Cover

Franz Friedrich Altmann

Turrinis Hirn

Kriminalroman

Für die zauberhafte Zäzilia

I

„Bist du nimmer ganz dicht?“ ist keine echte Frage. Ist mehr so eine rhetorische Frage, auf die man eigentlich gar keine Antwort geben kann. Weil das „Bist du nimmer ganz dicht“ sowieso nur als Beleidigung gemeint ist. Indem man die boshafte Frage stellt, ob das Hirn des Angesprochenen schon bei den Ohren oder bei den Nasenlöchern herausrinnt. Eher eine grausliche Vorstellung, wenn du mich fragst!

Trotzdem kriegt die Gucki eine Antwort, wie sie jetzt laut und deutlich „Bist du nimmer ganz dicht?“ in den Telefonhörer sagt.

„Erstens sind mir nicht per Du! Zweitens brauchen Sie mit mir nicht so schreien!“, plärrt das Fräulein Aistleitner mindestens so lautstark zurück. „Weil ich kein bisserl schwerhörig bin. Umsonst bin ich nicht seit zweiundfünfzig Jahren Leiterin vom Kirchenchor St. Anton und hör noch immer jeden falschen Ton heraus. Und drittens bin ich sehr wohl dicht. Kein bisserl inkontinent! Und warum? Weil wir von der Katholischen Frauenbewegung schon seit Jahrzehnten Beckenbodengymnastik machen. Jeden Dienstag! Tät Ihnen bestimmt auch nicht schaden, Fräulein Wurm! Gehen ja auch schon auf den Fünfziger zu. Da wird es schön langsam kritisch mit der Blasenschwäche.“

„Beckenbodengymnastik – ist das nicht was Unkeusches?“, will die Gucki empört wissen. Und schafft es damit wirklich, das arme Fräulein Aistleitner aus der Reserve zu locken.

„Du Saumensch, du elendiges! An was du immer gleich denkst, du Schlampen, du ausgschamte!“, zischt das Fräulein Aistleitner in ihr Seniorenhandy. „Aber wirst schon noch sehen: Dich holt einmal der Teufel persönlich! Den gibt es nämlich wirklich – auch wenn es die jungen Religionslehrerinnen abstreiten: Hörndl wie ein Stier, Haxen wie ein Geißbock und ein Mordstrum Schwanz!“

„Da tut unser Fräulein Aistleitner immer so katholisch – und dann träumt sie von einem Mordstrum Schwanz?“, sagt die Gucki jetzt so entsetzt, dass man ihr ungläubiges Kopfschütteln praktisch durchs Telefon hören kann.

Damit ist die nette Plauderei zwischen dem Fräulein Aistleitner und dem Fräulein Wurm aber auch schon beendet. Diesmal geht der Punkt eindeutig an die Gucki. Ist eh himmelweit hinten bei ihrem Wettbewerb mit dem Fräulein Aistleitner: Wer schmeißt früher die Nerven weg, wenn sie miteinander telefonieren? Meistens die Gucki. Weil das Fräulein Aistleitner echt eine Nervensäge ist. Aber nicht vielleicht eine harmlose Laubsäge – nein, eine PS-starke Motorsäge mit rasiermesserscharf gefeilten Zähnen!

Leider Gottes hat es die Gucki in ihrem Beruf praktisch nur mit Leuten zu tun, die ihr den letzten Nerv rauben. Neben der klassischen Dorftratschen wie dem Fräulein Aistleitner gibt es da noch den brunzdummen Kommunalpolitiker, der sich selber so wichtig vorkommt, wie wenn er der Landeshauptmann wär. Dann kommen auch schon die Obmänner und Obfrauen von allen möglichen Vereinen, die bei uns gedeihen wie die Maden im Speck. Meiner Schätzung nach ist jeder Mühlviertler Mitglied bei mindestens vier Vereinen. Wobei Spitzenreiter durchaus auch auf zehn Vereine kommen können. Auf jeden Fall hält jeder Obmann und jede Obfrau den eigenen Verein für den Mittelpunkt der Welt. Und sagt das auch klipp und klar.

Und was sagt dann die Gucki? Gar nix! Weil sie ja von diesem Schwachsinn lebt. Genauer gesagt heißt dieser Schwachsinn Mühlviertler Nachrichten: eine Lokalzeitung wie im Bilderbuch! Sprich: Dorftratsch, Vereinsnachrichten, Lokalpolitik. Und damit hat es sich auch schon. Mehr ist da nicht drin! Eine ganz eine banale Gratiszeitung. Und journalistisch auch genauso viel wert: nämlich gar nix!

Warum macht die Gucki dann diesen Schas? Schon seit siebzehn Jahren? Diese Frage stellt sich die Gucki ja eh öfter. Die Antwort ist aber immer niederschmetternd: weil sie schließlich von irgendwas leben muss. Und weil sie als vierundvierzigjährige Frau mit einem Theaterwissenschafts- und Publizistikstudium am Arbeitsmarkt genauso gefragt ist wie ein Glasaug in einem Teller Leberknödelsuppe.

Aber nur deprimierend ist es dann auch wieder nicht. Oft genug ist der Gucki ihre Arbeit ja wirklich zum Lachen. Weil die ganzen Deppen, mit denen sie es tagtäglich zu tun hat, manchmal so derartig deppert sind, dass es schon wieder eine Gaudi ist. Wenn man einen Humor hat. Aber den hat sie eh, die Gucki!

Drum schüttelt sie jetzt den Kopf und sagt gutgelaunt: „Das muss dem Fräulein Aistleitner erst einmal einer nachmachen: Sieht in der Kirche von St. Anton junge Hunde herumrennen? Mindestens zehn! Die ist doch nimmer ganz dicht!“

Da schau dich an! Ganz dicht ist die Gucki anscheinend auch nicht. Wenn du mutterseelenallein in deinem Büro sitzt und Selbstgespräche führst, dann ist mit deinem Kopf auch nicht alles in Ordnung. Oder redet sie womöglich mit ihrem Computer? Soll ja heutzutags öfter vorkommen. Ist aber deswegen auch nicht gescheiter!

Nein! Da hab ich der Gucki jetzt Unrecht getan. Sie redet ja gar nicht mit sich selber und schon gar nicht mit einem depperten Computer – sie redet mit einem gescheiten Hund. Der hat anscheinend geschlafen und muss beim Stichwort junge Hunde aufgewacht sein. Weil er natürlich das Wort Hund kennt.

Ob er das Wort zehn auch kennt, kann ich beim besten Willen nicht sagen. Keine Ahnung, ob sie in der Hundeschule auch Rechnen haben. Auf jeden Fall findet er der Gucki ihre Bemerkung so interessant, dass er auf ihren Schoß springt und ihr das Gesicht abschleckt. Wobei ich mich nicht drauf versteifen möcht, dass er sie jetzt genau zehnmal abschleckt. Können auch neun oder elf Schlecker gewesen sein. Aber ungefähr kommt es hin. Wirklich ein wiffer Hund!

Im nächsten Moment geht aber auch schon die Tür auf. Und ein Engel schwebt in den Raum und verkündet die Frohbotschaft des Tages: „Happy birthday to you, happy birthday to you, happy birthday, lieber Turrini, happy birthday to you!“

Das mit dem Engel ist natürlich ein bisserl eine Übertreibung. Weil die Renate Heiligenbrunner nur die Sekretärin von den Mühlviertler Nachrichten ist. Aber manchmal kommt die Renate der Gucki vor wie ihr ganz persönlicher Schutzengel. Grad jetzt zum Beispiel. Was ist die Gucki doch nur für eine Rabenmutter? Hat doch glatt den Geburtstag von ihrem Turrini-Burli vergessen! Und wer hilft der Gucki wieder einmal aus der Patsche? Die Renate natürlich! Serviert auch schon eine wunderschöne Geburtstagstorte mit einem brennenden Kerzerl.

„Moment!“, wird da der eine oder der andere jetzt einwerfen, der die Gucki und den Turrini schon länger kennt. „Die Gucki ist seit siebzehn Jahren bei den Mühlviertler Nachrichten. Genauso lang hat sie auch ihren Hund. Müssten da nicht siebzehn Kerzerl auf der Torte sein?“

„Wirklich gut aufgepasst!“, kann ich da nur sagen. Macht die ganze Sache aber auch nicht leichter für mich. Weil mir jetzt gar nix anderes überbleibt, als dass ich die ganze Turrini-Geschichte von vorn bis hinten erzähl. Wird halt ein bisserl länger dauern.

Nur: Wo fang ich da überhaupt an? Am besten am Anfang. Also: Vor siebzehn Jahren hat sich die Gucki vom Leo Höller einen Hund andrehen lassen. Mit der Mitleidstour: Sonst landet er im Tierheim! Hat die Gucki den Hund Turrini getauft. Weil sie damals grad an ihrer Diplomarbeit Sentimentale Motive im Dramatischen Werk von Peter Turrini geschrieben hat. Und weil der Hund dem Theaterdichter wirklich total ähnlich geschaut hat: ein bisserl kleiner, ein bisserl fester, dafür aber umso temperamentvoller.

Sind die Gucki und der Turrini in kürzester Zeit ein Herz und eine Seele geworden. Und auch geblieben. Die Gucki hat den Turrini überall hin mitgenommen und praktisch den ganzen Tag mit ihm gemeinsam verbracht. Natürlich auch die ganze Nacht. Wobei man dazusagen muss, dass der Turrini eh nicht bei ihr im Bett gelegen ist, sondern unterm Bett. Ins Bett hat er sich immer erst gelegt, wenn die Gucki schon eingeschlafen war.

Kurzum: Der Turrini war der wichtigste Mann in der Gucki ihrem Leben. Mit anderen Männern hat sie es nie mehr als ein paar Tage ausgehalten. Die einzige Ausnahme war ein gewisser Zellner Andi. Hat aber nach fünf Wochen auch aufgegeben. Hat keine Schuhe mehr gehabt. Weil der Turrini alle Schuhe vom Andi zerlegt hat. Hat seinen Konkurrenten praktisch hinausgebissen.

Sind die Gucki und der Turrini also miteinander alt geworden. Wie man so schön sagt. Nur altert ein Hund halt viel schneller als ein Mensch. Durchschnittliche Lebenserwartung bei einem Spitz grad einmal dreizehn Jahre. In dem Alter war der Turrini aber eh noch topfit. Bis auf das, dass er stocktaub war. Wie er dann aber eines Tages den Hasen und Rehen nimmer nachg’rennt ist, hat sich die Gucki ernsthaft Sorgen um ihn gemacht. Da hat es dann auch nimmer lang gedauert, bis er nimmer recht gefressen hat. Ein ganz ein schlechtes Zeichen bei so einem verfressenen Hund!

„Mein Gott, das Alter halt!“, hat der Tierarzt gemeint. Und hat dem Turrini nur widerwillig jeden zweiten Tag eine Infusion mit einer Nährlösung verabreicht. Dabei sind die Tierärzte normalerweis eh so geschäftstüchtig, dass sie einem Hamster jederzeit ein Nabelpiercing machen täten, wenn es der Besitzer zahlt.

Da ist es aber mit dem Turrini schon steil bergab gegangen. Voriges Jahr ist das gewesen. Eines Tages hat er dann auch noch gehinkt und außerdem extrem traurig geschaut. Hat sich die Gucki gedacht: „Gehen wir halt ins Wirtshaus! Vielleicht kommt er da auf andere Gedanken?“

Und wirklich! Kaum sind sie in Franky’s Bar hinein, war der Turrini wie ausgewechselt. Ist ja auch sein Lieblingswirthaus. Weil dort immer der Leo Höller sitzt. Der ist nämlich sein Babysitter, wenn ihn die Gucki ausnahmsweis einmal nicht mitnehmen kann. Normalerweis ist der Turrini selber auf den Barhocker gesprungen. Diesmal hat ihn der Leo hinaufheben müssen. Sein Parade-Kunststück hat der Turrini aber noch immer beherrscht.

Das geht so: Der Leo bestellt einen Jägermeister und stellt ihn dem Turrini vor die Schnauze. Der klemmt das Flascherl zwischen die Vorderpfoten und kletzelt den Schraubverschluss mit den Zähnen auf. Dann schnappt er das Flascherl mit den Vorderzähnen und lässt den Jägermeister in seine Gurgel rinnen. Zum Schluss stellt er das Flascherl wieder ordentlich auf die Bar. Normalerweise sagt dann der Leo: „Bravo, Turrini!“

An diesem Tag – der 2. Februar 2016 ist das gewesen –, an diesem Tag also ist der Leo nimmer zum Bravo-Sagen gekommen. Weil der Turrini mitsamt dem Flascherl im Maul vom Barhocker gestürzt ist. Und nimmer aufgestanden. Die Gucki ist zwar noch zum Tierarzt gerast. Der hat aber auch nichts mehr machen können. Genauer gesagt: Lebendig hat er den Turrini nimmer machen können. Die Todesursache hat er der Gucki schon sagen können. Weil man den Turrini jetzt wieder am Bauch angreifen hat können, ohne dass er gleich knurrt. Hat sich ja in der letzten Zeit nicht einmal mehr von der Gucki angreifen lassen. Jetzt begreift sie auch, warum: direkt unter dem seidigen Fell ein Mordstrum Geschwulst. So groß wie ein Apfel!

Der Tierarzt tippt auf Magenkrebs, bietet der Gucki aber eine Obduktion an, wenn sie es genau wissen will. Könnt ja auch die Leber sein? Was für eine grauenhafte Vorstellung: Ihr Turrini-Burli soll aufgeschnitten werden wie ein Stück Vieh? Kein Wunder, dass die Gucki da dem Doktor Reichl eine Fotzen gibt, dass es ihn fast umgehaut hätt. Dabei ist der Herr Tierarzt ein stattlicher Mann.

Für diejenigen, die die Gucki noch nicht kennen, muss man jetzt vielleicht dazusagen, dass sie einen Meter fünfundachtzig ist und hübsch ein Schmalz hat. Obwohl sie kein bisserl Sport betreibt. Außer dass sie gern kocht und gern Leute zum Essen einladet. Jetzt wird aber bei uns im Mühlviertel zum Essen gern Bier getrunken. Musst du pro Person im Schnitt eine Kiste Bier rechnen. Ist aber kein Problem für die Gucki! Packt eh zwei Kisten auf einmal. Im Notfall auch drei. Kann sie sich also das Fitness-Center wirklich ersparen.

„Ja, spinnt denn der eh schon komplett?“, wird der eine oder der andere jetzt laut herausschreien. „Will uns der verarschen? Da erzählt er lang und breit, wie der Turrini gestorben ist – und dann ist der Turrini auf einmal wieder putzmunter und kriegt eine Geburtstagstorte?“

„Ja, wenn ihr mich nicht ausreden lasst’s, dann kennt’s ihr euch natürlich hint und vorn nicht aus!“, kann ich da nur sagen. „Die Geschichte, die ich Euch erzähl, ist nämlich aus dem richtigen Leben. Und das ist halt einmal ziemlich verwurstelt – und nicht so watscheneinfach und deppensicher wie eine Fernsehserie!“

Also: Wo bin ich stehengeblieben? Beim Tierarzt. Ist die Gucki heimgefahren und hat den Turrini auf sein Lammfell gelegt. Schaut aus wie immer: schwarzer Hund auf weißem Lammfell. Wie wenn der Turrini nur schlafen tät.

Tut er aber nicht. Ist der Gucki eh klar. Trotzdem bespricht sie mit ihm jetzt das Begräbnis. Wo will er denn begraben werden? Eh klar: genau an der Stelle im Garten, wo er sich immer den Sonnenuntergang angeschaut hat. Was für ein Sarg? Eiche oder Buche? Nix da, Holz ist zu hart! Wird er in die hellblaue Kaschmirdecke gewickelt. Und was für eine Musik? Diese Frage erübrigt sich beim Turrini. Weil er ein eingefleischter Blasmusik-Fan ist. Hat ja dem Leo oft genug beim Tuba-Üben zugehört.

Drum stehen dann am nächsten Nachmittag fünf Bläser in der Gucki ihrem Garten und intonieren mit halberfrorenen Fingern Ich hatt’ einen Kameraden. Der Leo hat die anderen Musikanten gar nicht lang gefragt, sondern einfach in sein Auto gesetzt. Da sieht man wieder einmal, dass er nicht zu Unrecht den Spitznamen Sturmbannführer hat. Weil das musst du erst einmal zusammenbringen, dass du vier Musikanten auftreibst, die bei so einem Sauwetter bei einem Begräbnis von einem Hund spielen.

Hat aber keiner von ihnen bereut. Weil die Gucki wirklich gut kochen kann. Gibt natürlich einen Tafelspitz mit Semmelkren und Erdäpfelschmarrn. Ist das traditionelle Totenessen im Mühlviertel. Wenn auch normalerweise nicht bei Hunden.

Zum Trinken gibt es natürlich auch mehr als genug. Weil man ja einem Toten die Füße waschen muss. Sprich: Man muss auf das Wohl des Verstorbenen möglichst viel trinken. Aber nicht vielleicht Wasser! Und weil man beim Turrini ja nicht nur zwei Füße, sondern gleich vier Pfoten waschen muss, wird halt doppelt so viel gesoffen wie normal. Wirklich eine lustige Leich!

So weit – so gut. Wie die Gucki dann aber am nächsten Tag aufgewacht ist, hat sich ihr Herz zusammengekrampft: Der Turrini ist nimmer da, der Turrini kommt auch nimmer, der Turrini ist – tot!

Hat die Gucki zum Frühstück statt einem Kaffee ein Bier getrunken und ist dann in die Arbeit gefahren. Praktisch zur Ablenkung. Hat dann im Lauf des Tages zur Ablenkung noch einmal acht Bier getrunken. Nach der Arbeit hat sie dann aber erst recht eine Ablenkung gebraucht. Hat ja keinen Turrini mehr, mit dem sie Gassi gehen kann. Ist sie also jeden Abend in Franky’s Bar gelandet und bis zur Sperrstunde geblieben.

Und so ist es dann auch weitergegangen mit der Gucki. Ist praktisch den ganzen Februar und den ganzen März 2016 aus dem Rausch nimmer herausgekommen. Hat sich die Renate schon Sorgen gemacht. Aber nicht vielleicht, dass die Gucki mit sechs Bier kein Interview mit dem Stadtrat Atteneder zusammenbringt – bei so einem Deppen hätte sie ruhig zwölf Bier trinken können –, nein, Angst gehabt hat sie nur, dass sie der Gucki früher oder später den Führerschein nehmen werden.

Hat die Renate also nachgedacht. Wo kriegt man auf alle Fragen eine Antwort? Bei der Katholischen Kirche und im Internet! Weil es die Gucki aber nicht so hat mit der Kirchen, hat sich die Renate hinter ihren Computer gesetzt. Aber nicht, dass jetzt wer glaubt, dass sie die Homepage der Anonymen Alkoholiker angeklickt hat – sie hat Hundezüchter gesucht. Natürlich nur solche, die einen reinrassigen Spitz in Schwarz haben. Und einen männlichen Welpen, den man bald abholen kann.

Hat aber ewig gedauert, bis die Renate fündig geworden ist. Weil der Spitz momentan halt so gar nicht in Mode ist. Labrador oder Golden Retriever gibt es zum Saufüttern – Spitz keinen einzigen! Muss sie die Suche auf Deutschland ausweiten. Und wird auch schon fündig. In Windorf, einem kleinen Kaff an der Donau. Nicht einmal so weit: dreißig Kilometer westlich von Passau. Muss die Renate nur noch die traurige Geschichte vom Ableben vom Turrini erzählen – seine Jägermeister-Exzesse spart sie natürlich aus – da ist auch schon ein Abholtermin vereinbart: der 25. April 2016.

Natürlich sagt die Renate der Gucki kein Wort. Obwohl sie sich jeden Tag hundertmal auf die Zunge beißen muss. Am 25. April aber gibt es einen Betriebsausflug. Angeblich zu einer kleinen bayrischen Brauerei. Für sowas ist die Gucki immer zum Haben.

Wie die Gucki dann nach drei Stunden Fahrzeit und nach einem Sechsertragerl Freistädter Bier aus der Renate ihrem Auto steigt, ist sie so überrumpelt, dass sie kein Wort herausbringt. Ein winziges schwarzes Wollknäuel rennt auf die Gucki zu und verbeißt sich tapfer in ihre Schuhbandl. Hat nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem Turrini. Erst wie dann seine Mama auftaucht und die Gucki misstrauisch anschaut, springt ihr die Ähnlichkeit ins Aug: Die Hundemama ist dem Turrini wie aus dem Gesicht geschnitten.

Die Gucki ist so daneben, dass sie gar nicht mitkriegt, wie sie den kleinen Hund in die Hand nimmt und an die Brust drückt. Erst wie ihr der kleine Scheißer die Hand abschleckt und sie mit seinen spitzen Milchzähnen in den Zeigefinger beißt, wacht sie endlich aus ihrer Schockstarre auf.

„Ich will keinen anderen Hund!“, sagt sie energisch. Streichelt den kleinen Hund aber trotzdem. Praktisch Instinkt.

„Er ist aber schon bezahlt!“, erklärt jetzt die Züchterin genauso energisch.

„Wie soll ich ihn denn taufen?“, hat die Gucki dann fünf Minuten später gefragt. Da sind sie aber schon längst im Auto gesessen und Richtung Passau gefahren.

„Offiziell heißt er Othello von den Donauauen“, erklärt die Renate.

„Kommt nicht in Frage!“

„Wie wär es denn wieder mit einem Schriftsteller?“, schlägt die Renate vor.

Ist jetzt direkt blöd. Weil die Gucki gar nicht so viele Schriftsteller kennt. Weil sie eigentlich nie was liest. Bücher mein ich. Hat einfach keine Zeit für sowas. Weil der Turrini, das Tarockieren und die Mühlviertler Nachrichten der Gucki ihr Leben eh voll und ganz ausgefüllt haben.

Ein Buch hat die Gucki trotzdem gelesen. Erst unlängst. Hat sie von ihrer Freundin Helga zu Weihnachten gekriegt. Ein Buch zum Thema Sex. Aber nicht Fifty Shades of Grey, sondern Das Bayrische Dekameron. Lauter lustige Kurzgeschichten, in denen fest geschnackselt wird. Wie sich das Liebesleben am Land früher halt so abgespielt hat. Nur: Wie hat der Autor geheißen?

„Was tätest du denn zu Graf sagen?“, fragt die Gucki. Weil es ihr jetzt doch wieder eingefallen ist: Oskar Maria Graf hat der Saubartl geheißen, der Das Bayrische Dekameron geschrieben hat.

Graf ist brav!“, freut sich die Renate. Weil sie ja gern so Frauenzeitschriften liest, die nur von Adeligen handeln. Kennt praktisch alle Stammbäume des europäischen Hochadels in- und auswendig.

Hat der kleine Hund also auch schon Graf geheißen. Aber nur bis zur bayrisch-österreichischen Grenze. Da hat er nämlich die Gucki zum ersten Mal angespieben. Und was hat die Gucki gesagt?

„Meinigotti, ist dem kleinen Turrini leicht ein bissi schlecht?“, hat sie gesagt.

Und wie dann der Hund in Helfenberg auf ihrem Schoß eingeschlafen ist, hat sie gesagt: „Tut der kleine Turrini jetzt ein bissi Hei-hei machen?“

Kurzum: Wie die Gucki aus dem Auto gestiegen ist, hat der Hund unwiderruflich Turrini geheißen. Und zwar nur Turrini – und nicht Turrini II. Wie es die Renate gern gehabt hätte. Weil es doch irgendwie adeliger klingen tät.

Heute, zehn Monate später, ist der neue Turrini praktisch wie der alte. Nicht nur, dass er genauso ausschaut – er hat auch denselben Charakter: zärtlich, aber stürmisch! Wie wenn der alte Turrini von den Toten auferstanden wär. Oder – wenn man es lieber buddhistisch haben will: wie wenn er als neuer Turrini wiedergeboren wär. Ein gelungenes Comeback ist es auf jeden Fall. Auch wenn der neue Turrini das Kunststück mit dem Jägermeister-Flascherl noch nicht beherrscht. Mit der Betonung auf noch! Weil der Leo Höller eh schon fleißig mit ihm übt.

So, jetzt hab ich das mit dem Turrini aber wirklich Länge mal Breite erklärt. Jetzt müsste sich eigentlich ein jeder Depp auskennen. Können wir also die Vergangenheit hinter uns lassen und uns wieder der Gegenwart zuwenden.

Da geht es mittlerweile ausgesprochen fröhlich zu. Der Turrini hat die Kerze von seiner Geburtstagstorte ausgeblasen – besser gesagt: ausgebellt – und hat schon das zweite Stück Malakofftorte in Arbeit. Schaut natürlich aus, dass der Sau graust: ein kohlrabenschwarzer Hund, das Goscherl aber schneeweiß! Komplett mit Schlagobers verschmiert. Muss man ihm natürlich ein Schüsserl Prosecco hinstellen, damit er wieder ein fescher Hund wird.

Die Renate, die schon mehrere Glasl Prosecco intus hat, kommt jetzt direkt ins Sinnieren: „Graf wär schon ein vornehmer Name gewesen – oder zumindest Graf Turrini?“

„Gräfin Gudrun am Apparat!“, meldet sich jetzt die Gucki ganz vornehm am Telefon. Weil ja die ganze Geburtstagsparty während der Arbeitszeit stattfindet. Außerdem ist morgen Redaktionsschluss, die Zeitung aber hint und vorn nicht fertig. Vielleicht kriegt die Gucki jetzt doch noch eine brauchbare Geschichte herein?

„Was, eine Chefin wollen Sie sein, Fräulein Wurm? Dass ich nicht lach!“, gackert das Fräulein Aistleitner in ihr Handy. Hört anscheinend doch nimmer so gut. „Arbeitsscheu sind Sie! Im Gegensatz zu mir. Ich hab alle dreizehn Hunde eingefangen. In der Kirche. Dass sie das Gotteshaus nicht entweihen: mit einem Gacki!“

„Und wo sind die jetzt alle?“, will die Gucki wissen. Traut ja dieser alten Hex jederzeit zu, dass sie die armen Hascherl in die Biomülltonne geschmissen hat.

„Vorläufig in der Aufbahrungshalle. In einem alten Blechsarg. Aber bleiben können sie da nicht. Wenn Sie die Viecher nicht bald abholen, dann ruf ich den Totengräber an. Der macht kurzen Prozess mit ihnen!“

Ist dem Turrini seine Geburtstagsparty auch schon vorbei. Schlagartig.

Weil die Gucki dem Fräulein Aistleitner alles, aber auch wirklich alles zutraut. Springen die Gucki und der Turrini auch schon ins Auto und lassen die Reifen quietschen. Aber schon in jeder einzelnen Kurve zwischen Freistadt und St. Anton!

Jetzt hat die Gucki doch noch ein Geburtstagsgeschenk für ihren Turrini: dreizehn junge Hunde! Hat er wen zum Spielen. Hoffentlich zerbeißt er sein neues Spielzeug nicht gleich!

II

„Hat es dir leicht die Kopfdichtung zerrissen?“ ist eine Frage, die man am ehesten einem Automechaniker zutrauen tät. Muss aber gar nicht sein. Eine kaputte Kopfdichtung kennt ja ein jeder. Gehört praktisch zur Allgemeinbildung. Wird bei uns im Mühlviertel gern verwendet, wenn man wen anstänkern will. Da bedeutet kaputte Kopfdichtung dann kaputter Kopf. Sprich: Man erklärt den Angesprochenen für deppert.

Ist also nur ein blöder Zufall, dass es wirklich ein Kfz-Mechaniker ist, der die Gucki jetzt fragt: „Hat es dir leicht die Kopfdichtung zerrissen?“

Dass der Fuzzi und die Gucki in der Meierhansl-Hütte sitzen, ist aber ganz und gar kein Zufall. Weil Dienstag ist. Da wird halt einmal in der Meierhansl-Hütte tarockiert. Jeden Dienstagabend. Besser gesagt: die halberte Nacht. Ist ja die Gucki auch schon wieder seit siebzehn Jahren dabei und hat noch keinen einzigen Dienstag ausgelassen.

Normalerweise nimmt die Gucki ihren Turrini überall hin mit. Nur in die Meierhansl-Hütte nicht. Da hat auch der alte Turrini nicht mit dürfen. Weil beim Tarockieren so fleißig geraucht wird, dass du die Luft in Scheiben schneiden kannst. Wirklich nix für einen Hund! Am allermeisten raucht sowieso die Gucki. Noch dazu ein extrem stinkendes Kraut: Gauloises filterlos.

„Wer sowas raucht, frisst auch kleine Kinder!“, hat der Fuzzi behauptet, wie er einmal so eine Gauloise probiert hat.

Ihre Zigaretten muss sich die Gucki übrigens aus Paris schicken lassen. Von einer früheren Schulkollegin, die einen Franzosen geheiratet hat. Weil es die filterlosen Gauloises seit einem halben Jahr bei uns nimmer gibt. Seit sie das mit den Schockbildern auf den Zigarettenpackerln eingeführt haben.

Ein kompletter Schwachsinn – wenn du mich fragst! Deine Gesundheit kannst du dir ja auch mit allen möglichen anderen Sachen ruinieren. Tät man praktisch überall ein Schockbilderl draufpicken müssen. Sagen wir einmal: Auf jedes Motorradl kommt dann ein Bilderl von einer Beinprothese und dazu ein lässiger Spruch:

Motorradlfahren kann Ihnen

einen Haxen ausreißen

Der Fuzzi hat die Gucki aber nicht gefragt: „Hat es dir leicht die Kopfdichtung zerrissen?“, weil sie raucht wie ein Auto mit einer kaputten Kopfdichtung, sondern deswegen, weil sie heute so miserabel Karten spielt. Macht praktisch einen Fehler nach dem anderen. Normalerweise ist es grad umgekehrt: die Gucki ohne Fehl und Tadel, der Fuzzi aber spielt so einen Schmarrn zusammen, dass ihm seine Mitspieler nicht selten mit Mord und Totschlag drohen.

Gleich drauf passiert aber was, das alle Tarockierer noch mehr überrascht als der Gucki ihre Spielfehler: Die Gucki überhört die blöde Bemerkung vom Fuzzi einfach. Sie, die es als Einzige mit der großen Goschen vom Fuzzi aufnehmen kann und normalerweise auch tut, sagt nicht: „Besser eine kaputte Kopfdichtung als gar kein Hirn!“

Die Gucki sagt überhaupt nix. Ist ja heute nicht zum Tarockieren in die Meierhansl-Hütte gekommen und schon gar nicht zum Blöd-Daherreden, sondern zum Nachdenken. Weil sie bei dem ganzen Wirbel, der zum Tarockieren halt einmal dazugehört, am besten nachdenken kann.

Heut ist sie den ganzen Tag in der Redaktion der Mühlviertler Nachrichten gesessen und hat fieberhaft nachgedacht. Und was ist dabei herausgekommen? Rein gar nix! Jetzt sitzt sie erst zwei Stunden in der Meierhansl-Hütte und hat erst vier Bier getrunken – und trotzdem kommt ihr der ganze Kriminalfall schon viel klarer vor. Um zwei in der Früh – praktisch nach zwölf Bier – müsste sie ihren Fall eigentlich gelöst haben. Wird sie aber hübsch ein Geld kosten, wenn sie weiterhin so schlecht spielt wie bisher.

„Welchen Fall, bitte?“, wird man jetzt energisch einwerfen. „Dreizehn kleine Hunde sind doch kein Kriminalfall – höchstens ein Bagatelldelikt!“

„Weil ihr mich schon wieder nicht ausreden lasst’s!“, kann ich da nur sagen. „Das Leben ist halt einmal keine Autobahn, sondern eine ziemlich eine kurvenreiche Bundesstraße – genau wie die Straße von Freistadt nach St. Anton!“

Das war nämlich so: Flitzen die Gucki und der Turrini nach St. Anton. Gestern war das. Hab ich ja eh schon erzählt. Gleich hinein in die Aufbahrungshalle. Wirklich: dreizehn junge Hunde in einem Sarg! Nimmt die Gucki einen heraus und ermahnt den Turrini eindringlich: „Aber ganz vorsichtig spielen – und nicht gleich den Schädel abbeißen!“

Stürzt sich aber eh nicht der Turrini auf den kleinen Hund, sondern umgekehrt: der kleine Pudel stürzt sich auf den Turrini. Besser gesagt: auf den Bauch vom Turrini. Hält ihn anscheinend für seine Mama und will eine Milch. Muss sich dabei irrtümlich in dem Turrini sein Zipferl verbissen haben. Was ihm natürlich eine ordentliche Watschen eintragt. Rennt er also davon. Der Turrini hinterher. Jetzt werden wir ja sehen, wie gut er als Hirtenhund ist, der Turrini. Überhaupt nicht geeignet! Statt dass er den kleinen Hund zur Gucki zurücktreiben tät, spielen die zwei Fangen. Und sind auch schon in die Kirche hineingerannt. Die Gucki natürlich hinterher. Könnt ja das Fräulein Aistleitner drinnen lauern und sämtliche Hunde, die das Gotteshaus entweihen, mit einem Weihwassersprenger erschlagen.

Auf einmal bleibt der Turrini mitten in der Kirche wie angewurzelt stehen und schnüffelt am Boden herum. Dann hat er auch schon eine Spur aufgenommen und rennt mit gesenkter Schnauze zielstrebig in den hintersten Winkel der Kirche. Dort, wo der Beichtstuhl steht. Und den bellt er so scharf an, wie wenn er ein diplomierter Drogenspürhund wär und der hochwürdige Herr Pfarrer zehn Kilo Marihuana im Beichtstuhl versteckt hätt.

Muss die Gucki natürlich lachen. Weil der kleine Pudel den Turrini imitiert und auch den Beichtstuhl ankläfft. Vielleicht hat sich ja wirklich noch ein kleiner Hund dort drinnen versteckt? Praktisch wie im Märchen. Wie das siebente Geißlein in der Pendeluhr!

Ist dann aber kein kleiner Hund im Beichtstuhl, sondern ein großer Mann. Dafür hat er ein Hundehalsband und einen Beißkorb um. Sonst hat er nix an: pudelnackert! Und ziemlich tot ist er auch. Sieht die Gucki auf den ersten Blick. Schließlich ist das nicht ihre erste Leich.

Und hoffentlich auch nicht ihre letzte! Denn wenn die Gucki ehrlich ist, muss sie zugeben, dass sie an ihrem Beruf eigentlich nur die Mordfälle interessieren. Und ein Nackerter mit Hundehalsband und Beißkorb ist garantiert nicht eines natürlichen Todes gestorben. Braucht die Gucki ja nur das Halsband abnehmen, sieht sie auch schon den rotblauen Streifen um den Hals: eindeutig stranguliert! Vermutlich mit einer Hundeleine.

„Um Gottes Willen! Das ist ja fahrlässige Spurenvernichtung, was die Gucki da macht!“, werden jetzt alle schreien, die sich im Fernsehen immer so Krimis anschauen, wo die Mörder ausschließlich mit wissenschaftlicher Auswertung der Spuren überführt werden. Manche werden sogar wissen, dass man das Forensik nennt.

Aber erstens hat die Gucki gar keinen Fernseher, und zweitens hat sie alle ihre Mörder immer mit Nachdenken und im Notfall mit körperlichem Einsatz geschnappt. Und natürlich mit Hilfe vom Turrini. Warum also sollte sie es diesmal anders angehen?

Nur: Wo soll sie jetzt anfangen? Zuerst ins Wirtshaus: Wasser für die kleinen Hunde holen! Dann ins Kaufgeschäft: Hundefutter besorgen! Nach diesen Erste-Hilfe-Maßnahmen wird aber auch schon ein schönes Gruppenfoto gemacht: alle dreizehn Hunde mitten am barocken Taufbecken! Wirklich ein gelungenes Bild für die Titelseite der Mühlviertler Nachrichten.

Die Fotos, die die Gucki dann vom Mordopfer schießt, kann sie ja sowieso nicht verwenden. Weil die Mühlviertler Nachrichten zwar provinziell sind, aber nicht kriminell. Sprich: Die Schaulust der Leser wird grundsätzlich nicht mit Leichen-Fotos befriedigt. Ihre lieben Kollegen von der Sensationspresse täten ihr die Bilder aus der Hand reißen und für ein einziges Foto gleich ein paar tausend Euro hinblättern. Kann die Gucki aber leider nicht machen. Weil sie mit diesen Sensationsreporter-Trotteln ja nicht einmal redet.

Mit dem einen oder dem anderen Trottel von der Kriminalpolizei muss sie jetzt aber schon reden. Leider Gottes! Weil ihr die Kripo garantiert wieder in ihren Fall hineinpfuscht. Am liebsten hätte sie ja die Leiche mitgenommen und fürs erste einmal in die Tiefkühltruhe gesteckt. Damit sie in Ruhe ermitteln kann. Geht aber nicht! Erstens wär das Unterschlagung von Beweismitteln, zweitens aber ist die Gucki durch ihre ganzen Mordfälle mit der oberösterreichischen Kriminalpolizei praktisch auf Du und Du. Der Chef der Abteilung Leib und Leben, der Oberstleutnant Otto Rammer, ist seit Jahren ihr hartnäckigster Verehrer. Sein Stellvertreter, der Major Karl Bürstinger, aber ist der Gatte von der Gucki ihrer besten Freundin, der Sybille. Und noch dazu ist die Gucki die Taufpatin von der kleinen Gucki, der Tochter vom Karli und von der Sybille.

Den Rammer ruft sie lieber nicht an. Entweder er macht ihr wieder einen Heiratsantrag – oder er erinnert sich womöglich an die ganzen Watschen, die er im Lauf der Jahre von der Gucki gekriegt hat. Wird sich weder das eine noch das andere positiv auf die Zusammenarbeit auswirken. Und auf den Turrini ist der Rammer auch nicht gut zu sprechen. Weil ihn der schon ein paarmal ordentlich ins Haxl gebissen hat. War zwar der alte Turrini, das mit dem Haxlbeißen, aber der Rammer wird da keinen Unterschied machen.

Ruft die Gucki also den Karli an. Der lasst sich vielleicht zu einem kleinen Deal überreden.

„Kriminalpolizei Oberösterreich, Major Bürstinger!“, sagt der Karli vorschriftsmäßig.

Mühlviertler Nachrichten, Gräfin Gudrun!“, meldet sich die Gucki genauso professionell.

„Servus, Gucki! Hast dir leicht einen Grafen geangelt? Höchste Zeit! Bist eh schon überstandig!“

In diesem scherzhaften Ton geht es dann noch eine ganze Weile dahin. Können wir uns aber sparen. Uns interessiert ja nur der Deal, den die Gucki dem Karli vorschlagen will.

„Was tätest du zu einem kleinen Geschäft sagen, mein lieber Karli?“, fragt die Gucki also. Deal sagt sie lieber nicht. Kennt ja das Hauptschul-Englisch vom Karli. „Ich liefer dir ein Eins-a-Mordopfer, du lieferst mir dafür morgen Vormittag einen vollständigen Obduktionsbericht?“

„Gilt! Aber nur, wenn du am Samstag am Abend auf die kleine Gucki aufpasst. Weil ich mit der Sybille auf den Bürgerball gehen muss.“

Das alles geht der Gucki jetzt so durch den Kopf. Wie sie in der Meierhansl-Hütte sitzt. Und eigentlich den Schädel beim Tarockieren haben sollte. Weil irgendwas mit dieser Leiche nicht stimmt. Nämlich das Arrangement. Alles viel zu offensichtlich!

„Eindeutig!“, hat der Oberstleutnant Rammer gesagt, wie er die Leiche gesehen hat. „Eindeutig ein Mafia-Mord! Mit einer eindeutigen Botschaft. Der Beichtstuhl heißt: Der Mann hat was ausgeplaudert. Der Beißkorb heißt: Jetzt kann er nix mehr ausplaudern.“

„Und das Hundehalsband?“, hat der Karli wissen wollen.

„Das heißt nix anderes, als dass der Tote ein Hund war, der seinem Herrn nicht gefolgt hat!“

„Schad, dass keine Hundemarke drauf ist!“, hat die Gucki gemeint. „Wo Rumänische Mafia draufsteht. Oder Bulgarische Mafia oder Russische Mafia.“

Hat der Rammer nix gesagt. Hat die Gucki nur so angeschaut. Mit so einem zweideutigen Blick. Wo man nicht weiß, will er ihr jetzt eine Faustwatschen geben – oder will er jetzt im Beichtstuhl mit ihr schnackseln?

„Und was für eine Bedeutung haben die dreizehn kleinen Hunde?“, hat aber dann glücklicherweise der Karli gefragt. „Weil Dreizehn eine Unglückszahl ist?“

Wird die Gucki auf einmal jäh aus ihren Gedanken gerissen. Und in die Meierhansl-Hütte zurückgeholt. Der Fuzzi spielt einen Dreier, der Johnny hat Tarock und schießt. Das gibt es doch gar nicht! Der Johnny wollte doch eigentlich einen Bettler spielen? Geht ja gar nicht mit Tarock! Ist gleich: Er hat dem armen Fuzzi nur was vorgespielt – und der ist drauf reingefallen.

In dem Moment kapiert die Gucki schlagartig, dass die ganze Inszenierung der Leiche nur ein einziges Theater ist. Nur eine lachhafte Maskerade, die vom eigentlichen Mordmotiv ablenken soll. Hat ja auch bestens funktioniert. Weil der Rammer und mit ihm die ganze Kripo Oberösterreich in Richtung Mafia-Mord ermittelt. Wobei sich der Rammer bereits auf die tschetschenische Mafia festgelegt hat.