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Tirol von innen ­gesehen

Zeitzeugen im Gespräch

Herausgegeben von Tiroler Tageszeitung,ORF Tirol und Casinos Austria

Ein Blick zurück

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Dr. Karl Stoss, Generaldirektor der Casinos Austria AG

Mit der Auflage dieses nunmehr fünften Buches sind all unsere Erwartungen an den Erfolg der „Zeitzeugen“-Gespräche im Casino Innsbruck bei Weitem übertroffen worden. Natürlich waren wir optimistisch, aber eine derart positive Resonanz lädt neben aller Freude auch schon wieder zum Nachdenken ein.

Einer der größten Philosophen der Menschheitsgeschichte, Konfuzius, sagte einst: „Die Erfahrung ist wie eine Laterne im Rücken; sie beleuchtet stets nur das Stück Weg, das wir bereits hinter uns haben.“

Leider gehen heute unglaublich viele Erfahrungen und Erkenntnisse verloren. Man „googelt“ schnell, was man wissen will, und nimmt sich kaum mehr die Zeit, mit anderen Menschen zu reden. Was meinst du dazu? Wie würdest du dieses Problem lösen? Genau hier sehe ich das Erfolgsgeheimnis der „Zeitzeugen“-Gesprächsreihe. Wir nehmen uns Zeit, wir zeigen Interesse, wir hören zu. Und wir lernen. Von Menschen, die die vergangenen Jahrzehnte auf herausragende Weise gelebt, unzählige Herausforderungen angenommen, Engagement und Mut bewiesen haben. Ihnen möchte ich dafür danken, dass sie uns durch ihre Auftritte einmalige und wertvolle Botschaften hinterlassen haben. Danke, dass wir sehen dürfen, welch beeindruckenden Weg die Laterne auf ihrem Rücken ausleuchtet.

Herzlich danken möchte ich Felix Mitterer, der heuer die Veranstaltungsreihe moderiert hat. Mit seinem Erfahrungsschatz, seinem Feingefühl und seinem Sinn für das Dramaturgische hat er es geschafft, den Zeitzeugen Antworten und Statements zu entlocken, die für uns alle von großer Bedeutung sind und, dank dieses Buches, auch für die Nachwelt aufbewahrt werden können.

Mein Dank gilt auch unseren Kooperationspartnern, der Moser Holding und dem ORF-Landesstudio Tirol. Sie haben durch die begleitende, umfangreiche Berichterstattung zum erfolgreichen Gelingen dieser Veranstaltungen beigetragen.

Ein Dankeschön auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Verantwortlichen des Casino Innsbruck. Sie haben durch ihre großartige Unterstützung einmal mehr gezeigt, dass unsere Casinos deutlich mehr sind als Orte der Unterhaltung und des Vergnügens. Casinos sind mit Veranstaltungsreihen wie den „Zeitzeugen“-Gesprächen besondere Orte der Begegnung und des gesellschaftlichen Lebens.

Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre.

Herzlichst,

Dr. Karl Stoss

Generaldirektor

Casinos Austria AG

Spezielles Werk der Geschichtsschreibung

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Hermann Petz, Vorstandsvorsitzender der Moser Holding

Geschichte wird durch Geschichten erst so richtig lebendig! Die Bestätigung für diese These liefert uns seit einigen Jahren die Gesprächsreihe „Zeitzeugen“, die wir in Kooperation mit den Casinos Austria und dem ORF Tirol 2011 gestartet und gleichzeitig beschlossen hatten, das Lebenswerk jener Menschen aufzuzeichnen, denen ein maßgeblicher Anteil an den Entwicklungen des Landes Tirol zugeschrieben werden muss.

Den nunmehr vorliegenden Band fünf der Buchserie sehe ich daher nicht nur als logische Fortsetzung eines erfolgreichen Formates, sondern als ein weiteres sehr spezielles Werk, als eine Bereicherung der Geschichtsschreibung einerseits und gleichzeitig als Denkanstoß zur Stärkung des Tiroler Geschichtsbewusstseins. Konkret – ich betrachte dieses fünfte Zeitzeugenbuch als einen wichtigen Schritt in den Anstrengungen, mehr über unsere Heimat Tirol zu erfahren, und die bisherigen vier Ausgaben sind die beste Bestätigung dafür, dass dieses Vorhaben gelungen ist. Denn dieser Schatz an Erfahrungen und persönlichen Eindrücken, die aus den Gesprächen entstehen, vermittelt in Zusammenarbeit mit den Recherchen der TT-Redakteure nicht nur einfühlsame Porträts faszinierender Zeitgenossen, sondern auch ein faszinierendes Bild der Tiroler Zeitgeschichte.

Wenn u. a. ein Pionier wie Leopold Wedl über den Start seines Imperiums plaudert und dabei Emotionen spürbar sind, wenn Christian Berger – der sein Handwerk mit der Kamera meisterhaft versteht – über die Begegnung mit Hollywoodstars erzählt oder Eva Klotz mit bewegenden Worten den dramatischen Lebensweg ihres Vaters beschreibt, dann überträgt das eine Authentizität, die Zuhörer wie Leser gleichermaßen fesselt.

Verbunden mit einem herzlichen Danke an unsere Zeitzeugen, an unsere Partner Casinos Austria und ORF Tirol, an Felix Mitterer und den Verantwortlichen des Haymon Verlages wünsche ich höchstes Lesevergnügen mit dieser aktuellen Ausgabe der Zeitzeugenserie.

Hermann Petz

Vorstandsvorsitzender

der Moser Holding

… und kein bisschen leise.

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Helmut Krieghofer, Landesdirektor des ORF Tirol

In der fünften Staffel der populären Gesprächsreihe „Zeitzeugen“ in Zusammenarbeit von Casinos Austria, Tiroler Tageszeitung und ORF Tirol ist die jüngere Zeitgeschichte Tirols einmal mehr lebendig geworden. An sechs Abenden haben jeweils Hunderte interessierte Tirolerinnen und Tiroler faszinierende Persönlichkeiten als Zeitzeugen im Gespräch mit Felix Mitterer erlebt.

Als Chronist seiner Zeit sieht sich Anton Christian, einer der bedeutendsten Künstler Tirols. Er erzählt über aufregende Jahre in den Kunstszenen von Paris und London in den 60er- und 70er-Jahren, die sein späteres Schaffen geprägt haben. Bis heute stellen Christians Werke Bezüge zu aktuellen brisanten Themen her, etwa das gestrandete Boot vor dem Innsbrucker Dom, das symbolisch für Menschen auf der Flucht stand.

Eine Zeitreise durch Telfs war das „Zeitzeugen“-Gespräch mit Helmut Kopp. 30 Jahre lang prägte er als Langzeit-Bürgermeister die Entwicklung der Marktgemeinde. So holte er die Volksschauspiele nach Telfs, ermöglichte die Ansiedlung des Liebherr-Werkes und bemühte sich stets um den Dialog mit den Telfer Muslimen.

Christian Berger begann seine Karriere als Kameramann im ORF Tirol. Heute ist er ein international bekannter Filmkünstler. Er arbeitet mit dem Oscar-prämierten Regisseur Michael Haneke genauso zusammen wie mit Hollywood-Star Angelina Jolie, die Berger als Kameramann für ihren Film By the Sea engagiert hat. Das Gestalten mit Licht im Film hat Christian Berger zur Meisterschaft entwickelt.

Ein „Zeitzeugen“-Gespräch unter Freunden war jenes, das Felix Mitterer mit dem Maler und Bildhauer Walter Nagl geführt hat. Nagls künstlerischer Erfolg ist Belohnung für harte Arbeit und Entbehrungen früher Jahre. Schon zwei Jahrzehnte vor Rudi Wach schuf Nagl einen nackten Christus, der im Festspielhaus Erl spät, aber doch einen sehr prominenten Platz gefunden hat.

Die jüngere Geschichte Tirols aus erster Hand hat Eva Klotz erzählt. Die Tochter des Südtirol-Aktivisten Georg Klotz war über dreißig Jahre lang streitbare Abgeordnete zum Südtiroler Landtag. Ebenso lang kämpfte sie gegen die, wie sie sie nennt, „Unrechtsgrenze“ am Brenner. Der Gedanke an die Wiedereinführung von Grenzkontrollen am Brenner tue ihr im Herzen weh, sagt sie, auch wenn sie Österreich verstehe.

Einer der erfolgreichsten Wirtschaftskapitäne Tirols ist Hobbysegler Leopold Wedl. Im Alter von erst 24 Jahren übernahm er einst das Handelshaus Wedl. Heute ist das Familienunternehmen ein international tätiges Handels-Imperium mit 1.300 Mitarbeiter/innen und weltweit über 500 Millionen Euro Umsatz. Kaffeekultur ist Leopold Wedl ein ganz besonderes Herzensanliegen. Den besten Espresso Europas zu haben, ist sein ehrgeiziges Ziel.

In den „Zeitzeugen“-Gesprächen haben alle diese außergewöhnlichen Persönlichkeiten faszinierende Lebensgeschichten erzählt. Im „Trommelfell“ von ORF Radio Tirol waren die Höhepunkte aus den einzelnen Interviews bereits zu hören. Ich darf Ihnen eine kurzweilige Lektüre mit den ausführlichen Lebensgeschichten der „Zeitzeugen“ wünschen.

Helmut Krieghofer

Landesdirektor

ORF Tirol

Eine abenteuerliche Zeitreise

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Projektkoordinator Fred Steinacher

Es ist schon verblüffend, wie die Zeit vergeht – im wahrsten Sinne des Wortes. Wir sind im November 2016 angekommen und bereits der fünfte Band dieser spannenden Serie liegt vor uns, vollgepackt mit tollen, interessanten Geschichten von sechs Persönlichkeiten, die in aufmerksam belauschten Gesprächen mit Felix Mitterer ihre abenteuerliche Zeitreise durch die Jahrzehnte zum Besten gegeben haben. 

Die Grundsatzfrage zu dieser Serie, ob es denn eine Garantie dafür geben würde, dass in der Vergangenheit alles so verlaufen ist, wie uns das die Historiker erzählen, ist bisher für alle unsere Hauptdarsteller zu einer Herausforderung geworden und die Antworten bzw. Erzählungen sind eine Bestätigung der These, die da lautet: „Wenn mehrere Menschen die gleiche Geschichte erzählen, dann ist es jedes Mal eine andere Geschichte.“

Redakteure der Tiroler Tageszeitung haben mitgeschrieben, nachgefragt und letztlich Porträts und Geschichten über jene Menschen verfasst, die in den unterschiedlichsten Bereichen Großes, Nachhaltiges geleistet haben; und damit ihrer Zeit sowie dem Land Tirol ein Vermächtnis für die Ewigkeit hinterlassen.

Dieses Vermächtnis aufzuzeichnen und gemeinsam mit dem Haymon Verlag in einer Buchreihe zu dokumentieren, hat einen besonderen Reiz, nicht zuletzt weil man – aus nächster Nähe sozusagen – eintauchen darf in die Historie von Menschen, die mit ihrem Wirken entscheidend dazu beigetragen haben, dass der Name Tirol in aller Welt bekannt ist.

Dank sagen möchte ich an dieser Stelle unseren Zeitzeugen, die mit ihren Erzählungen für kurzweilige Abende im Casineum gesorgt haben, aber ein herzliches Dankeschön gebührt nebst Felix Mitterer auch den KollegInnen aus der TT-Redaktion, die mit ihren Beiträgen wohl einzigartige Erinnerungen zu einem Lesestoff der besonderen Art aufbereitet haben.

Viel Spaß bei der Lektüre

wünscht

Fred Steinacher

Projektkoordinator

Moser Holding

Auf den Spuren des ewigen ­Rätsels vom Werden und Vergehen

Von Ivona Jelčić

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Anton Christian im Zeitzeugengespräch mit Felix Mitterer

Die Bezeichnung „Menschenmaler“ hat einst die Tiroler Kunsthistorikerin Magdalena Hörmann für ihn geprägt. Anton Christian gefiel das. Weil ja der Mensch in seiner gebeutelten Existenz, die conditio humana also, in seiner Kunst eine entscheidende Rolle spielt. Christian hat der „Menschenmaler“ aber auch irgendwie an „Menschenfresser“ erinnert. Sagt er. Die Lakonie, mit der er so manchen Fremdbetrachtungen begegnet und noch lieber Selbstbetrachtung betreibt, trifft, wenn man sein künstlerisches Werk hinzuzieht, rasch auf einen tieferen, geradezu romantischen Ernst: Christians Thema sind die Bedingungen und auch Beschädigungen des menschlichen Seins, die Ursprünge und Enden, der Kreislauf von Werden und Vergehen. Früh schon glich er diesen an organischen Vorgängen ab. Er erkundete ihn aber auch entlang von Mythologischem, Symbolistischem, Archaischem, Literarischem, Gesellschaftspsychologischem. Und nicht zuletzt im steten Abgleich mit der Natur. Selbst aus manchen „Rußblumen“, 1995 aus den Relikten eines verheerenden Flurbrandes in Griechenland entstanden, erwachsen Ahnungen menschlicher Formen und Körper. „Ich bin schon einmal gewesen“ ist wiederum der bedeutsame Titel einer Zeichnung aus dem Jahr 1978: Sie zeigt eine im Wasser widergespiegelte Gestalt auf einer Art Toten- und zugleich Auferstehungsbett. „Die Sehnsucht nach Archaischem und Elementarem“, schrieb einmal der Kurator und Kunsthistoriker Peter Weiermair über den Künstler, entspreche „zutiefst der Person Anton Christians“.

Zuhause in Natters unweit von Innsbruck begegnet man dem Künstler inmitten üppiger Natur: sattes Grün, Bäume, Blumenpracht – das perfekte Idyll eines gelernten Profi- und zugleich Anti-Tirolers. Die außereuropäischen Masken und Skulpturen, die es hier außerdem zu entdecken gibt, sind nur vermeintlich ein Bruch: Die Welt von Anton Christian hat schon immer auch weit über Tirol hinausgeführt. Auch noch, nachdem er Anfang der 1970er Jahre letztlich doch in der Heimat Wurzeln geschlagen hat. Und es sich zu Beginn ein bisschen seltsam anfühlte, plötzlich „so sesshaft“ zu sein. „Verstehen Sie, was ich meine?“, sagt der Künstler vierzig Jahre später. Und lacht.

Die Jahre in Paris und London, von denen hier noch die Rede sein wird, Vortragsreisen durch und Ausstellungen in den USA, Welterkundungstouren, die ihn schon früh per Anhalter bis nach Nordafrika geführt haben, die Faszination für Naturvölker und Stammeskunst werden dazu noch einige Erklärungen liefern.

Kriegsjahre in Oberau

Aber zurück zum Anfang zunächst, ins Tirol des Jahres 1940, in dem am 7. Februar Anton Christian Kirchmayr in Innsbruck zur Welt kommt. Er ist der Sohn von Anna und Toni Kirchmayr, jenem Tiroler Maler und Restaurator (1887–1965), dessen Spuren man hierzulande auf Schritt und Tritt begegnet. In der Wallfahrtskirche Maria Locherboden in Mötz, in der Pfarrkirche Auffach in der Wildschönau oder in Wenns, Vomp und Fulpmes. Als Kirchenrestaurator und Freskenmaler ist Kirchmayr im Raum Tirol, Salzburg und Bayern eine Instanz, bereits 1919 hat er außerdem in Innsbruck seine eigene Mal- und Zeichenschule gegründet: Sie ist die erste Ausbildungsstätte für fast alle namhaften Tiroler Künstler der Zeit, die später an die Akademie nach Wien gehen sollen, darunter etwa Franz Walchegger oder Max Weiler.

Anton Christian ist nach vier Töchtern aus früherer Ehe der erste Sohn, der Vater ist zum Zeitpunkt seiner Geburt bereits 53 Jahre alt. Es sind die letzten Jahre des Zweiten Weltkriegs, Innsbruck wird bombardiert, 1942 verfrachtet der aus Schwaz gebürtige Toni Kirchmayr die Familie nach Oberau in der Wildschönau. Die Umstände in seinem dort befindlichen kleinen Häuschen sind bescheiden. „Hinten am Balkon raus das Plumpsklo, kein Wasser im Haus, sondern im Schupfen nebenan.“ Der Vater ist kaum anwesend, wird sich Anton Christian später in einem autobiografischen Text, erschienen 1977 in der Tiroler Kulturzeitschrift Das Fenster, erinnern. „Den Sommer über malte und restaurierte er in Kirchen und an alten Häusern, im Winter hielt ihn seine Malschule, die er sehr geliebt hat und eigentlich als sein Hauptwerk betrachtete, von uns fern.“ Noch mit 57 Jahren wird Toni Kirchmayr von den Nazis, so Christian, „zum Reichsarbeitsdienst nach Prag“ eingezogen.

Jahrzehnte später wird sich der Sohn ausgehend von sehr privaten Fundstücken mit der Zeit des Zweiten Weltkriegs beschäftigen: Nach dem Tod der Schwester Lisbeth findet er in ihrem Nachlass ein ganzes Paket voller Feldpostbriefe. „Das waren 16 verschiedene Briefschreiber, ein paar Verwandte der Familie, Freunde der Schwester, Unbekannte, denen sie geschrieben hat, weil es damals den Aufruf gab, man soll Briefe an unbekannte Soldaten schreiben, damit die halt auch Post bekommen“. Von diesen 16 Leuten, sagt Christian, waren zwei dabei – „beide mit mir verwandt“ –, bei denen „die nationalsozialistische Gesinnung aus den Briefen herauszulesen war, wo man gemerkt hat, dass sie einverstanden waren, mit dem, was passiert ist.“ Bei allen anderen war es das menschliche Empfinden abseits des Weltenlaufs, das den Künstler „zutiefst ergriffen“ hat: Da war die Rede von „Heimweh, Eifersucht, nicht die Beschreibung des Grausigen, das sie erlebt und gesehen haben, sondern eher so: Bei euch wird jetzt wohl bald Weihnachten gefeiert. Oder: Blühen bei euch schon die Bäume?“. Es entsteht der Zyklus Feldpostbriefe (2009–2012).

„… und kam mir vor wie Van Gogh“

Als Kind freilich, zunächst in Oberau, später wieder in Innsbruck, interessiert Anton Christian vor allem auch Handwerkliches. Vieles lernt er, so beschreibt er es selbst in seinen Erinnerungen, von „Vater Sandbichler“, einem alten Wegmacher und Senn, der mit seiner Ehefrau ebenfalls im Haus wohnt. „Ich war oft bei ihm auf Almen, er zeigte mir, wie man am Stamm und im Holz den Unterschied zwischen Fichten und Tannen erkennt, wie man Holzriegel macht, Hacken und Messer schleift, Seile knüpft und mit Tieren umgeht.“ Vom Künstlerwerden träumt Christian nicht: „Ich wollte ebenso gut Architekt werden, das hat mich genauso interessiert.“ Ein Lehrer empfiehlt den Jungen schließlich an die Gewerbeschule, er besucht sie ab 1954, den Vater freut das, „weil er dachte: Dann habe ich mehr Hilfe beim Restaurieren.“ Toni Kirchmayr fertigt zu der Zeit auch Urkunden aus, für die Landesregierung oder die Bezirkshauptmannschaft. „Da hat er zu wenig Leute gehabt, die schön schreiben können, und in der Gewerbeschule haben wir gelernt, schön zu schreiben. Also habe ich dann Urkunden geschrieben und dadurch ein bisschen Taschengeld verdient. Da war ich so 14, 15.“ Mit schulischem Gehorsam kann sich Christian weniger anfreunden: Wegen „Renitenz und zu vieler versäumter Unterrichtsstunden“ fliegt er im zweiten Jahr von der Schule, wird aber im darauffolgenden Herbst wieder aufgenommen und schließt die Ausbildung 1958 ab.

Längst interessiert er sich in dieser Zeit schon brennend für die Welt außerhalb Tirols. „Mein Vater war ja sozusagen ein Profitiroler. Nördlich von Nürnberg und südlich von Bozen, das waren für ihn alles Gauner.“ Dass aber den Sohn die Neugier in die Welt hinauszog, dagegen habe der Vater nie etwas gehabt. „Er hat sich sicher Sorgen gemacht, und die Mutter auch. Aber da war nie ein Wort, dass ich das nicht tun soll. Sie hätten das nie verweigern wollen. Auch nicht, als ich dann nach Paris gefahren bin. Das hat ihn nicht gestört, im Gegenteil: Er hat das gescheit gefunden“. Die allerersten Ausflüge unternimmt Christian freilich noch mit den Pfadfindern, es geht an den Garda- und an den Bodensee. „Und dann kam die Autostoppzeit“: Mit 16 beginnt er auf eigene Faust zu reisen, kommt in den Folgejahren bis ins südliche Marokko oder zur Weltausstellung in Brüssel 1958, nach Marseille und Barcelona – damals noch „raue, schmutzige Städte“.

Auch das Abfindungsgeld, das er nach dem Präsenzdienst bekommt, wird für ausgedehnte Reisen verwendet, auf denen Anton Christian sich nun auch als Künstler erprobt: „Ich verfertigte von Marseille bis Tarragona eine Menge miserabler Aquarelle und kam mir vor wie van Gogh“ (aus: Das Fenster, 1977). Die Zeichenschule des Vaters in der Herzog-Friedrich-Straße in Innsbruck hatte Christian bereits während der beiden letzten Gewerbeschuljahre besucht. Wie erging es ihm da, als Sohn? Der Vater habe ihn „gleich behandelt wie die anderen Schüler in seinem Kurs“, sagt Christian: „Er hat halt hineingezeichnet, wenn er gemeint hat, dass man etwas falsch gemacht hat. Was man in dem Alter nicht so mag, aber er war sicher ein guter Lehrer“.

Gleichgesinnte an der Akademie

Im Herbst 1959 schließlich fährt der 19-Jährige zur Aufnahmeprüfung an der Akademie der bildenden Künste nach Wien. Und beginnt in der Klasse von Josef Dobrowsky zu studieren. Er besucht auch den legendären „Abendakt-Kurs“ von Herbert Boeckl: „Da ist man gern hingegangen, denn der Boeckl hat gern geredet – ein bisschen mystisch-verzerrt, das haben alle geschätzt und keiner hat ihn verstanden.“ Boeckl gab auf diesem Wege auch seine Ansichten an die Studenten weiter, etwa wenn er, so Christian, über „Kitsch“ gesprochen und erklärt habe: „Klimt hat wenigstens echten Kitsch gemacht, aber bei Schiele war ja noch nicht einmal der Kitsch echt“.

Die Jahrhundertwende-Kunst, erinnert sich Christian, habe „damals keinen Wert gehabt auf der Akademie. Die gültige Kunst in der allgemeinen Auffassung war die abstrakte Nachkriegsmalerei.“ Aber allzu dogmatisch dürfte es nicht zugegangen sein: „Die Professoren haben uns kaum je belästigt. Der Dobrowsky ist vielleicht alle 14 Tage einmal aufgetaucht.“ Als prägend empfindet Christian die Akademie-Zeit vor allem auch wegen des Austauschs unter den Studierenden, es ist eine Gemeinschaft Gleichgesinnter: „Man war ja mit Architekten, Filmemachern, Malern unter einem Dach. Das war schon etwas Besonderes“. Die Lebensumstände sind zunächst freilich alles andere als bequem: Nach bestandener Aufnahmeprüfung teilt sich Christian erst einmal eine Bleibe mit seinem Landsmann und Mitstudenten Walter Nagl in Mödling – „in einem Gartenhäusl, kaum heizbar, das war nicht so lustig“. Jeden Tag geht es mit dem Zug 17 Kilometer in die Wiener Innenstadt an die Akademie.

Und welche Kunst, welche Künstler empfand er für sich selbst als prägend? Christian nennt gern den Surrea­lismus, „auch als literarische Bewegung“, Hieronymus Bosch, dessen berühmtes Weltgerichtstriptychon er in der Akademie bewunderte, oder, ganz wichtig: Goya. Wie und auf welchen Wegen er der Werke des spanischen Meisters im Madrider Prado ansichtig wurde, ist wiederum eine abenteuerliche Geschichte für sich: Auf einem der Meisterschulfeste von Fritz Wotruba erzählt ihm Monsignore Otto Mauer, Gründer der berühmten Galerie nächst St. Stephan, dass auf dem Madrider Flohmarkt El Rastro unzählige Antiquitäten, die während des Spanischen Bürgerkriegs aus Kirchen und Klöstern geplündert worden sind, angeboten würden. Und sich in Wien und München gut verkaufen ließen. Die Ausfuhr aus Spanien ist wohlgemerkt strengstens verboten. Kurz darauf befindet sich Anton Christian mit einem Freund, der ein Auto besitzt, auf dem Weg Richtung Süden. Im Prado beeindrucken ihn die Werke von Velazquez, Ribera und eben Goya, auf den Flohmärkten kauft er die Ware für die abenteuerliche Schmuggelfahrt – von deren Erlös er „fast ein ganzes Jahr lang in Wien leben“ kann. Es soll nicht der letzte Ausflug nach Spanien gewesen sein.

Zeichnen im Louvre

Im Sommer 1963 schließlich kehrt Anton Christian mit dem Diplom eines akademischen Malers in der Tasche aus Wien nach Innsbruck zurück, bezieht ein Atelier in der Herzog-Friedrich-Straße neben der Mal- und Zeichenschule des Vaters – und verbringt die Zeit, wie er es 15 Jahre später selbst beschreibt, „fast ausschließlich im Caféhaus, mich selbst ungeheuer wichtig nehmend“. Letztlich hält es ihn nicht lange in Tirol: Im Frühjahr 1964 fährt er für ein paar Tage nach Paris. Und fasst umgehend den Entschluss, sich dort für eine Weile als Künstler niederzulassen. Die französische Kunst, darf hier angemerkt werden, hat im Nachkriegstirol eine bedeutende Rolle gespielt: Die Strategie, die die französischen Besatzer verfolgten, um Animositäten auszuräumen oder jedenfalls so gering wie möglich zu halten, hat in so gut wie jeder Tiroler Künstlerbiografie der Zeit nachhaltige Spuren hinterlassen. Die Franzosen setzten auf Kultur, gründeten das Französische Kulturinstitut, organisierten Ausstellungen und Lesungen. „Wir haben ja in der Nazi-Zeit in einem Kultur-Blackout gelebt“, sagt Christian. Das Institut français öffnete gewissermaßen ein Fenster zur Welt: Impressionisten, École de Paris, Picasso, auch deutsche Expressionisten, all das habe er, sagt Anton Christian, in den von den französischen Besatzern organisierten Ausstellungen zum ersten Mal in Innsbruck gesehen. „Heute wären solche Ausstellungen gar nicht mehr möglich, schon allein wegen der Versicherungssummen könnte sich das eine Provinzstadt nicht mehr leisten“. Damals, in den 1950er und beginnenden 60er Jahren, sagt Christian rückblickend, sei dadurch in Tirol „natürlich der Eindruck entstanden, dass Paris nach wie vor der künstlerische Nabel der Welt ist. Aber in der Realität war es das in den Zwanzigerjahren.“

1964 also bezieht Anton Christian ein winziges Zimmer im Hotel Dieppe in Paris, eine billige Absteige für Dauermieter, er haust notdürftig auf ein paar Quadratmetern, auf denen an Arbeiten kaum zu denken ist. Er zeichnet im Louvre und in anderen Museen. Dann trifft er einen Bekannten aus der Wiener Akademie-Zeit wieder. Auch Jörg Ortner ist als Künstler nach Paris gegangen. „Er hat mich gefragt: Wo arbeitest du? Und ich habe gesagt: Nirgendwo.“ Ortner bietet ihm an, sich mit ihm die Miete und den Raum seines Ateliers in Montparnasse zu teilen. Christian knüpft bald auch andere Kontakte, unter anderem zu Sonia Delaunay, die damals als geometrisch-abstrakte Malerin und Designerin, aber noch mehr durch ihre Ehe mit dem berühmten französischen Avantgarde-Künstler Robert Delaunay bekannt ist. Sie ist gerade dabei, die erste Ausstellung von Werken ihres 1941 verstorbenen Mannes in Deutschland vorzubereiten. Und engagiert Anton Christian als Sekretär. „Ich habe halt Handlanger-Arbeiten gemacht, Passepartouts geschnitten und Ähnliches.“ Das Geld ist knapp, Material­beschaffung für junge Künstler eines der elementarsten Kunststücke: „Als Sonia Delaunay herausgefunden hat, dass meine Bilder mit Farben aus ihrer Werkstatt entstehen, hat sie mich hinausgeschmissen“, erinnert sich Christian lachend.

Das jedenfalls in privater Hinsicht wohl zentralste Pariser Ereignis ist aber die Begegnung mit Marlis Hornbacher: Sie stammt aus Bayern, studiert in Innsbruck Pharmazie und kommt mit einer Exkursion der Universität Innsbruck nach Paris. Und sie ist schließlich auch der Grund dafür, dass Anton Christian ein Jahr später, 1967, nach Tirol zurückkehrt. Das Paar ist bis heute verheiratet.

Aus Anton Christian Kirchmayr ist da längst Anton Christian geworden. Auch als Abgrenzung zum bekannten Vater. „Aber ich wollte ihn damit nicht beleidigen“, erinnert sich der Sohn. „Wir haben also schon darüber diskutiert und er hat volles Verständnis gehabt“. Was die Kunst betrifft, gibt es gleichwohl Konfliktpotenzial: Die Moderne Kunst habe der Vater überhaupt nicht gemocht. „Jetzt haben wir halt, damit wir nicht streiten, einfach nicht darüber geredet. Aber sonst bin ich mit ihm gut ausgekommen.“ Seinem Vater, sagt Anton Christian, verdanke er zudem auch sein finanzielles Überleben. Bei ihm habe er „ein bisschen restaurieren gelernt“, eine Fähigkeit, die ihm auch in den Anfangsjahren als Künstler eine sichere Einnahmequelle bescherte. Als Toni Kirchmayr 1965 im Alter von 78 Jahren stirbt, ist Anton Christian 25 Jahre alt.

2015 begegnete man Vater und Sohn in einer Ausstellung im Schwazer Rabalderhaus. Anton Christian hatte sie organisiert, dafür die Skizzenbücher und Mappen seines Vaters geöffnet und ihn als Künstler auch abseits seiner Rolle als bekannter Kirchenmaler und Restaurator in Erinnerung gerufen. Die Fotografie, die Vater und Sohn dort zusammen zeigt, ist allerdings eine Montage. Ein gemeinsames Bild besitzt Anton Christian nicht.

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Anna und Toni Kirchmayr mit Anton Christian, 1940

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„Pilze als gedachter Straßenbelag“, London 1970

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In der Galerie im Taxispalais, 1969

Verwesung und Verfall

Auch nach der Rückkehr aus Paris sichern Aufträge für Restaurierungsarbeiten das finanzielle Auskommen. So hat Anton Christian auch die Möglichkeit, „ohne Druck“, wie er sagt, eigene Arbeiten zu machen. 1969 verlässt er Tirol zusammen mit Ehefrau Marlis erneut. Es geht – mithilfe eines Auslandsstipendiums – nach London. In der britischen Metropole pulsiert in den 1960er und 70er Jahren das Kunstleben. Und hier geschieht Entscheidendes: „Ich habe mir damals gesagt“, so Christian, „wie zuhause kann ich da nicht weitermachen, das ging nicht. Weil ich mit der Malerei auch angestanden bin, das hatte mit der Technik zu tun, aber auch mit der Einstellung. Und mit dem, was ich dort – und vorher schon in Frankreich – an Informationen dazugekriegt habe.“ Der Maler und Zeichner wird zum Konzeptkünstler, beginnt mit organischen Materialien, mit Pflanzen und Tierkadavern, mit Verwesung und Verfall zu experimentieren. „Viele Dinge passieren durch Zufall, irgendwas im Kühlschrank wird schimmlig und ich denke: Das möchte ich einmal ausprobieren.“ Christian lässt Brot, Zwiebeln, schließlich auch Fleisch, „das ja einen weitaus größeren symbolischen Wert hat“, verrotten, setzt die organischen Materialien unterschiedlichen Bedingungen aus, legt sie in Flüssigkeiten wie Benzin, Olivenöl oder Salzwasser ein und beobachtet, fotografiert, zeichnet sie täglich. Zum Teil schneidet er diese Zeichnungen auch aus und verleiht ihnen damit wiederum etwas Objekthaftes.

Letztlich, sagt der Künstler heute, fuße die ganze restliche Arbeit seines Lebens auf diesen Londoner Experimenten. Die Gesichter des Alterns (1993), heute im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum beheimatet, nennt er als Beispiel: Sie sind aus 14 alten Eisenplatten, Fundstücken von einem Schrottplatz, gemacht, aus denen sich fragmentartig das Leben und Sterben, Angst, Einsamkeit, Schmerz, Wiederkehr, Erlebtes und Ephemeres erhebt. Die Arbeit fuße „im Prinzip auf dem gleichen Konzept wie bei den Verfallsprozessen mit den Schweineköpfen oder mit all dem organischen Material. Ich habe damals diese Bleche gefunden, die sich auch mit der Zeit selbst zerstören, weil der Rost ja immer weiter frisst. Und daraus wollte ich etwas machen über das Alter und das Ende einer Arbeit. Die ja auch selbst altert und zerfällt: Die müssen ja drunter immer zusammenkehren, weil das bröselt. Und irgendwann hört die einfach auf zu existieren.“

Keineswegs zum ersten Mal sind es bei den Gesichtern des Alterns aber auch Philosophie und Literatur, die entscheidenden Einfluss haben. Auch das Verhängnis des Alters, wie es Simone de Beauvoir in ihrem Essay La Vieillesse von 1970 ausgebreitet hat, ist dem Künstler ein gedanklicher Anstoß: „Beauvoir beschreibt ja das phänomenologische Verhängnis: Irgendwann wird man krank, dadurch ist man gehandicapt in seiner Kommunikation, gleichzeitig muss man mehr Geld aufwenden für Medikamente etc., hat also weniger Geld zur Verfügung, möchte das gleichzeitig nicht zugeben, wird immobiler, kann Freunde nicht mehr besuchen, ist in der Folge einer Vereinsamung ausgesetzt, Sexualität kommt hinzu, Erinnerung, so stuft sich das ab, das habe ich als Ausgangspunkt verwendet“.

Die Experimente der Londoner Jahre sind gar nicht so einfach zu bewerkstelligen, die stellen den Künstler auch vor Entsorgungs- und andere Probleme: „Man hat ja für alles eine ‚licence‘ gebraucht, und die natürlich von einem Amt, das weit weg war“. Er habe dann auch vieles wieder vernichtet, nicht aber die bemalten Schweineköpfe, „die habe ich getrocknet, die gibt’s also noch im Original, sie sind jetzt 40 oder 50 Jahre alt und fast zu Stein geworden“. Christians Arbeiten erregen einige Aufmerksamkeit: Peter Townsend berichtet im Studio International, damals eine der wichtigsten Kunstzeitschriften, darüber. In der auf Avantgarde-Strömungen spezialisierten Galerie des deutschen Wahl-Londoners Sigi Krauss stellt Anton Christian zusammen mit dem österreichischen Künstler Richard Kriesche aus. Eine wichtige Anlaufstelle ist das Institute of Contemporary Arts (ICA), im London der 1950er und 60er Jahre eines der wichtigsten Zentren für zeitgenössische Kunst. Einer der Mitbegründer des ICA ist der Galerist, Kunstsammler und Surrealist Lord Roland Penrose. Zusammen mit Peter Weiermair fährt Christian nach Kent im Südosten Englands, um Penrose zu besuchen. Hinter einem „großen Portal“, erinnert er sich, führte da „ein langer, knirschender Kiesweg“ zu dem Anwesen. „Und dann stand da so ein kleines, altes Mandl in einer blauen Kluft, der mit einem Sieb das Laub aus einem Teich gefischt hat. Da hatten wir also unseren Lord.“

Rückkehr nach Tirol

1971 kehren Anton Christian und Marlis nach Tirol zurück. Die Mutter ist an Krebs erkrankt, er möchte in ihrer Nähe sein. Im darauffolgenden Jahr kommt der erste von drei Söhnen zur Welt: Markus ist heute Ins­trumentenbauer, seine Werkstatt befindet sich im elterlichen Haus in Natters, im ehemaligen Atelier von Anton Christian. Der Jüngste, Clemens, hat Koch gelernt und ist mittlerweile „im Hotelmanagement tätig“. Und Jakob Kirchmayr ist als Künstler in die Fußstapfen des Vaters getreten, nachdem er zunächst Restaurierung an der Akademie der Bildenden Künste in Wien studiert hat. Hat der Vater ihn ermutigt? „Überhaupt nicht, ich habe ihm abgeraten, hab ihm gesagt, das ist ein Scheißberuf“, sagt Anton Christian, lacht und liebt seinen Beruf ganz offensichtlich trotzdem. Es ist „ein Abenteuer“, auf das sich einzulassen ihm nach wie vor ganz einfach „Spaß macht“. Auch wenn man gerade in den Anfängen nie wissen könne, ob man mit dem, was man da tut, auch reüssieren wird. Er selbst, sagt Anton Christian, habe das „als Junger aber auch nie so als Bedingung empfunden. Ich habe so in den Tag hineingelebt“. Wiewohl natürlich trotzdem „ein Teil der Arbeit immer auch dadurch bedingt war, dass ich etwas verdienen musste“. Aber: „Wenn man vom finanziellen Erfolg ausgeht, braucht man gleich gar nicht Künstler werden. Das steht in den Sternen, ob man damit auch etwas verdient oder nicht.“

Zwanzig Jahre nach Anton Christians Londoner Verrottungsexperimenten steigt ein junger britischer Künstler, der verwesende Kuhköpfe in Glaskästen ausstellt und später ganze Rinder oder Haie in Formaldehyd einlegt, zum internationalen Kunstsuperstar auf. Er heißt ­Damien Hirst.

In Tirol zu bleiben „war aus Karrieresicht sicher ein Fehler. Aber man lebt ja nicht nur vom Beruf. Ich habe immer auch andere Sachen mit Begeisterung getan“, sagt Anton Christian heute. Bedauert habe er die Rückkehr deshalb nie. Tatsache sei jedoch, „dass man nur in einem Zentrum eine Chance hat, überregional bekannt zu werden“. In einer Provinzstadt wie Innsbruck komme eben „nicht einfach einmal so ein Kurator vorbei.“ Ihm gehe es keineswegs schlecht, sagt Anton Christian heute. Doch das, was er erreichen hätte können, „und was ich aus meiner Sicht auch verdient hätte, habe ich in Innsbruck nicht erreicht“.

Die Siebziger und Achtziger sind geprägt von reger Ausstellungstätigkeit, unter anderem in der Schweiz. Folgenreich ist die Teilnahme an The Austrian ExhibitionProjekt zur Touristisierung unserer FlachlandgebieteVersteckt deutsch grüßen