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Herbert Dutzler

Bär im Bierkrug, Gott und Teufel

Eine Kriminalgeschichte

Bär im Bierkrug, Gott und Teufel

Mit geübten Griffen riss sie die abgefrorenen, braunen Pflanzenteile ab und warf sie in den mitgebrachten Plastiksack. Zwischendurch musste sie sich immer wieder stöhnend aufrichten, denn die gebückte Stellung tat ihrem Kreuz nicht gut. Die verbleibenden Teile des Allerheiligengestecks, die noch Farbe zeigten, rückte sie sorgfältig zurecht. Rosarot und gelb. Josef hatte Rosarot gehasst, das hatte er nun davon.

Ihr Blick fiel auf die Schrift auf dem Stein über dem schmalen Grab. „Josef Hametner“ stand da, in tief eingegrabenen Lettern, in denen schon gelbe Flechten wuchsen. Zwanzig Jahre war es jetzt her, dass sie ihren Mann ins Grab gebracht hatte, und verdient hatte er es. Dennoch kam sie unermüdlich jede Woche auf den Friedhof, um nach den Blumen zu sehen. Und ihn an sich zu erinnern. Wenn er auch in der Hölle schmorte, er sollte dennoch niemals vergessen, wer ihn dorthin gebracht hatte.

Fluchend zog er die warmen Handschuhe von den Fingern. Es war ihm nicht gelungen, mit ihnen die Schlösser an den Läden und an der Tür seines Standes aufzuschließen, es half nichts, er musste sich mit ungeschützten Fingern an die Arbeit machen. Und das bei minus zwölf Grad. Was war ihm bloß eingefallen, als er sich um einen Stand beim Wolfgangseer Advent beworben hatte? Gewiss, es gab Einnahmen, aber wenn er ehrlich zu sich selbst war: Die Touristen, vor allem aus den Ostländern, die kamen nur, um zu schauen. Ständig blickte er in ihre Kameraobjektive und wurde angeblitzt. Wenn er für jedes Foto wenigstens einen Euro bekäme, dachte er sich. Er zog die Handschuhe wieder über und besah sich seine Ware.

Sie machte sich auf den Weg in die Pfarrkirche. Gott sei Dank waren noch kaum Stände des Adventmarkts geöffnet, kaum Menschen auf den Straßen. Einige Standinhaber hatten bereits die Läden hochgeklappt und waren im Schein der widerlich kitschigen Lichterketten mit dem Ordnen ihrer Ware beschäftigt. Ein eisiger Wind zog durch die Gassen, auch in der Kirche, schien es ihr, war es nicht viel wärmer. Jahrelang hatte sie ihn angefleht, mit in die Kirche zu kommen, und jahrelang hatte er sie ausgelacht. Dann hatte sie aufgehört, mit ihm darüber zu reden, und stattdessen auf den Herrn gehört.