Cover

Sepp Mall

Holz und Haut

Gedichte

Für S. (Josef Roman)

Die Holzfäller
kommen am Morgn

In den Wäldern (ruckedigu)

Die Holzfäller kommen am Morgn

wo alles noch atmet / in langen

Zügen

: die Motorsägen geschultert Ge-

wehren gleich / oder Sensen

Vorsichtig bewegen sie sich

unter den hängenden Ästen

die erste Fichte / wird angesprochen

behutsam gestreichelt

: man redet ihr gut zu

Die Holzfäller / kommen am Morgen

und gehen am Abend

: müde zu ihren Frauen zurück

mit blutenden Schuhn

Flügelschlag

Vielleicht / dass etwas in dir ist

(ein Glimmen ein

Funke am Rand der Synapsen)

: das abhebt

mit dem Schwarm / mit-

schwingt im Geschwader

(dahin)

einem ferneren Sommer zu / ins weite

Gleiten eingehüllt

Warum sonst / kannst du deinen Blick

nicht nehmen

Von diesem Atmen Wiegen Sirrn

dem Flatterlicht / hoch

ins Blau gespannt

Im Revier (I)

Die Kaninchen unserer Kindheit

trommelten bei Gefahr auf den

Boden / sie machten Männchen

wenn wir Futter brachten

ans Türchen

: zarte Blätter aus Mutters Garten

Man musste vorsichtig sein / wegen

der Inzucht fuhren wir

bis ins Nachbardorf

Unsre Kaninchen waren richtige

Hasen / nicht bloß

Kaninchen

den Sonntagsbraten aßen wir

mit zusammengebissnen Zähnen

Im Revier (II)

So war es doch

: dass wir dem Papier

mehr vertrauten

Als dem Holz / der Biegsamkeit

der Weiden

der Zypressen / die sich duckn

im Sturm

dem Stöckchen durchs Gitter

Oder dem Knistern des Grubenholzes

(das uns warnte)

September

Es war ein Singen zwischen den Häusern

ein Schwingen / ein heller Ton

Und dann der gellende Schmerzens-

laut / wenn das Sägeblatt sich ins Holz

: frisst

So läutet man den Herbst ein (hier)

mit einem Tötungsritual

Und stumm sieht das Dorf zu

Wie der Sommer in die Knie geht

: und fällt

Denk es dir als Trost / dass

Sägemehl auch nur ein Aggregat-

zustand sei

: wie Asche und Rauch

Wünsche (Happy Birthday I)

So einfach: Such

mir / einen Menschen

unter den ich mich lege

Sommertags und alle Zweige von mir

Dann / kann es Abend

werden

In die Nacht

Das Versprechen / sich nicht

aus den Augen zu verliern

Die Sträucher / die sich duckn im Wind

Und Schnee / der auf Felder fällt

(in glänzende Ackerfurchen)

Weit draußen die Häuser zusammen-

gedrängt

Schritt für Schritt verliern die Bilder

an Farbigkeit

verblassen im milchigen Licht

im Flockengestöber / das übers Hirn

zieht

: doch noch / ist es nicht

Weiter

Und wieder ziehn Tiere / über den As-

phalt

Zwei Kälber im Morgengraun

(querbeet verschlafen) oder Schafe

: frisch geschoren / auf

der Suche nach Hirten

Und wir warten / voller Ungeduld

den Fuß am Pedal

Scharrende Hufe: Es

wird wieder Schnee gebn

bis hinunter ins flache Land

Wortmaß

(für F. T.)

Später dann / Jahre später

tragen wir Franz

den verlornen Wald herab

Den Marmorkiesel unter der Zunge

Wird stammelnd gewogen

Gezählt

: die Festmeter Deutsch