÜHRER
DURCH
DIE STADT

GUIDE
THROUGH
THE CITY

ALTSTADT & INNERE STADT
(MARIAHILF, ST. NIKOLAUS, SAGGEN, DREIHEILIGEN, SCHLACHTHOF)

Auf der linken Innseite in Mariahilf und St. Nikolaus liegt die erste durch die Markgrafen von Andechs-Meranien gegründete, als Ynbruggen bezeichnete Marktsiedlung. Am Brückenkopf bilden vier- bis fünfgeschoßige Bürgerhäuser und Ansitze eine abwechslungsreiche, erkergeschmückte Front zum Inn (Nr. 92). Innabwärts stehen bescheidenere Bauten wie Handwerksbetriebe, Gießereien und Ziegeleien. Städtebauliche Akzente setzen die frühbarocke Mariahilfkirche (Nr. 91) und die neogotische Pfarrkirche St. Nikolaus (Nr. 95).

Die Ausdehnung der mittelalterlichen Altstadt auf der rechten Innseite ist an dem Straßenzug von Marktgraben, Burggraben, Rennweg, Herrengasse und Herzog-Otto-Straße, der dem Verlauf der Stadtmauer entspricht, noch ablesbar. Innabwärts der Ottoburg (Nr. 10) sind noch Abschnitte dieser Stadtmauer zu sehen. Drei Haupttore führten in die Stadt: Im Westen an der Brücke das durch eine Burg gesicherte Inntor (abgetragen 1790), im Süden das Vorstadttor (abgetragen 1765) und im Osten am Ende der Hofgasse das Rumer Tor, das im Südrondell der Hofburg (Nr. 12) aufgegangen ist.

Im Inneren der Altstadt bildet die abgewinkelte Herzog-Friedrich-Straße mit der Hofgasse und der Pfarrgasse ein größeres, die Kiebach-/Seilergasse ein kleineres, die Stadtstruktur prägendes Achsenkreuz. An der Herzog-Friedrich-Straße liegen mit dem Unteren Stadtplatz am Inn und dem zentralen Oberen Stadtplatz nicht nur die wichtigsten Märkte, sondern auch bedeutende Bauten: das Alte Regierungsgebäude (Nr. 11), der Neuhof mit dem Goldenen Dachl (Nr. 1) und das Alte Rathaus mit dem Stadtturm (Nr. 4). Nördlich schließt sich der Dom St. Jakob (Nr. 21) an, der ausgedehnte Komplex der Hofburg (Nr. 12) bildet die Nordostecke der Altstadt.

Das Straßenbild wird dominiert durch vier- bis fünfgeschoßige Bürgerhäuser und Ansitze, deren Kern zumeist auf das 15./16. Jh. zurückgeht. Die mit Erkern ausgestatteten Fassaden wurden im 17./18. Jh. neu gefasst und zum Teil reich dekoriert. Die Häuser haben schmale Grundrisse aus Vorder- und Hinterhaus (Stöckl) mit mittigem Hof und Treppenhaus. Die stadtbildprägenden Lauben wurden ab 1420 eingebrochen, in Ausnahmefällen wie am Gasthof Goldener Adler auch vorgebaut. Die zahlreichen Strebepfeiler aus Höttinger Breccie sind Sicherungsmaßnahmen nach den Erdbeben von 1572 und 1689.

Eine erste Vorstadt im Süden an der heutigen Maria-Theresien-Straße, die etwa bis zum Alten Landhaus (Nr. 61) reichte, wurde schon 1281 erwähnt. Bis ins 16. Jh. wuchs das zunächst nur locker bebaute Gebiet bis zur Triumphpforte (Nr. 127). Im 17./18. Jh. wurden barocke Adels palais errichtet und die Maria-Theresien-Straße zu einem geschlossenen Straßenzug ausgebaut; einzelne Bauten wurden im 19. Jh. historistisch überformt. Seit 2010 hat der umstrittene Bau des Kaufhaus Tyrol den Maßstab der Straße nachhaltig verändert (Nr. 66).

Im Osten ließ Erzherzog Ferdinand II. die Hofburg (Nr. 12) erweitern und einen der ersten Renaissancegärten im deutschsprachigen Raum anlegen; mit dem Ballhaus, dem Theater und der Hofreitschule wurden weitere höfische Großbauten errichtet, deren Nachfolger, das Landestheater (Nr. 20), das Kongressgebäude (Nr. 23) und das Haus der Musik (Nr. 18) heute ein veritables Kulturquartier bilden; hier befindet sich auch der Kopfbahnhof der neuen Hungerburgbahn (Nr. 27).

Auch an der Universitätsstraße änderte sich mit dem Bau von Hofkirche (Nr. 15) und Franziskanerkloster (Nr. 17) der Maßstab der Bebauung. Mit seinem Vorplatz setzte der Neubau der Jesuitenkirche (Nr. 41) im 17. Jh. einen klaren städtebaulichen Akzent. Nordöstlich der Altstadt liegt der Saggen, ein ehemaliger Weidegrund. Ab 1886 entsteht hier ein repräsentatives Villenviertel in allen Spielarten des Historismus. Ende des 19. Jh. wird auch der östliche Teil bis zur Bahnstrecke als Blockrandbebauung mit Zinshäusern bebaut; an den Rändern entstehen großvolumige, freistehende Einzelbauten wie die Messehalle (Nr. 100), die Direktion der Bundesbahnen (Nr. 103), das ehemalige Waisenhaus (Nr. 104) und die Handelsakademie (Nr. 108). KT

On the left side of the Inn, in Mariahilf and St. Nikolaus, is the location of the first market settlement, designated as Ynbruggen, and founded by the margraves of Andechs-Merania. On the bridgehead, four to five-storey middle-class houses and residences form a varied front to the Inn. The buildings are mostly Late-Gothic with bays; the façades were mantled in the 18th/19th century (no. 92). Down the Inn, there are more modest buildings, where handicraft businesses, foundries and brick factories can be found. The early Baroque Mariahilfkirche (no. 91) and the Neo-Gothic parish church of St. Nikolaus (no. 95) set urban architectural accents.

The extension of the medieval old town on the right-hand side of the Inn is still visible in the street profiles of Marktgraben, Burggraben, Rennweg, Herrengasse and Herzog-Otto-Straße. Their course corresponds to the course of the city wall. Sections of this city wall can still be seen down the Inn from the Ottoburg (no. 10). Three main gates led into the city: to the west, the Inn gate (dismantled in 1790) at the bridge, secured by a castle, the suburban gate (dismantled in 1765) to the south and to the east the Rumer gate, which has merged into the turret of the Hofburg (no. 12) at the end of the Hofgasse.

Within the old town, the angled Herzog-Friedrich-Straße with the Hofgasse and the Pfarrgasse forms a larger axis of coordinates, the Kiebach-/Seilergasse a smaller one, characterising the urban structure. The Herzog-Friedrich-Straße, is not only the location of the most important markets, but also important buildings on the Unterer Stadtplatz at the Inn and the central Oberer Stadtplatz: the Altes Regierungsgebäude (no. 11), the Neuhof mit dem Goldenen Dachl (no. 1) and the Altes Rathaus with the Stadtturm (no. 4). To the north, there is the cathedral St. Jakob (no. 21); the extensive complex of the Hofburg (no. 12) forms the northern part of the old town.

The appearance of the streets is dominated by four- to five-storey middle-class houses and residences, the core of which mostly date back to the 15th/16th century. The façades, that were equipped with bays, were reworked in the 17th/18th century and to some extent richly decorated. The houses have narrow ground plans consisting of front-facing and rear-facing buildings (Stöckl) with a central courtyard and a staircase. The pergolas that were forming a landmark were broken down from 1420 and, also, in exceptional cases, built onto the exterior like the Gasthof Goldener Adler. The numerous buttresses made of Hötting breccia are securing measures after the earthquakes of 1572 and 1689.

A first suburb in the south on today’s Maria-Theresien-Straße, which led approximately to the Altes Landhaus (no. 61), was mentioned already in 1281. Until the 16th century, the initially only loosely developed area grew up to the Triumphpforte (no. 127). In the 17th/18th century, Baroque noble palaces were erected and Maria-Theresien-Straße was built into a closed street; individual buildings were historically mantled in the 19th century. Since 2010, the controversial Kaufhaus Tyrol (no. 66) has strongly changed the scale of the street.

In the east, Archduke Ferdinand II commissioned the extension of the Hofburg (no. 12) and laid out one of the first Renaissance gardens in the German-speaking area; with the ballroom building, the theatre and the Hofreitschule, further large courtly buildings were erected; their successors, the Landestheater (no. 20), the Kongressgebäude (no. 23) and the Haus der Musik (no. 18) form a veritable cultural quarter today; here you can also find the rail head of the new Hungerburgbahn (no. 27). Also, on Universitätsstraße, the construction of Hofkirche (no. 15) and Franziskanerkloster (no. 17) changed the scale of the building development. With its forecourt, the new construction of the Jesuitenkirche (no. 41) in the 17th century gave a clear urban accent.

The Saggen, a pasture ground originally belonging to the Stift Wilten, is located to the northeast of the old town. From 1886 onwards, a representative villa quarter was built; the mainly three-storey buildings show all varieties of the Historicism. At the end of the 19th century, the eastern part up to the railway track was also built as perimeter development with apartment buildings; on the edges, large-scale, freestanding individual buildings such as the Messehalle (no. 100), the Bahndirektion (no. 103), the former Waisenhaus (no. 104) and the Handelsakademie (no. 108) emerged.

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Innsbruck, Maria-Theresien-Straße

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1 GOLDENES DACHL

Herzog-Friedrich-Straße 15

um 1420; um 1500; bis 1621; 1780; 1822; 1996
Architekt unbekannt; Niclas Türing der Ältere

Als neue Residenz der Tiroler Habsburger ließ Herzog Friedrich IV. den Neuhof um 1420 auf den Grundmauern zweier älterer Bürgerhäuser errichten. Bis 1621 konnte der seit Ende des 15. Jahrhunderts als Sitz der Hofkammer genutzte Bau durch Ankauf benachbarter Häuser sowie Neubau des Turmes im Innenhof zu einem mehrflügeligen Komplex ausgebaut werden. Durch die Umnutzung zur Kaserne (1780) und zum Mietshaus (1822) wurde das Innere fast vollständig verändert und das Gebäude erhielt seine heutige Fassade. Zum ursprünglichen Bestand des Neuhofs zählt heute das um 1500 unter Maximilian I. vollendete Goldene Dachl. Der 16 m hohe, durch N. Türing d. Ä. erbaute Prunkerker war dem Landesfürsten nicht nur Zuschauerloge bei wichtigen Ereignissen, sondern auch eine zum Mittelpunkt der Altstadt gewordene Bühne, deren politische Bedeutung in den Reliefdarstellungen aus dem höfischen Leben sowie Wappen der habsburgischen Besitztümer verbildlicht wurde (Originale seit 1952 im Tiroler Landesmuseum). In dem seit 1996 zum Museum adaptierten Neuhof kann die Geschichte dieses einzigartigen Bauwerks sowie seiner Erbauer erkundet werden. ID

Duke Friedrich IV had the Neuhof (used as a museum since 1996) constructed around 1420 as the new residence of the Tyrolean Habsburgs. By 1621, the building, which housed the court’s financial administration, had been expanded into a multi-wing complex through various additions as well as the reconstruction of the tower in the inner courtyard. The Goldenes Dachl, with its striking golden roof, is an original part of the Neuhof, having been completed under Maximilian I around 1500. The splendid sixteen-metre-high oriel and balcony, constructed by N. Türing the Elder, served as an observation gallery and became a focal point in the old town, whose political significance is illustrated in reliefs depicting life at court and the crests of the Habsburg territories.

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2 HELBLINGHAUS

Herzog-Friedrich-Straße 10

15. Jh.; um 1730
vermutl. Anton Gigl

Das prominent an der Ecke zwischen ehemaligem Oberen und Unteren Stadtplatz gelegene Helblinghaus ist seit dem 15. Jh. urkundlich belegt. Es erhielt seinen Namen von Hans Helbling, der im 19. Jh. hier ein Kaffeehaus führte. Das Gebäude ist von drei Erkern geschmückt und im EG bindet es in die charakteristischen Lauben der Straße ein. Herausragend ist die überreiche Stuckdekoration in Laub- und Bandelwerk, welche die gesamte Fassade überzieht. Diese wurde vermutlich vom Wessobrunner Stuckateurmeister A. Gigl geschaffen, der ab 1731 in Innsbruck ansässig war. Zu vermuten ist zudem die Mitarbeit des Lokalkünstlers Andrä Gradl. Der höchst plastische Rokokostuck ist in Innsbruck einzigartig und findet auch in der Umgebung nicht seinesgleichen. Das Gebäude verfügt im hinteren Teil über eine im 19. Jh. angelegte Wendeltreppe und wird heute als Wohn- sowie Geschäftshaus genutzt. SEW

Situated on the corner between the former Upper and Lower City Squares, this building can be traced back to the 15th century. Above a ground-floor arcade, typical of this street, each storey is adorned with bay windows. The ornate, foliate moulding covering the whole façade is extraordinary; this highly sculptural example of Rococo decoration is unique in Innsbruck. More recent interior features include a 19th-century spiral staircase.

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Grundriss Erdgeschoß

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3 WEINHAUS HAPP

Herzog-Friedrich-Straße 14

1928
Franz Baumann

Zeitgleich mit der Nordkettenbahn (Nr. 168) erweiterte Baumann das im 1. OG eines Altstadthauses gelegene Weinhaus Happ um zwei im Nachbargebäude gelegene Gasträume. Eine dunkel gebeizte Tür mit markanten Details führt zur Treppe ins Obergeschoß, deren halbhohe, dunkle Holzpaneele effektvoll mit der weiß getünchten Wand kontrastieren. Ein breiter Handlauf schließt die Vertäfelung ab. Der unschöne Belag der Treppe aus roten Fliesen ist neueren Datums. Über einen schmalen Flur gelangt man linker Hand in die um zwei Stufen herabgesetzten Baumann-Stuben. Ein niedriger Segmentbogen leitet von einem kleinen Vorraum zum Hauptraum über. Auch hier sind die Wände halbhoch mit dunkel gebeiztem Holz vertäfelt. Das geschwungene Profil der umlaufenden Sitzbänke, die Betonung der Raumecken durch halbrunde Säulchen mit pyramidalem Abschluss sowie die monumentale Einfassung der Türe zu einem weiteren Nebenraum sind als moderne Interpretation der traditionellen Tiroler Stube zu verstehen, während an Raumhöhe und Gebälk noch die ursprüngliche Raumform ablesbar ist. 1937 modernisierte Baumann auch die Fassade (Fresken Erich Torggler). MB

A dark stained door leads to the staircase and to the upper floor; the semi-high, dark wooden panels contrast with the whitewashed wall. A narrow hallway leads to the Baumann-Stuben. A low segment arc leads to the main room. Here, too, the walls are semi-covered with dark stained wood. The profile of the benches, the emphasis of the room corners by small semi-circular columns with a pyramidal finish, and the monumental enclosure of the door to a further adjoining room are to be understood as a modern interpretation of the traditional Tyrolean style.

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4 ALTES RATHAUS

Herzog-Friedrich-Straße 21

1358; Mitte 15. Jh.; 1542; 1897; 1936/37; 1972; 2015/16
Architekt unbekannt; Gregor Türing; Wilhelm Nicolaus Prachensky; Ekkehard Hörmann; Hanno Vogl-Fernheim

Das in einem Bürgerhaus 1358 gegründete Alte Rathaus gilt als der älteste bürgerliche Repräsentationsbau Tirols. Mitte des 15. Jh. konnte der Komplex durch den Kauf zweier Häuser erweitert und um den sterngewölbten Laubengang sowie den Stadtturm als prächtigen Blickfang ergänzt werden. Später folgten das 2. OG mit geräumiger Ratsstube sowie die hohe Blendmauer mit dem dahinter verborgenen Grabendach (G. Türing, 1542). Das schlichte Aussehen des in der Folgezeit stark veränderten gotischen Rathauses wurde bei umfangreichen Restaurierungsarbeiten 1936/37 durch W. N. Prachensky weitgehend wiederhergestellt. 1972 erfuhr der Innenhof mit Brunnenanlage eine Neugestaltung durch E. Hörmann. Nicht nur die im Innenhof ersichtliche kleinteilige Struktur, sondern auch die durch das Quadermauerwerk des Turms durchbrochene Frontfassade erzählt die Entstehungsgeschichte des Bauwerks. So weisen die ältesten, aus mehreren Bauten zusammengewachsenen Bereiche des EG und 1. OG – anders als das jüngere 2. OG – ungleiche Fensterabstände und verschiedene Breiten und Formen der Laubenöffnungen auf. Nach dem Bezug des Neuen Rathauses 1897 (Nr. 68) wird das gotische Bauwerk nur noch teilweise als Verwaltungsbau weitergenutzt. 2015/16 errichtete H. Vogl-Fernheim im Turm eine imposante Doppel-Helix-Wendeltreppe. ID

Constructed in 1358, the Altes Rathaus is the oldest major piece of public architecture in Tyrol. In the mid-15th