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Das Wort vif kommt vom französischen Wort für Leben: la vie, vivant. Wer vif ist, ist lebendig …

… die Wörter kommen von weiter her als wir, sie bringen ihre Erfahrungen mit, und auch, wenn wir nichts von diesen Erfahrungen wissen, teilen sie sich mit als Spurenelemente. Nur weil ich die Spurenelemente nicht sehe, heißt das nicht, dass sie nicht da sind.

Arno Geiger, Der Hahnenschrei

Hinweise zur Entstehung und zum Gebrauch dieses Wörterbuchs

1. Was enthält das Wörterbuch?

Das vorliegende Wörterbuch unternimmt den Versuch, den noch bekannten und spezifisch dialektalen Wortschatz des Bundeslands Tirol (Nord- und Osttirol) und der Autonomen Provinz Bozen (Südtirol) möglichst vollständig zu erfassen.

Als spezifisch dialektal werden Wörter angesehen, die es in der Standardsprache entweder gar nicht gibt oder die sich lautlich bzw. in der Bedeutung stark vom Standard unterscheiden. So stark, dass ein Nichttiroler darauf hingewiesen und dem Tiroler der Unterschied bewusst gemacht werden sollte. Das heißt, dass Wörter wie Haus und Berg, die sich lautlich und semantisch nicht wesentlich vom Standard unterscheiden, fehlen, während Wörter des Typs åchi (hinunter), Bårm (Futtertrog) oder Kees (Gletscher) zu finden sein sollten. Dialektspezifische Komposita (z. B. Bergtschure und das auch in anderen Dialekten bekannte Bergsteckn) und die Sonderbedeutungen von Berg (Weidegebiet, höher gelegener Teil einer Ortschaft) werden ebenso aufgenommen wie die von Heisl (ursprünglich kleines Haus und damit auf die räumliche Trennung der Toilette vom Wohnhaus hinweisend) oder heislen (spielen, herumspielen). Auch wenn ein standardsprachlich bekanntes Wort dialektal eine andere Bedeutung hat, wird es ins Wörterbuch aufgenommen, also: hausen (gut wirtschaften, haushalten) oder Bart (im Sarntal nicht nur Bart, sondern auch Kinn).

Als noch bekannt gelten uns Wörter, die – aus welcher Quelle auch immer entnommen – von mindestens einer unserer Gewährspersonen für ihre Region als bekannt rückgemeldet und in der Bedeutung geprüft und bestätigt wurden. Das bedeutet nicht, dass diese Wörter von allen – oder auch nur den meisten – Dialektsprechern noch täglich bzw. regelmäßig verwendet werden. Es ist davon auszugehen, dass in ländlich-abgelegenen Orten mehr Dialektsprecher zu finden sind als in den Städten und in den Haupttälern und dass es sowohl hier wie dort einen Kern von Wörtern gibt, die sich besser halten als andere. Weil die Übergänge vom harten Kern der täglich gebrauchten bis zu den eher nur noch erinnerten Wörtern fließend sind und es dazu keine ausreichenden Untersuchungen gibt, haben wir darauf verzichtet, die Gebrauchshäufigkeit von Wörtern zu vermerken und bestimmte Wörter als „veraltet“ oder „veraltend“ zu kennzeichnen. Jedenfalls ist aus den genannten Gründen das Buch zweifellos die umfassendste Sammlung des noch gebrauchten bzw. noch von aktiven Sprachteilhabern erinnerten Dialektwortschatzes der Gegenwart.

Die Beschränkung auf das Dialektspezifische hat vor- und nachteilige Folgen. Der große Vorteil besteht darin, dass der Umfang des Wörterbuchs in vertretbaren Grenzen bleibt, weil es sich auf den Teil des Wortschatzes beschränkt, der erfahrungsgemäß die Liebhaber des Dialekts besonders interessiert und der im Normalfall eher einer etymologischen Erklärung bedarf. Ein Nachteil ist, dass so der Eindruck entstehen könnte, Wörter des modernen Lebens wie Stress, Radio, Computer oder Stick würden im Dialekt nicht gebraucht, gehörten also nicht zum Dialekt, genauso wie Wörter der Jugendsprache wie cool, top, super oder krass. Das ist aber ein Nachteil, der mit Entstehung und Zielsetzung des Buchs zusammenhängt und nicht mit dessen Dialektverständnis. Übrigens auch nicht mit dem instinktiven Dialektverständnis der Sprecher selbst, die diese Wörter selbstverständlich nicht nur dann verwenden, wenn sie Standard, sondern auch dann, wenn sie breiten Dialekt sprechen (dann verwenden sie eben mit breitem Tiroler scht- und hartem, gutturalem -ck einen Schtick zum Abspeichern einer Datei, fahren den Computer auffi oder åchi und junge Tiroler empfinden heutzutage eine gute Sache (ebenfalls mit dem markanten Tiroler kch-) als kchuhl oder gar urkchuhl. Linguistisch gesehen handelt es sich dabei um junge Lehnwörter im Dialekt. Wie sehr junge Leute das so empfinden, belegt ein aufschlussreicher Eintrag aus Thurn in die Dialekt-Datenbank für Osttirol des Nationalparks Hohe Tauern: Er gibt als Stichwort das Adjektiv krass ein und erklärt es dann mit den interpretierenden Synonymen cool und super.

Da es sich dabei – nicht nur bei den Anglizismen – um jugendsprachliche Elemente handelt, die auch standardsprachlich zu finden sind, sind sie im Normalfall nicht ins Wörterbuch aufgenommen. Eine Ausnahme bilden allerdings die dialektalen Italianismen (eine ganze Reihe davon haben wir aus dem Wörterbuch von Larch/Unterholzner übernommen), weil sie meist Südtirol einerseits und Nord- bzw. Osttirol andererseits auf dialektaler Ebene zu unterscheiden beginnen.

2. Für wen ist das Wörterbuch gedacht?

Pauschal lässt sich diese Frage einfach beantworten: für alle Liebhaber des Dialekts und für alle, die sich für die Tiroler Dialekte interessieren. Das Wort Liebhaber heißt mit einem französischen Ausdruck Amateur, und der Amateur in diesem Sinn ist in der Regel nicht Fachmann, sondern Laie. Das Buch ist also für den interessierten – im 18. Jahrhundert hätte man vielleicht hinzugefügt: und den geistreichen – Laien gemacht. Das hat Konsequenzen: ein Buch für Fachleute müsste zum ersten alle Wörter enthalten, die es in den Dialekten gibt, also auch die eingangs genannten Wörter wie Haus und Berg, Feld und Wald und Neuwörter vom Typ Stress, Stick, Gaspedal einerseits und solche vom Typ cool, krass, super andererseits. Es müsste darüber hinaus mit einer Lautschrift arbeiten, die dem Laien naturgemäß fremd ist. Es sollte im Idealfall schließlich sowohl die Bedeutungsangaben wie die Etymologien für den kritischen Blick der Fachkollegen formulieren und könnte auf viele kulturhistorischen Hinweise und die schönen Belege aus dem dialektalen Liedgut verzichten, die gerade den Laien interessieren.

Es gibt ein wissenschaftlich wohlfundiertes Tiroler Wörterbuch, das den Anspruch der Vollständigkeit mit der Forderung nach lautlicher Genauigkeit verbindet und bis heute eine unerschöpfliche Fundgrube des Tiroler Wortschatzes ist: Es ist das Wörterbuch von Josef Schatz, das zuerst 1955 erschien und 1993 unverändert nachgedruckt wurde. Dieses Wörterbuch dokumentiert aber die Situation der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, grob gesprochen also vor beinahe einem Jahrhundert (die Sammlungen haben vor dem 2. Weltkrieg begonnen). Deshalb enthält es viele Wörter, die heute niemand mehr kennt. Es ist überdies für Laien aus mehreren Gründen schwer zu handhaben, vor allem auch deshalb, weil die Wörter oft nur dann auffindbar sind, wenn man gewisse Vorkenntnisse in der dialektalen Lautgeschichte hat. Außerdem verzichtet es auf etymologische Angaben, wo sie für Fachleute selbst erschließbar sind. Umgekehrt sind uns für das vorliegende Wörterbuch auch einzelne Wörter und nicht wenige Bedeutungen gemeldet worden, die im Schatz nicht zu finden sind.

3. Wie kommen die Wörter ins Buch?

Die Basis für die vorliegende Sammlung bilden unsere beiden Vorgängerbände: Das Radio Tirol-Wörterbuch der Tiroler Mundarten (zu den Nord- und Osttiroler Dialekten) und das Wörterbuch der Südtiroler Mundarten. In den Vorworten dieser Bände wird genauer über die Wortsammlung berichtet. Der Nordtirol-Band fußt im Wesentlichen auf Schatz und jüngeren Wortsammlungen, einer mehrmonatigen Sammelaktion von Radio Tirol und einigen Wortsammlungen im Netz. Ähnliches gilt für Südtirol. In diesem Teil Tirols gibt es aber ein relativ junges Dialektlexikon (Tscholl), sowie sehr gute Regional- bzw. Lokalwörterbücher: das von Laien erstellte Latzfonser Wörterbuch (2004), sowie die Wörterbücher von Wild (2004), Christensen (2014) und Zelger (2004 und 2014), vor allem das maßstabsetzende Wörterbuch zum Passeirer Dialekt von Haller und Lanthaler (2004), die uns überdies ihre um etymologische Erklärungen bereicherten Dateien zugänglich gemacht haben, wofür ihnen nicht genug gedankt werden kann (vgl. Wörterbuch der Südtiroler Mundarten, S. 7 f.). Bei Bedarf wurde selbstverständlich immer wieder der grundlegende, von E. Kühebacher bearbeitete Tiroler Sprachatlas herangezogen.

Schon im – zeitlich frühesten – Radio Tirol-Wörterbuch der Tiroler Mundarten haben wir das gesammelte Wortgut einer Reihe von Gewährspersonen aus allen Landesteilen vorgelegt (siehe dort die Liste S. 325, sowie Vorwort S. 8 f.) und nur jene Wörter aufgenommen, die durch diese Gewährspersonen bestätigt wurden. Mutatis mutandis sind wir im Südtirol-Band ähnlich verfahren (siehe dort S. 9 und S. 367). Da im Südtiroler Wörterbuch – vor allem dank der erwähnten Regional- und Lokalwörterbücher – eine Fülle von Stichwörtern dazugekommen war, wurde das Wortgut beider Bände (also auch des Nordtirol-Bandes) durch germanistisch geschulte Südtiroler Gewährspersonen (und Dialektkenner) im Hinblick auf Bekanntheit, Lautungen und Bedeutungen systematisch geprüft. Wörter, die den Südtiroler Gewährspersonen nicht bekannt waren, also Ausdrücke, die offensichtlich nicht in Südtirol insgesamt verwendet werden, haben wir mit einem Sigel versehen, das angibt, aus welchem Tal- oder Ortswörterbuch sie entnommen wurden (z. B. Pass. für Passeiertal, La. für Latzfons).

Diese Sigel wurden im vorliegenden Band beibehalten, sofern sie durch den neuen Kontrollgang nicht ergänzungs- oder korrekturbedürftig waren. Denn selbstverständlich musste die gesamte Sammlung für den vorliegenden Band von neuem von Nord- und Osttiroler Gewährspersonen gegengelesen werden, um festzustellen, was davon auch außerhalb Südtirols bekannt und lautlich oder semantisch zu ergänzen war. Eine Gewährsperson aus Pfunders sicherte überdies noch einmal den östlichen Landesteil Südtirols ab. Die Gewährspersonen aller Bände sind generell nicht nur philologisch-mundartkundlich versiert, sie haben Zweifelsfälle auch durch Umfragen bei Partnern, Verwandten und Bekannten abgesichert. Ihr Anteil an der Verlässlichkeit des vorgelegten Wörterbuchs kann daher nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Auch die neuen, im Lauf der Recherchen dem Netz entnommenen Wörter wurden den Gewährspersonen vorgelegt. Das gilt vor allem für die sehr umfangreiche Sammlung Osttiroler Dialektwörter, die der Nationalpark Hohe Tauern ins Netz gestellt hat: Sie wurde nicht nur von unserem Osttiroler Gewährsmann und seiner Verwandtschaft gefiltert (als Laiensammlung wies sie natürlich Mängel auf), sondern auch von drei Gewährsleuten aus anderen Landesteilen daraufhin durchgesehen, ob die so gewonnenen neuen Wörter auch außerhalb Osttirols bekannt sind.

4. Wie sind die Wortartikel aufgebaut?

Das vorliegende Lexikon soll alle elementaren Informationen liefern, die notwendig sind, um ein Wort richtig zu verstehen und zu bewerten – seine Lautung, seine grammatische Funktion, seine Herkunft (in eckigen Klammern: […]) und seine Bedeutung bzw. seine Bedeutungen, denn es kommt natürlich vor, dass ein Wort mehrere Bedeutungen hat oder in verschiedenen Dialekten Verschiedenes bedeutet. Die Lautung bzw. die Lautungen (vgl. dazu den folgenden Abschnitt) bilden den Anfang des jeweiligen Artikels. Es folgen die Angaben zur Grammatik, die beinahe ausnahmslos für alle Regionen des Landes einheitlich sind: die Einordnung in die entsprechende Wortart (Abkürzungen siehe S. 518); beim Verb wird darüber hinaus durch den Hinweis 〈hat〉 oder 〈ist〉 darüber informiert, mit welchem Hilfszeitwort die Perfektformen gebildet werden, bei vielen Substantiven gibt es zudem auch Angaben zur Pluralbildung.

Im Normalfall einheitlich können auch die Angaben zur Herkunft (Etymologie) sein, die immer – in eckigen Klammern – unmittelbar auf die Wortartbestimmung folgen. Einfache Artikel folgen also dem Muster der folgenden Beispiele:

 

tear, tearisch, tẹrsch, tearlas 〈Adj.〉 [eigentlich: *törisch aus dem Substantiv Tor (= unkluger Mensch), denn in der Kommunikation mit Schwerhörigen kommt es oft zu Missverständnissen, inadäquaten Antworten etc.; -las ist ein Synonym von -lich; vgl. mhd. tōreht, tœrisch (= töricht, närrisch, dumm); siehe toaret]: 1. schwerhörig 2. unfügsam, starrköpfig, widerspenstig.

wạttn 〈hat〉 [ladin. batte(r) (= kämpfen, schlagen); die Dolomitenladiner sagen noch heute zu diesem Kartenspiel battadù; w (statt b-) im Anlaut deshalb, weil im Mhd. der Region b und w oft alternativ verwendet wurden); die Ableitung von franz. va tout (= letzter Trumpf) ist also verfehlt] (auch bairisch-österreichisch): das Kartenspiel Watten spielen.

Wạttn, das [Substantivierung von wattn] (auch bairisch-österreichisch): ein in Tirol weit verbreitetes Kartenspiel.

Wạtter, der [siehe wattn] (auch bairisch-österreichisch): eine Partie Watten: an Watter tuan.

Als einfach sind die Beispiele deshalb einzustufen, weil Lautung und Bedeutung in allen Dialekten des Landes übereinstimmen. Die etymologischen Bemerkungen zu den ausgewählten Stichwörtern machen bewusst, welcher Art die Informationen sind, die sprachlich interessierte Menschen von einem Wörterbuch erwarten können, das auch die Geschichte der Wörter erfasst. Beim Kernwortschatz ist das immer wieder die Tatsache, dass sich der Dialekt unabhängig von der Standardsprache – nach bestimmten Regularitäten des Lautwandels – direkt aus dem Mittelhochdeutschen ableiten lässt. Unsere Dialekte sind also keine Derivate der Standardsprache, sondern eher umgekehrt: Die Standardsprache ist eine Mischung von Dialektformen, die durch die Arbeit von Kanzleien, Grammatikern und populären Autoren allmählich vereinheitlicht wurden.

5. Wie werden die Wörter geschrieben?

1. Das ist eine Gretchenfrage an die Wörterbuchmacher, weil sie nicht wirklich befriedigend beantwortet werden kann. Denn einerseits wechseln die Lautungen von Ort zu Ort und von Tal zu Tal, anderseits könnten sie einigermaßen befriedigend nur mit einer Lautschrift wiedergegeben werden, die Laienleser überfordern würde. Wir sind daher prinzipiell von den Laut- Buchstabenbeziehungen in der Standardsprache ausgegangen, wie wir sie alle seit der Schulzeit internalisiert haben. Deshalb schreiben wir bock|boanig, das Dialektwort für widerspenstig, zweimal mit -b-, obwohl es sich in den Ohren der übrigen Deutschsprachigen (und der Phonetiker) wie -p- anhört (pockpoanig), weil sonst die Verbindung mit den vertrauten Wörtern Bock und Bein verloren ginge; und im zweiten Wortteil schreiben wir -oa-, weil das den Laut-Buchstabenbeziehungen, die wir gewohnt sind, am nächsten kommt.

2. Das Prinzip Lautwiedergabe wie im Standard lässt sich aber nicht in allen Fällen durchhalten, weshalb einige wenige – im Ganzen vier – Zusatzzeichen unumgänglich sind. Dies sind:

Å bzw. å für das verdumpfte a, das – wie in allen bairisch-österreichischen Dialekten – in der Lautqualität zwischen a und o steht; dieses Zeichen ist so weit verbreitet, dass es den meisten Lesern schon vertraut sein dürfte.

Strich unter den Vokalen: er signalisiert, dass es sich um einen langen (und in der Regel betonten) Vokal handelt. Das ist zweifellos die bedeutsamste Abweichung vom gewohnten Schriftbild, in dem Vokallänge entweder gar nicht (malen) oder durch Dehnungs-h (mahlen), durch Vokaldopplung (Saal) und im Fall des -i- durch -ie- gekennzeichnet werden kann (liegen). In unserer Schreibung würden die vier Wörter so geschrieben: malen, malen, Sal, ligen.

Punkt unter den Vokalen: als Gegenstück zum Strich bezeichnet er betonte Kürze des Vokals: Wạ̊sser, Fẹnster, fịnster, fọppm (= Wasser, Fenster, finster, foppen).

3. Auch unsere Schreibung der Diphthonge bedarf einer vorweggenommenen Erläuterung: Bei den steigenden Diphthongen orientieren wir uns am geläufigen Schriftbild; wir schreiben also -ei-, obwohl der erste Teil des Diphthongs in den meisten Tiroler Dialekten eher (oder ganz) wie ein a klingt (also wie ai); in ähnlicher Weise schreiben wir -au-, obwohl -ao- vielleicht zutreffender wäre: also Beißwurm, Bauvogl (= Schlange, Bachstelze) wie Standarddeutsch beißen und bauen. Bei den fallenden Diphthongen (i+e, o+a und u+a) – die es in der Standardsprache ja nicht gibt – orientieren wir uns am Lautbild und schreiben -ia- bzw. -oa- und -ua- (also liab, hoach und guat für lieb, hoch und gut). Uns ist klar, dass das besonders im Fall des -ia- problematisch ist, weil dieses in den meisten Tiroler Dialekten ganz oder eher wie i+e klingt, aber die Schreibung ie in einem Wort wie lieb würde wohl unweigerlich als langes i gelesen werden.

Mehr zum Thema Lautschreibung finden Sie im Anhang auf S. 511.

6. Wie finden Sie die Wörter?

Die größeren und kleineren Lautunterschiede zwischen den Dialekten werfen natürlich bei jedem Wort die Frage auf, in welcher Lautung es alphabetisch eingeordnet werden soll. Auch darauf kann es nur approximative Antworten geben, weil mehrere Aspekte gegeneinander abgewogen werden müssen. Einerseits haben wir versucht, möglichst weit verbreitete Lautungen an die Spitze eines Stichworts zu stellen, andererseits geben wir in vielen Fällen an zweiter und dritter Stelle auch alternative Lautungen an; das sollte nicht so missverstanden werden, dass das die einzigen Alternativen sind, aber es soll einen Hinweis auf die Streubreite der Lautungen geben (also etwa Boan, Buan, Ban für „Bein“, aber nur Boan, Buan für „Bohne“; nicht explizit gemacht wird, dass in manchen Dialekten das -n nicht artikuliert wird, sondern nur in der Nasalierung des Vokals spürbar ist: Boan, Buan).

Dass wir den Wortanfang mit „weichem“ B schreiben, obwohl der Laut in den meisten Tiroler Dialekten sehr hart ausgesprochen wird, hat natürlich damit zu tun, dass unseren Lesern „Bein“ von der Schreibung her so vertraut ist, dass sie das Wort zunächst unter B suchen werden (siehe Prinzip 1 der Lautwiedergabe). Das ist auch der Grund, warum wir beispielsweise die vertraute Vorsilbe ver- in Verben vom Typ vergessen, verstecken oder die Ortspartikel vor nicht unter f-, sondern unter v- verzeichnen.

Das heißt, wenn Sie ein Wort unter einer Schreibung nicht finden, sollten Sie überlegen, ob es nicht auf andere Weise verschriftlicht werden kann. Öfters haben wir in solchen Fällen auch Verweis-Stichwörter eingefügt, um die Suche zu erleichtern.

7. Gibt es „den“ Tiroler Dialekt?

A. Gilead besetzte die nach Efraim führenden Übergänge über den Jordan. Und wenn fliehende Efraimiter kamen und sagten: Ich möchte hinüber!, fragten ihn die Männer aus Gilead: Bist du ein Efraimiter? Wenn er nein sagte, forderten sie ihn auf: Sag doch einmal „Schibboleth“. Sagte er dann „Sibboleth“, weil er es nicht richtig aussprechen konnte, ergriffen sie ihn und machten ihn dort an den Furten des Jordans nieder (Richter 12, 5 f.).

B. Spruch aus Sillian in Osttirol: Muito, do Bui tuit mo! Wås tuit denn do Bui? Er schlot ma afn Huit, dass’ an Bumsara tuit.

C. Oach|katzl|schwoaf, Ach|katzl|schwoaf, der: Eichhörnchenschweif (wird scherzhaft benützt, um Fremde zu testen, inwieweit sie tirolerische Laute aussprechen können).

Weil der behandelte Dialektraum geographisch definiert ist, stellt sich Frage nach „dem“ Tiroler Dialekt zwar erst sekundär, sie wird aber zurecht immer wieder gestellt, weil sie psychologisch und soziologisch (und das heißt auch politisch) durchaus von Interesse ist. Wir beantworten sie generell folgendermaßen: 1. „den“ oder „einen“ Tiroler Dialekt, der taxonomisch (d. h. durch eine Liste von Merkmalen, die nur und für alle Tiroler Dialekte gelten) definiert werden könnte, gibt es zwar nicht, es ist aber 2. auch wissenschaftlich legitim, ja geboten, von „den Tiroler Dialekten“ oder eben vom Tiroler Dialekt und seinen Varianten zu sprechen.

Teil 1 der Antwort hat damit zu tun, dass jedes Tal (streng genommen jeder Ort) seine Besonderheiten hat – das fängt schon mit den Lauten an: das Wort „Stein“ zum Beispiel wird im Unterinntal bis etwa Hall als Stoan ausgesprochen (das hochgestellte -n heißt, dass der Laut nasaliert ist), dann nach Westen hin heißt es – unnasaliert – Stoan, im Zillertal Stuan, im Drautal, im Paznaun und im Stanzertal hingegen Stan oder Stan. Solche Lautunterschiede gibt es – wie ein Blick in den Tiroler Sprachatlas zeigt – unendlich viele.

Und was für die Laute gilt, gilt genauso für die Wörter. Dem Fasching in den Bezirken Kufstein und Kitzbühel entspricht die Fasnacht im übrigen Land, westlich von Schwaz heißt der Gletscher Ferner, östlich davon Kees, ähnlich sind die Zuntern und die Latschen verteilt, usf. – die Liste ist beliebig erweiterbar.

Und trotzdem: Obwohl all das zutrifft, gibt es im Kopf der Tiroler – und wohl auch der übrigen Österreicher – mehr oder minder klare Vorstellungen, was in der Sprache dieses nördlich und südlich der österreichisch-italienischen Grenze liegenden Landes „typisch tirolerisch“ ist. Das hat damit zu tun, dass die Dialekte Tirols (wie auch die anderer Dialektlandschaften) durch das gekennzeichnet sind, was Wittgenstein „Familienähnlichkeit“ genannt hat. Das heißt, es gibt keine Merkmale, die für alle (und nur die) Dialekte einer Region – in diesem Fall Gesamttirols – zutreffen (fachsprachlich: Dialektregionen sind nicht taxonomisch klassifizierbar), aber die Übereinstimmung der tal- oder ortstypischen Sprachmerkmale mit denen des unmittelbar benachbarten Orts oder Tals sind in der Regel groß und nehmen meist nur allmählich ab. Insgesamt kennen die Tiroler diese Skala ausreichend gut, um Sprecher und Sprecherinnen aus allen Landesteilen als Landsleute zu erkennen (in ähnlicher Weise gibt es übrigens auch eine Skala zwischen den verkehrsoffenen Haupttälern und den höchstgelegenen Hochtälern).

Zu ersterem ein einfaches Beispiel: Das Unterinntal kennt einige Sprachmerkmale, die im restlichen (Nord-, Süd- und Osttirol) unbekannt sind. Neben der schon angesprochenen Nasalierung in Wörtern des Typs Stoan ist das vor allem die sogenannte „Vokalisierung“ des Labials -l- durch die im Dialekt die Wörter alt, Welt, wild und Holz zu åed, wüd, Wöd und Hoitz werden.

Trotzdem werden die Unterinntaler im restlichen Tirol unschwer als Landsleute erkannt, weil andere Eigenheiten sie als Tiroler erweisen: beispielsweise die markanten Velarkonsonanten kch-, -kch und -ch- und die Hebung des a-Lauts zu u, wenn er vor Nasal steht, eine Entwicklung, die es im gesamten Ostteil und im Kern des Landes nördlich und südlich des Alpenhauptkamms (und nirgendwo außerhalb Tirols) zu beobachten gibt. Dort erscheinen also die Wörter „Hahn, kann, getan“ als Hun, kun, tun und „anfangen“ als unfånga.

Die angesprochene Familienähnlichkeit der Dialekte, gekoppelt mit solchen Beobachtungen, sind dafür verantwortlich, dass es ein sicheres und gesellschaftlich flächendeckendes Gefühl einer Tiroler Spracheinheit gibt. Sowohl die Nasalierung der Vokale vor -n (Stoan und Stuan statt Stoan und Stuan) wie die l-Vokalisierung werden solcherart als Kennmerkmale einer spezifischen Variante des Gesamttirolischen wahrgenommen und nicht als Merkmale eines fremden Dialekts. Wenn man diesen psychologischen Mechanismus berücksichtigt, dann erhalten die im folgenden Abschnitt behandelten strukturellen Merkmale plötzlich ein neues Gesicht.

Die sprachlichen Merkmale, die allgemein als verräterisch für die Herkunft eines Menschen angesehen werden, bezeichnet man – nach einer alttestamentlichen Erzählung im Buch der Richter – manchmal auch als Schibboleth (siehe den einleitenden Text A), auch wenn die strenge Bedingung, dass Anderssprachliche die Laute gar nicht hervorbringen können, meist nicht zutrifft. Im Anschluss an das vorher Ausgeführte heißt das: Ein Unterinntaler hat genug Schibboleths im Kopf, um einen Oberinntaler als Tiroler zu erkennen und umgekehrt; und beide erkennen einen Südtiroler an seiner Sprache, was ebenfalls vice versa gilt. Ein Südtiroler und Osttiroler schließlich – von wo auch immer – erkennt einen Pustertaler, wie der unter B. zitierte Spottspruch belegt.

Abschließend vielleicht noch ein Hinweis darauf, dass die angesprochenen k- und ch-Laute (ebenso wie die „harte“ Aussprache der Verschlusslaute p und t) im übrigen Österreich als wichtigstes – und diesmal wohl auch im strengen Sinn zutreffendes – Schibboleth für „das“ Tirolische im bairisch-österreichischen Raum gelten. Insofern ist es kein Zufall, dass die Tiroler ihre Gäste – nicht um sie, wie in der Bibel geschildert, niederzumachen, sondern um deren (für sie ertragreichen) Wohlfühlfaktor zu erhöhen – gern auffordern: Sag einmal Oachkatzlschwoaf.

8. Sprachstrukturelle Argumente für die Zusammengehörigkeit der Tiroler Dialekte

Die angesprochenen Gemeinsamkeiten sind natürlich der traditionellen Dialektologie nicht entgangen und deren Befund lässt sich kurz vielleicht so zusammenfassen:

1. Die Tiroler Dialekte gehören zum bairischen Sprachtypus (wie die der östlichen Bundesländer Österreichs und im Gegensatz zum westlich und nordwestlich angrenzenden Alemannischen) und dort zum Typ des Südbairischen (von der partiellen Ausnahme des Unterinntals war schon die Rede). Die Merkmale des Südbairischen sind sonst nur in Kärnten und in Teilen der Steiermark anzutreffen, deren Dialekte aber in vielen anderen markanten Merkmalen vom Tirolischen verschieden sind.

2. Das Unterinngebiet ist in der Silbenstruktur und in gewissen Lautmerkmalen – davon war schon die Rede – mittelbairisch geprägt, bewahrt aber einerseits südbairische Merkmale und weist andererseits typisch tirolische Merkmale auf.

3. Die geographische Verteilung der lautlichen Strukturen – das hat v. a. Egon Kühebacher in seinen Schriften und im Tiroler Sprachatlas herausgearbeitet – folgt meist regionalen bzw. geographischen Gegebenheiten und kennt mehr west-östliche als nord-südliche Gegensätze.

4. Dass das auch für den Wortschatz gilt, legt der 3. Band des Sprachatlasses nahe.

5. Es gibt nicht nur horizontale Dialektgegensätze, sondern sozusagen auch „vertikale“: die Dialekte der (ursprünglich verkehrsabgelegenen) Hochtäler haben – wie Eberhard Kranzmayer schon 1962 im Überblick dargestellt hat – in Wortstruktur, Lautung und Wortschatz Eigenheiten bewahrt, die im übrigen bairisch-österreichischen Dialektraum durch sprachliche Neuerungen abgelöst worden sind.

6. In unserem Wörterbuch wird das in vielfacher Hinsicht bestätigt:

Es gibt unverkennbare Gemeinsamkeiten zwischen Osttirol und dem Südtiroler Osten (Pustertal).

Es gibt sehr viele Wortschatzübereinstimmungen zwischen Vinschgau und Passeiertal auf der einen und dem Oberinntal und/oder seinen Seitentälern auf der anderen Seite.

Auf beiden Seiten des Brenners ist in den Städten und in ihrem Umfeld mehr alter Wortschatz weggeschmolzen als auf dem Land und in den verkehrsoffenen, tiefer gelegenen Haupttälern mehr als in den Hochtälern. Anders gesagt: Auch im Wortschatz gibt es – wie in den Lautungen – zwischen allen Teilregionen unverkennbare Verschränkungen, wie sie für Varianten, die zueinander im Verhältnis der Familienähnlichkeit stehen, zu erwarten sind.

7. Aus diesem Grund geben wir in vielen Fällen im Wörterbuch auch geographische Hinweise, obwohl wir die Gefahr sehen, dass diese Hinweise falsch verstanden werden könnten. Nehmen wir das Beispiel

Rịbm, Rịbe, die [aus roman. rúvina, róvina (= Mure), das als *ruwin ins Ahd. entlehnt und umgelautet wurde; steckt auch in typisch tirolischen Namen wie Rubner, Rofner, Raffeiner] (OT): Schotterreise.

Hier findet sich nach der etymologischen Klärung des Worts in eckigen Klammern das Sigel OT, das für „Osttirol“ steht (zu den geographischen Sigeln und Ortsangaben vgl. S. 519–520). Das ist zwar ein Wort, das es, wie der TSA belegt, nur in Osttirol gibt, der Großteil der geographischen Hinweise in unserem Wörterbuch bedeutet aber nur, dass das Wort von unseren Gewährspersonen für den angegebenen Raum (Ort, Tal, Region) als bekannt gemeldet wurde. Wenn also ein Ort/Tal angegeben ist, kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Wort auch in Nachbarorten/-tälern bekannt ist. Das gilt besonders für Stichwörter, die wir aus Wörterbüchern übernommen haben (also Pass. für das Passeiertal) und die unsere Gewährspersonen anderswo nicht kannten. In ähnlicher Weise sind wir auch mit den Meldungen in der oben erwähnten Datenbank des Nationalparks Hohe Tauern verfahren. Kurz: Unsere geographischen Angaben haben Hinweischarakter und dienen primär dazu, die Familienähnlichkeit der Tiroler Dialekte bewusst zu machen.

9. Fazit – Ausblick

Unsere Wortsammlung ist summa summarum die im Augenblick reichhaltigste Momentaufnahme dessen, was in Tirol an eigenständigen Dialektwörtern noch bekannt und in vielen Fällen noch im Gebrauch ist – zumindest dann, wenn Dialektsprecher unter sich sind. Diese Wörter haben sich in der Regel in Lautung und Bedeutung vor und neben dem standardsprachlichen Wortschatz entwickelt. Das heißt natürlich nicht, dass sie von diesem nicht da und dort beeinflusst wurden, das heißt aber sehr wohl, dass ihre Geschichte autochthon und vor und neben der der Standardsprache verlaufen ist (vgl. den Schluss von Abschnitt 4).

Das Verhältnis von Dialekt und Standardsprache hat sich in den letzten Generationen aber radikal verändert. Der erste Grund dafür ist die durch die Entwicklung der Massenmedien herbeigeführte Allgegenwart des Standards. Diese würde eine autochthone Weiterentwicklung von einzelnen Orts- oder Taldialekten von vornherein ausschließen. Dass diese Entwicklung im Bereich der Medien aber Hand in Hand geht mit anderen technologischen, kulturellen und sozio-ökonomischen Wandlungen, hat zumindest im Wortschatz noch viel tiefergehende Folgen. Die Technisierung der Land-, Vieh- und Forstwirtschaft etwa – am Anfang des 20. Jahrhunderts noch die Lebensgrundlage für den Großteil der Bevölkerung – hat hunderte von dialektalen Wortschatzelementen obsolet gemacht. Die Bezeichnungen für die Bestandteile eines alten Leiterwagens etwa sind verschwunden, weil sie nicht mehr gebraucht werden. Es gibt noch alte Bauern, die sich erinnern, dass der Achsnagel der alten Wagen Luner hieß, aber die meisten von ihnen können einen Luner im besten Fall aus einem Archivschrank in der Werkstatt holen, weil der dazugehörige Wagen zu viel Platz einnehmen würde. Was den Dialekt aber noch nachhaltiger beeinflusst, ist das Faktum, dass die Bezeichnungen für die neuen Technologien, für die dazu nötigen Werkzeuge und ihre Bestandteile, für einzelne Arbeitsschritte und Arbeitsvorgänge, für mögliche Störungen etc. so gut wie immer Lehnwörter aus der Standardsprache sind.

Und die angesprochenen Phänomene sind selbstredend nicht auf den Bereich der Technologie beschränkt, sondern durchziehen alle Lebensbereiche, die Hauswirtschaft ebenso wie das nur noch in Resten vorhandene Handwerk, das Warenangebot in allen Lebensbereichen ebenso wie die Freizeitaktivitäten, ganz zu schweigen vom politischen und kulturellen Leben. Natürlich haben sich durch diese Entwicklungen auch die Bereiche, in denen die Sprecher unmittelbare Erfahrung haben, verschoben (die Kenntnis von Pflanzen und Tieren des eigenen Biotops hat beispielsweise deutlich ab-, die der Dinosaurier und diverser exotischer Tiere hat zugenommen) – bis hin zur Erfahrung der Zeit, die nicht mehr – oder viel weniger als früher – vom Rhythmus der Jahreszeiten mit den dazugehörigen Arbeiten und Festen und dem kirchlichen Kalender geprägt ist. Insofern ist es ein Phänomen von tieferer Bedeutung, wenn die alten dialektspezifischen (und geschichtsträchtigen) Wochentagsnamen Erchtåg und Pfinztåg in den Städten bestenfalls als Erinnerungsformen (man weiß noch, dass es sie gegeben hat und nennt sie als Beispiele dafür, wie man „früher“ gesprochen hat) vorhanden und auch auf dem Land schon meist von Dianschtåg und Donnerståg (oder Donnaståg, Donnrschtog) verdrängt worden sind.

All das wird auf lange Sicht dazu führen, dass sich die Eigenwüchsigkeit der Dialekte auf lexikalischer Ebene abschwächt und stärker als heute auf die lautliche Ebene verschiebt (wie man an den zitierten Beispielen ja deutlich sehen kann). Im Ganzen wird der Dialekt mehr und mehr eine Mischsprache werden, in der der Altdialekt das strukturelle Substrat bildet, das von der Standardsprache nicht nur, aber vor allem im Wortschatz überformt ist. Das wird allerdings eine langfristige Entwicklung sein und bedeutet ganz und gar nicht, dass der Dialekt gänzlich verschwinden wird. Er wird zweifellos ein eigenes Register in der Sprachkompetenz der Tiroler bleiben, das ganz selbstverständlich im privaten, entspannten, nichtformellen Umgang gewählt wird (und umgekehrt eine Situation als privat und nichtformell definiert).

Diese Entwicklung wird in Südtirol etwas anders und wohl auch langsamer verlaufen als im österreichischen Landesteil. Das hängt damit zusammen, dass dort der Dialekt – bedingt durch die jüngere Geschichte und das italienische Umfeld – viel stärker als Identitätsmerkmal empfunden wird als die Standardsprache. Im mündlichen Verkehr zwischen Landsleuten beschränken sich daher lexikalische Entlehnungen aus dem Standard tendenziell eher auf das unbedingt Nötige als im übrigen Tirol. Demgegenüber wird die Zahl von Entlehnungen aus dem Italienischen natürlich zunehmen und an den Staatsgrenzen auch neue Wortgrenzen entstehen lassen. Aber genauso wenig, wie in den nächsten Generationen der Dialekt schlechthin verschwinden wird, wird das die gemeinsame dialektale Grundprägung der Landesteile in Frage stellen.

   A

a1 〈unbestimmter Art., alle drei Genera〉: ein, eine, ein: a Bua (= ein Bub), a Diarn (= eine Magd), a Haus (= ein Haus) an [mit -n-Einschub, wenn das Substantiv mit einem Vokal beginnt (Hiat-Tilger); siehe auch an und ar]: an Ante (= eine Ente).

a2, an 〈Adv.〉 [geht ebenfalls auf den unbestimmten Art. zurück]: etwa: a viere, fimfe (= etwa vier, fünf Uhr); an åcht Stuck (= etwa acht Stück).

a3 [Kurzform von af (= auf)]: siehe auf.

a4 [erster Bestandteil von Ortspräp. und Ortsadv.; wohl Partikelrest] (ST, OT): anaufe (= oben, hinauf); avore (= davor, draußen); ahiage (= diesseits, hier); anidn (= herunten); awaus (= hinunter); awẹck (= hinweg, fort).

a, o [verschliffenes mhd. ouch (= auch)]: 1. auch: der is a då (= der ist auch da) 2. wirklich, allen Ernstes, ganz bestimmt: der is a a Dolm (= er ist wirklich ein dummer Mensch).

å, o 〈Adv.〉 [mhd. ab, abe; die Lautform å ist als standardnähere und außerhalb Tirols weiter verbreitete Dialektform an die Spitze gestellt, obwohl in Tirol – außerhalb des östlichen Nordtirols – die o-Formen gelten; eine Ausnahme machen die Dialekte des Loisach- und des nördlichen Lechtals, die wie die benachbarten alemannischen Dialekte offenes a kennen]: 1. ab o und o (ST): von oben bis unten, den ganzen Weg hinunter 2. abgebrochen: der Steckn is å 3. gebrochen: der Hax isch å.

å|a, å|er, å|i: siehe åcher, åchn.

åbi: siehe åchi.

-a, -era [aus ihrer, dem an die Verbform angehängten partitiven Gen. aller drei Genera] (Pust.): ihrer, davon: i kafera (= ich kaufe einige), i hånna (= ich habe welche davon); måggscha? mågschera? (= magst du welche?).

å-, o- als Präfix von Verben [vgl. auch o-]: ab-: å|beckn (= Verstecken spielen, wer vor dem suchenden Kind die Abklopfstelle erreicht, ruft å(ge)-beckt); å|bedauern (= bedauern, bereuen, einsehen); si von wås nix å|beissn können (= keinen Nutzen von etwas haben); å|beitln (= abbeuteln, abschütteln); å|blitzn låssn (= abweisen); å|brennen (= niederbrennen); å|bussln (= abküssen); å|dienen, å|dien (= mit Arbeit entgelten); å|essn (= einer Speise überdrüssig werden; jem. etwas wegessen); å|dorrn, å|durrn (= verdorren, dürr werden); å|dran (= drechseln, durch Drehen brechen); å|faln (= verfehlen, danebenschießen); å|feala (= das Fell abziehen) (Reutte); å|fliagn (= abhauen); jemanden å|fårn låssen (= jemanden abweisen); å|fotzn (= ohrfeigen); å|gebm (= weggeben; ergiebig sein: des gip vil Hei å; sich abgeben); sich å|geiln(= beruhigen); å|gfrettn (= sich abmühen, siehe Gfrett); å|gfriarn (= abfrieren, einfrieren); å|greggn, å|graggln (= abmagern, zugrunde gehen, sterben); å|gwinna (= brauchtümliches Neujahrwünschen der Kinder, bei dem sie eine Münze bekommen) (Reutte); å|heitln (= die Haut abziehen); å|kearn (= Wasser ab- bzw. umleiten); å|klaubm (= von Sträuchern und Bäumen pflücken); å|klockn (= abklopfen: den Schnee von den Schuhen); å|kochn (= überbrühen); å|kragln (= den Hals umdrehen, umbringen); å|kraln (= abkratzen); å|krischtlen, å|krischtln (= abschwingen beim Schifahren); å|luckn (= abdecken, verschließen); å|meggn (= abstechen); å|neidln (= liebkosen; siehe neidln); å|påschn: (= sich aus dem Staub machen); å|passn (= auflauern); å|peatern (= zusammendrücken, stürmisch umarmen); å|pelzn (= Setzlinge von einer Pflanze nehmen); å|pfitschn (= abgleiten; entkommen); å|plattln (= sich schnell davon machen; siehe plattln); å|plindern (= abräumen, sich davon machen); å|poassn (= abschütteln); å|raggern (= sich abschinden); å|reissn (= in zwei Stücke reißen; beim Schifahren den Halteschwung machen); å|saglen (= absägen; auch metaphorisch); å|schaugn (= sich etwas abschauen, imitieren, übernehmen); å|schiabm (= abhauen); å|schlogn (= schlachten, totschlagen); å|schmiarn (= abschmieren; bestechen); å|schreckn (= z. B. mit kaltem Wasser, etwas abkühlen, temperieren; abschrecken); å|schwenzn (= Schmutz durch Begießen wegspülen); å|schpeisn gen (= zur Kommunion gehen); å|schpen (= ein Kalb entwöhnen); å|schtrågglen (= abschinden, überanstrengen); sich å|schtressn (= sich Stress machen); wårm å|trågn (= ein Haus anzünden, verbunden mit Versicherungsbetrug); å|treibm (= die Milch entrahmen); å|tschappiarn (= abhauen, entkommen); å|zågglen (= abhauen); å|ziachn (= ausziehen, entkleiden, kastrieren, ein Messer schärfen) etc.

å-, o- als Präfix bei Substantiven und Adjektiven: Å|biss, der (= schädliches Abbeißen von Gras/Zweigen durch das Vieh, Verbiss); Å|druck, der [laut Schatz wohl vom Abdrücken des Gewehrs] in leschtn Å|druck (= im letzten Augenblick); Å|fiarn (= Durchfall, Diarrhöe); Å|gång habm (= Angst, Respekt haben); å|gedrant, å|drat, å|giwischt (= tückisch, schlau); å|gschuntn (= abgearbeitet); å|lag 〈Adj.〉 [vgl. onlag unter on-] (Ötzt.) (= leicht geneigt); å|ritig (= abschüssig); Å|schraufer der (= Wilderergewehr mit abschraubbarem Lauf) (Ehrwald); Å|seite, die (= Schattenseite) (Tuxert.); Å|wurf, der [eigentlich: Abwurf; Substantivierung zu abwerfen] (= abgeworfenes Hirschgeweih).

A, Ob, Öiwe, die [ahd. au, Plural: ewi; die Pluralform zeigt, dass im Ahd. das auslautende -u einem -w entsprochen hat; vgl. Eb] (NT): weibliches Schaf.

abig 〈Adj.〉 [wie awich, siehe dort, Ableitung von ab-] (La.): schlecht, zuwider.

Ach-: siehe Oach-.

Åch: siehe Årsch.

Åchal|kraut, Gåchal, das [eigentlich: Achillenkraut; der Gattungsname Achillea geht auf Achilles, den Helden des Trojanischen Krieges zurück, der die Pflanze als Droge entdeckt und zur Wundheilung verwendet haben soll (Ilias, 11. Gesang, Vers 822 ff.)]: Gemeine Schafgarbe (Achillea millefolium).

å|cha, å|cher, å|a, å|wa, o|cher, o|ar-, o|er, or 〈Adv.〉 [ein dialektales ab + her, wo standarddt. her + ab steht, wobei die Bewegungsrichtung zum Sprecher hin und abwärts ist; im Vinschgau steht daneben auch oi, da zwischen abher und abhin (siehe dort) nicht unterschieden wird]: herunter.

åcha-, åcher-, åa-, åwa-, ocher-, o|ar- als Präfix bei Verben: åcha|fålln, åcha|fliagn, åcha|kuglen (= herunterfallen); o|a|glanggern, åcher|glenggern (= lose herunterhängen); o|a|schneidn (= herunterschneiden o|argschnitn die Muater: der Mutter aus dem Gesicht geschnitten; ocher|hången (= herunterhängen); oana ocher|messn (= eine Ohrfeige geben); ocher|tian (= heruntergeben, z. B. den Hut; entfernen, z. B. das Haar); åcha|treibm (= heruntertreiben; Milch mit der Zentrifuge entrahmen) etc.

åcha|werts, åcha|weaschts, or|werts, oa|werts 〈Adv.〉 [sieche åcha]: auf dem Weg herunter, herunterwärts.

Ache, die; Plural: Achn [mhd. ähe (= Feldmaß, ca. 120 Fuß im Quadrat)]: etwa 2.000 m2 Ackerfläche.

Acher, der: siehe Oacher.

Åcher, Åchant: siehe Ahorn.

åchetzn, åchatzn, ọchitzn, ọchelen 〈hat〉 [aus dem Wehlaut ach mit dem Suffix -atzen, -etzen, -itzen, siehe dort] (veraltet): ächzen, stöhnen.

achl, achle 〈Adj.〉 [abgeleitet vom Wehlaut ach] (ST): schwächlich.

åchi, å|i, åichi, åwi, oichi, ochn, ogn, o|i, oidn, obi 〈Adv.〉 [ab + hin; siehe åcha]: hinunter: åchi (ochn) welln (= hinuntergehen wollen): „Der Summer is aus, i muaß åbi ins Tål. / Pfiat di Gott, mei liabe Ålma, pfiat di Gott tausend Mål!“ (Aus dem Lied „Der Summer is aus“; SsÖ. 86–87).

åchi etc. als Präfix bei Verben: åchi|fliagn (= hinunterfallen); åchi|hengen (= herunterhängen); åchi|kemmen (= hinunterkommen, hinuntergelangen); ochn|låssn (= hinunterlassen, hinuntergehen lassen); ochn|bringen (= hinunterbringen; schlucken können, essen können); oi|plumpsn (= mit einem Plumps fallen); åchi|schlintn (= hinunterschlucken); åchi|schoppn (= gierig essen); åchi|schwenzn (= hinunterspülen); ochn|singen (= den Bass singen).

åchi|begln, oi|beglen 〈hat〉 [zu bügeln; laut Kluge-Seebold vermutlich ursprünglich: mit einem heißen Eisen Rundkrägen biegen, also einen Bügel machen]: 1. hinunterbügeln 2. klein machen 3. demütigen.

Ach|katzl: siehe Oachkatzl.

Ạcht, Ạchte, Ạ̊cht(e), die [mit und ohne Sekundärumlaut zu mhd. acht, Substantivableitung von mhd. achten]: 1. das Achten etwas (in) Acht haben: auf etwas Acht geben Achte gebm: Aufmerksamkeit schenken koan Achte geben (ST): nicht beachten 2. Kenntnis Acht(e) wissen: Bescheid wissen, sich auskennen 3. (OT) Richtung in der Acht: in dieser Richtung.

Ạ̊chter, Ạ̊chta, der [Zahlsubstantiv wie Einser, Zweier etc.]: 1. Ziffer acht 2. (auch süddeutsch und österreichisch): verbogenes Rad am Fahrrad.

ạ̊chtn 〈hat〉 etwas nicht åchtn: von etwas nicht Notiz nehmen.

Åch|zeit, die [eigentlich: Arbeitszeit] (Wildschönau): 1. Zeit zwischen Frühstück und Neun-Uhr-Pause 2. kurz andauernde, unangenehme Zeit (während eines Schneesturms, eines Regengusses etc.).

Åckerei, die [zu åckern, siehe dort]: mühselige Arbeit.

Ạ̊cker|gschuich, das [2. Bestandteil: Kollektivbildung zu mhd. schiuhen (= verscheuchen)] (Pass.): Vogelscheuche.

Ạ̊cker|hottl, Ạ̊cker|tåttl, die [Acker als Bestimmungswort für abwertende Grundwörter wie Hottl (= Lumpen, Fetzen; auch unordentliche Frau) und Tåttl (= Fuß, Huf)] (Deutschn.): Erdkröte (Bufo bufo); Froschlurch aus der Gattung der Echten Kröten innerhalb der Familie der Kröten (Bufonidae).

Ạ̊cker|trota, die [vgl. Tråte] (Eisack): Weidegrund, der vorher Acker war.

ạ̊ckern 〈hat〉 [eigentlich: mit dem Pflug bearbeiten]: viel und mühselig arbeiten.

A|da|bei, der [aus dialektal a dabei (= auch dabei)] (auch bairisch-österreichisch): jemand, der überall dabei sein will.

Adams|putz, der [2. Bestandteil: Putz (= Kerngehäuse eines Apfels), mhd. butze (= Kobold); nach einem alten Volksglauben sitzt im Inneren von Früchten ein Kobold (aber: siehe Butzen); das Kompositum Adamsputz geht von der Vorstellung aus, dass dem biblischen Adam das Kerngehäuse des von Eva dargereichten Apfels in der Kehle stecken blieb] (ST): Adamsapfel (Prominentia laryngea); bezeichnet den bei Männern hervorspringenden Abschnitt des Schildknorpels (Cartilago thyroidea) des Kehlkopfes.

a|diam: siehe atia(m).

å|drat, o|ge|drant 〈Adj.〉 [eigentlich: abgedreht; laut Jakob Ebner aus der Sprache der Tischler: auf der Drehbank geglättet]: durchtrieben, raffiniert.

å(e)|chi, å|i: siehe oi.

af: siehe auf.

å|fa(d)nig 〈Adj.〉 [aus ab- + Faden] (OI): 1. widerspenstig, lästig, widrig 2. langweilig 3. (Zillt.) geschmacklos (in Kleidung und Benehmen).

ạf|e|nuis, ạf|e|nois 〈Adv.〉 [verschliffen: auf ein Neues] (ST, OI): wieder, noch einmal.

af|en|oart 〈Adv.〉 [eigentlich: auf einem Ort]: irgendwo.

Afer, das; Plural: Afer [bei Schatz Femininum: die Afa; Herkunft unklar] (Pass.): oberer Ackerrand.

Affare [aus ital. affare (= Geschäft, Angelegenheit)] (ST): des isch an Affare (= ein lohnendes Geschäft).

Affikạt, Affakạt, Awokạt, der; auch: Efikạt, der [eigentlich: Advokat, zu lat. advocare (= herbeirufen)] (ST): 1. Rechtsanwalt 2. Rechtsverdreher 3. Gschaftlhuber 4. rechthaberische Person.

Affision, Affissiun, die [aus ital. affezione (= Wohlwollen, Zuneigung)] (ST): 1. Begeisterung 2. Ambition 3. (Pass.) Kriegsbegeisterung, Fanatismus.

Ạ̊ffn|gfriß, das [1. Bestandteil: Affe; 2. Bestandteil: eigentlich: Gefrieß; zu fressen, dieses zu ahd. frezzan, eine Verschmelzung aus dem Präfix ver- und essen; erst im Mittelalter differenziert in essen (bei Menschen) und fressen (bei Tieren)] (ST) (derb und abwertend): 1. (hässliches) Affengesicht 2. elender Kerl.

Åfl, Ofl(e), Afü, der [mhd. afel (= eiternde Materie in Geschwüren; entzündete Stelle überhaupt)]: Eiter.

aflig 〈Adj.〉 [umlautend zu Åfl, siehe dort]: eitrig.

åfln, ofl(e)n, afün, 〈hat〉 [zu Åfl, siehe dort]: eitern, Eiter absondern.

a|fore, a|foure 〈Adv.〉 [zu vor]: 1. draußen 2. heraußen.

afs Jor [eigentlich: auf das Jahr]: nächstes Jahr.

ạ̊ft, ạ̊fter(n), drạ̊fter 〈Adv.〉 [zu mhd. und ahd. after (= dahinter, danach, hinten); verwandt mit engl. after; später hat sich daraus das Substantiv After (= Darmausgang) entwickelt] (auch bairisch): dann, nachher: „Tret ma åft ins neie Jåhr, / schick viel Flåchs und Schaflhåår, / Woad und Troad soll guat gedeihn / und viel Hennei in der Steign …“ ist der Beginn eines Volksliedes von Tobi Reiser, der angab, das Lied 1923 im Pongau aufgezeichnet zu haben.

ạ̊fter 〈Präp.〉 [siehe åft] (ST) (auch bairisch-österreichisch): nach ạ̊fter Kịrchn: gleich nach der Messe.

Ạ̊fter- als 1. Bestandteil eines Kompositums [vgl. åft]: Ạ̊fter|leder, das (Pass., Alp.): Leder zwischen Sensenstiel und Hammer.

Åfter|mantig, der [siehe åft, also der Tag nach dem Montag] (AF): Dienstag. Mit der Bedeutung danach/dahinter geht oft einher, dass es sich um eine minderwertige Variante einer Sache handelt: Åfter|gwạ̊nd: Ersatzgewand, Åfter|grụmmet: dritte Mahd (meist nur noch im Weidebetrieb verwertet), Åfter|mọscht: der zweite (schlechte) aus dem Trebernstock gepresste Most.

ạ̊fter|mịttog 〈Adv.〉 [1. Bestandteil: siehe åft] (ST, OI): nachmittags.

Ạ̊ftra, das [åfter + Kollektivsuffix -ach (dient als Sammelbezeichnung, ähnlich wie -schaft)] (Deutschn.): Unkrautsamen, die beim Dreschen abfallen.

å|garbt 〈Adj.〉 [zu mhd. garwen, gerwen (= fertig, d. h. gar machen), das auch im Wort Gerber steckt] (OI): abgenützt, abgewetzt (die Kleidung).

Åge, Ågn: siehe Ognen.

Agerschte, die [mhd. agelster (= Elster), ahd. agalstra, weitere Herkunft unklar] (Pust.): Elster (Pica pica); Vogelart aus der Familie der Rabenvögel.

å|giribm, å|gribn 〈Adj.〉 [vgl. ågiridn, das irrtümlich statt zu drehen zu reiben gestellt wurde]: raffiniert.

å|giridn 〈Adj.〉 [eigentlich: fertig gedreht, fertig gedrechselt (auf der Drehbank); präfigiertes Partizip Perfekt von mhd. rīden (= drehen, wenden), vgl. å|drat umgangssprachlich abgedreht mit ähnlicher Bedeutung] (Pust.): 1. durchtrieben, raffiniert, verschmitzt 2. gewendet.

Agl, der [kurz für Bluitagl] (Pust.): Blutegel; der bekannteste Vertreter ist der Medizinische Blutegel (Hirudo medicinalis).

aglat 〈Adj.〉 [Adjektiv zu Auge] (UI): Ränder um die Augen habend.

agn: siehe oagn.

Ågn, Åg(e), Ogn(en), Angen, Enga, die (meist Plural) [mhd. agene, agen (= Spreu), zu ahd. agana (= Spreu)]: 1. Spreu, Abfall beim Brecheln 2. Koniferennadeln.

Agn|kraler, der [1. Bestandteil: zu Agn, siehe dort; 2. Bestandteil: mhd. kröüwel, kröül (= Kräuel, Gabel mit Zinken)] (ST): rechenartiges Werkzeug für Baumnadeln.

Agrit, Agra, der [mhd. egerde, egerte (= eingezäuntes Brachland, Weideland)] (Pass.): Kosten für die Sömmerung eines Tieres auf der Alm.

Å|gschmåch, der (Zillt.): Mensch mit süßlichem Getue.

a|hia(ge) 〈Adv.〉 [siehe a-] (ST, OT): herüben, diesseits, auf dieser Seite.

a|hịnnin, a|hịnne 〈Adv.〉 (ST, OT): herinnen.

a|hobm, ar|obm 〈Adv.〉 (ST, OT): heroben.

Åhorn, Åcher, Åchant, Ocher, der, Åhale, das [mhd. ahorn] (ST): Ahorn.

å|i: siehe ochn.

åichi|toan 〈hat〉 [eigentlich: hinuntertun; siehe oidntian] (UI): erniedrigen.

aia 〈Adv.〉 [siehe auch ojo] (ST, OT): 1. vielleicht 2. vielleicht schon, vielleicht nicht 3. (La.) schwaches Nein 4. wohlmeinende Bestätigung: Hoffentlich kimp kuen Regn! – Aia! (= Hoffentlich kommt kein Regen! – Ja, hoffentlich nicht!).

Aicht, die: siehe Eicht.

Å|klockn, das [mhd. klocken (= klopfen), also abklopfen]: Kinderspiel, mit Hölzern wird ein A geformt, einer zählt, bis alle versteckt sind, sucht sie, die anderen zerstören das A.

akrat, akrạtt 〈Adj.〉 [wie standarddt. akkurat zu lat. accuratus (= sorgfältig), zu lat. accurare (= mit Sorgfalt tun), zu lat. curare (= kurieren)]: 1. sorgfältig, ordentlich, genau: ein akrater Mensch 2. 〈Adv.〉 gerade, ausgerechnet: muaß des akratt iatz sein?

Ạ̊lbe, die: siehe Ålm.